Hamburg. Noch in diesem Jahr soll der erste autonom fahrende Kleinbus durch die Stadt rollen. Das sind die Pläne der VW-Allianz.
Es ist ein Pilotprojekt, das in Hamburg bis zur Marktreife entwickelt und dann in anderen Städten Europas und weltweit installiert werden soll: Der Sammeltaxidienst Moia will Passagiere schon in wenigen Jahren in Kleinbussen ohne Fahrer an ihr Ziel bringen.
Das hatten das VW-Tochterunternehmen, die Nutzfahrzeugsparte des Autokonzerns und die auf autonomes Fahren spezialisierte Technologiefirma Argo AI bereits vor einigen Monaten bekannt gegeben. Am Mittwoch präsentierten die drei Partner Details ihrer konkreten Pläne und erstmals den Prototypen des autonom fahrenden Kleinbusses, der bereits im Jahr 2025 wie von Geisterhand gesteuert mit Fahrgästen durch die Hansestadt rollen soll. Genauer: durch das südliche Winterhude, die Uhlenhorst und durch Hohenfelde, die Stadtteile am östlichen Alsterufer.
Verkehr in Hamburg: Autonomer Moia-Testbetrieb noch in diesem Jahr
Dort sollen die elektrisch angetriebenen Busse mit dem entfernt an einen Leuchtturm erinnernden, markanten Dachaufbau bereits Ende 2021 erstmals auf einem 50 Kilometer langen Straßennetz inklusive der Sierichstraße zu Testfahrten unterwegs sein. „Wir gehen dahin, wo es schwierig und die Verkehrssituation eine Herausforderung ist“, sagte Moia-Chef Robert Henrich.
Das neue Fahrzeug, das mit den schwarz-gold lackierten Moia-Bussen wenig gemeinsam hat, ist eine für autonomes Fahren aufgerüstete Version des ID.Buzz. Die nächste, vollelektrisch angetriebene Generation des VW Bulli kommt im Frühjahr 2022 auf den Markt.
Die sogenannte AD-Version ist gespickt mit einer Vielzahl von Kameras, Radar- und Lidar-Sensoren. Auch Mikrofone sind installiert, um etwa die Warnsignale eines Martinshorns zu registrieren. „Es ist ein digitales System, das ein Auto sicherer fahren kann als der Mensch“, sagte Christian Senger, der bei der VW-Nutzfahrzeugsparte den Bereich für autonomes Verfahren verantwortet. „Nicht nur die Insassen, sondern auch alle anderen Verkehrsteilnehmer müssen natürlich absolute Sicherheit haben“, ergänzte Reinhard Stolle, der Vizepräsident von Argo AI in Deutschland.
Autonomer Moia-Bus: Ein Sicherheitsfahrer ist dabei
Winterhude, Uhlenhorst und Hohenfelde werden nun vorerst zu einem Testfeld. Bei den voraussichtlich kurz vor dem Jahresende beginnenden Fahrten sitzen sogar zwei Personen im Bus. Dessen Sensoren erstellen zunächst äußerst genaue, digitale Karten der gut 50 Straßenkilometer. In ihnen ist jede Kreuzung, jede Ampel