Hamburg. Gleich mehrere Vorzeigeprojekte entstehen in den kommenden Jahren – unter anderem die neue Zentrale der städtischen Gesellschaft.
Die HafenCity Hamburg GmbH ist für die Entwicklung von Hamburgs jüngsten Stadtteil verantwortlich. In den vergangenen 20 Jahren sind auf dem 157 Hektar großen Areal bereits 80 Gebäude mit rund 3300 Wohnungen entstanden. Aktuell wird mit dem Quartier Elbbrücken der letzte Abschnitt bebaut – den Abschluss bildet der 245 Meter hohe Wolkenkratzer Elbtower.
Das städtische Unternehmen selbst sitzt aktuell mit rund 70 Mitarbeitern in einem eher unscheinbaren Gebäude an der Osakaallee. Aber das soll sich ändern. Denn der neue Firmensitz soll ein sogenanntes Null-Emissionshaus werden. Damit solle eines der europaweit nachhaltigsten Gebäudekonzepte realisiert werden, sagt Geschäftsführer Andreas Kleinau. „Damit wollen wir neue Maßstäbe setzen und Lernprozesse für intelligentes und emissionsneutrales Bauen anstoßen.“
HafenCity Hamburg GmbH lässt Erdreich erkunden
Das sechsgeschossige Gebäude mit rund 7200 Quadratmeter Fläche soll im Quartier Am Sandtorpark/Grasbrook in Höhe der Kreuzung Am Dalmannkai/San-Francisco-Straße bis 2024 gebaut werden. Damit wird auch die letzte Baulücke in der westlichen HafenCity geschlossen. Der Bauantrag ist bereits gestellt, mit den ersten Arbeiten soll Anfang 2022 begonnen werden.
Aktuell wird im Auftrag der HafenCity Hamburg GmbH das Erdreich mit Hilfe eines „Geothermal Response Test“ erkundet. Erdsonden lassen so die Temperaturniveaus erkennen, „die für unsere angedachten Wärmegewinnungssysteme wichtig sind“, erklärt Kleinau beim Abendblatt-Gespräch.
Firmensitz wird bis zur fünften Etage ein Holzgebäude
Auf einer Pressekonferenz im April war in einer ersten Schätzung von einem Investitionsvolumen von 23,5 Millionen Euro für das Gebäude die Rede. Doch die Planungen sind noch nicht abgeschlossen: „In etwa zwei Monaten können wir eine Kostenschätzung abgeben. Dass die Baukosten für ein Null-Emissionshaus höher sind als für ein gewöhnliches Gebäude, steht fest“, sagt der HafenCity-Hamburg-Chef. Kleinau ist auch wichtig, „dass das Gebäude eine hohe Akzeptanz bei den Bürgern findet und die Menschen, die dort arbeiten, sich wohlfühlen“.
Aber zunächst einmal stellt sich die Frage, wie man solch ein Null-Emissionshaus baut. Der neue Firmensitz wird von der ersten bis zur fünften Etage ein modulares Holzgebäude. Das Untergeschoss, Erdgeschoss und auch die Treppenhäuser müssten aus Ökobeton gebaut werden, der durch den Ersatz von Zement mit alternativen Produkten die CO2-Emissionen um bis zu 50 Prozent im Vergleich zu Standardbeton reduziert. Das sei dem Brand- und Hochwasserschutz geschuldet, sagt Jan Jungclaus. Der Architekt hat seit Kurzem die neu geschaffene Position „Projektleiter Nachhaltiges Bauen“ inne und steht damit auch allen Bauherren in der HafenCity und vor allen denjenigen, die sich an Ausschreibungen für Grundstücke beteiligen, als Ansprechpartner zur Verfügung.
Klimagerechtes Bauen durch Cradle-to-Cradle-Prinzip
Um klimagerecht und ressourcenschonend zu bauen, wird das sogenannte Cradle-to-Cradle-Prinzip angewendet. Dabei werden nur gesundheitsfreundliche und schadstoffarme Materialien für den Bau ausgewählt, die ohne Verkleben zusammengefügt werden. Die Gebäudenutzer erhalten so eine gesunde Arbeitsatmosphäre, und es wird ein späterer zerstörungsfreier Abbau des Gebäudes in der Form sichergestellt, dass die einzelnen Bauteile wiederverwendet werden können.
Die Fassaden werden begrünt, das soll laut Kleinau zur Verbesserung des Mikroklimas beitragen. Etwa 30 Prozent des Dachs sollen als Gemeinschaftsterrasse genutzt, die restliche Fläche zur Gewinnung von Solarenergie mit Fotovoltaik-Modulen belegt werden. „Die Gebäudetechnik ist weitestgehend reduziert, und es wird keine Klimaanlage geben. So ergibt der eigenproduzierte Solarstrom eine CO2-Gutschrift, und der Gebäudebetrieb ist nahezu autark“, sagt Kleinau.
Büro Heinle, Wischer und Partner gewinnt Wettbewerb
Zudem soll die emissionsfreie Versorgung von Kreuzfahrtschiffen aus der Zentrale der HafenCity erfolgen. Im Untergeschoss des Gebäudes werden die Umformer der Landstromanlage zur Versorgung der Kreuzfahrtschiffe untergebracht. „Damit können die Schadstoffemissionen der Schiffe während der Liegezeiten deutlich minimiert werden“, sagt Kleinau.
Für das Null-Emissionshaus hatte die HafenCity einen Generalplaner-Wettbewerb ausgelobt, bei dem neben den städtebaulich-architektonischen Anforderungen vor allem auch intelligente und innovative Nachhaltigkeitslösungen gefragt waren. Den Wettbewerb hat das Büro Heinle, Wischer und Partner aus Berlin gewonnen. „Unser Team entwickelt hier eine Blaupause für nachhaltige Bauten, wir betrachten die Planung, den Gebäudebetrieb und den Rückbau unter den Aspekten der CO-Neutralität. Wir haben uns bürointern das Ziel gesteckt, dieses Level bis 2030 für alle Planungsaufgaben zu entwickeln“, sagte Architekt Christian Pelzeter bei der Präsentation im April.
Tiefgarage nur für Fahrräder
Einmalig für die HafenCity ist auch, dass in dem Gebäude keine Tiefgarage mehr für Autos geplant ist, sondern bis zu 150 Abstellplätze für Fahrräder vorgesehen sind. Im Erdgeschoss sollen Flächen für Gastronomie oder Kultur entstehen, die HafenCity selber wird nur zwei Etagen beziehen, die restlichen Flächen werden vermietet.
Pionierarbeit leistete die HafenCity Hamburg GmbH, als sie im Jahr 2007 mit dem speziellen HafenCity-Umweltzeichen das erste Zertifizierungssystem für nachhaltiges Bauen in Deutschland einführte. Bis zum Jahre 2007 hatte es für die Bauherren, die in Hamburgs jüngstem Stadtteil Wohn- oder Bürogebäude errichteten, keine Anforderungen über den gesetzlichen Standard hinaus gegeben. Mit dem Umweltzeichen wurde ein anspruchsvoller Standard eingeführt, der zunächst optional war und seit 2010 verpflichtend ist.
HafenCity Hamburg GmbH will Standards setzen
Im Jahr 2017 wurden mit dem HafenCity-Platin-Standard die Anforderungen nochmals erhöht, die seit 2019 verpflichtend für die Investoren sind. Zu den Kriterien gehören unter anderen die „Nachhaltige Nutzung von Energieressourcen“, die „Verwendung umweltfreundlicher Baustoffe“ und die „besondere Rücksicht auf Umwelt, Komfort und Gesundheitsschutz“.
Die HafenCity Hamburg GmbH will mit ihrem Null-Emissionshaus nicht nur ein Vorreiter sein, sondern Standards setzen. Ab den 2030er-Jahren soll das emissionsfreie Bauen eine zentrale Anforderung für CO2-neutrale Quartiere sein. „Wir haben im Quartier Elbbrücken, also in der östlichen HafenCity, bereits mehrere Bauvorhaben, die die große Bedeutung des klimaneutralen Bauens widerspiegeln“, sagt Kleinau.
140 Millionen Euro in Holzhochhaus investiert
„Als Stadtentwicklungsgesellschaft setzen wir uns für neue Wege im Planen, Bauen und Betreiben von Gebäuden, aber auch von ganzen Stadtteilen ein, die Nachhaltigkeit, Klimaschutz und ressourcenschonendes Bauen integral mitdenken.“ Und wer besonders nachhaltige Konzepte beim Bauen einsetzt, der wird von der HafenCity GmbH auch unterstützt. „Wenn wir in der östlichen HafenCity Grundstücke vergeben, geht es eben nicht nur darum, wer den höchsten Preis bietet, sondern vor allem sind umweltschonende innovative Lösungen für den Bau und den Betrieb der Gebäude gefragt“, sagt Kleinau.
- HafenCity: „Roots“ wird Deutschlands höchstes Holzhaus
- Nach Gruner+Jahr-Absage: Was der Senat am Lohsepark plant
- Neue HafenCity-Bewohner müssen sich Autos teilen
Ein weiteres wegweisendes nachhaltiges Projekt bildet das Entree zum Elbbrückenquartier. Die Rede ist vom Roots – auf Deutsch heißt das Wurzeln. Das ist Deutschlands höchstes Holzhochhaus. 140 Millionen Euro investiert die Garbe Immobilien-Projekte GmbH in das Bauvorhaben. Vor Kurzem wurde der Grundstein für den 65 Meter hohen Wohnturm mit 18 Etagen gelegt, und Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) betonte bei der Zeremonie, dass Hamburg im Quartier Elbbrücken zeige, wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz in der Stadtentwicklung konkret umgesetzt werden können.
Spektakuläres Projekt im Quartier Elbbrücken
500 Kubikmeter Nadelholz sollen dort eingesetzt werden. Im Roots sind 181 Einheiten geplant, davon sind 128 Eigentumswohnungen und 53 öffentlich geförderte Mietwohnungen – die sind in einem siebengeschossigen Anbau untergebracht. 80 Prozent der Eigentumswohnungen sind bereits vergeben, und das trotz stolzer Preise: Sie kosten durchschnittlich 9000 Euro pro Quadratmeter. Allerdings dürften für die oberste Etage auch Preise von bis zu 14.000 Euro pro Quadratmeter aufgerufen werden. Dafür gibt es einen unverbaubaren Wasserblick, und die Elbphilharmonie können die Bewohner auch sehen. Die Fertigstellung ist für 2024 geplant.
Spektakulär ist auch ein weiteres Projekt im Quartier Elbbrücken. Die Rede ist vom Gebäude Edge ElbSide. Auch dieses Bauvorhaben – in die Immobilie wird die Vattenfall-Zentrale mit rund 1300 Mitarbeitern 2023 einziehen – wird klimaschonend gebaut. Das gibt dann abermals ein Lob vom Bürgermeister. „Mit dem Edge ElbSide entsteht eines der modernsten und nachhaltigsten Bürogebäude Europas“, so Tschentscher. Nach Angaben vom Investor Edge Deutschland wird das Objekt das größte in Deutschland errichtete Gebäude in sogenannter Slim-Floor-Bauweise sein.
CO2-Einsparung bei Projekt in der HafenCity
Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem Spannbetonhohldecken und deckengleiche Stahlverbundträger wesentliche Konstruktionselemente darstellen. Das soll sich äußerst positiv in der CO2-Bilanz widerspiegeln: Im Vergleich zu einer herkömmlichen Decke in Beton-Bauweise, die insgesamt für das Projekt eine Emission von rund 1150 Tonnen CO2 zur Folge hätte, sind es mit der Slim-Floor-Lösung bei diesem Gebäude bei rund 20.000 Quadratmeter Deckenfläche nur rund 660 Tonnen. Das bedeutet eine Einsparung von fast 50 Prozent CO2.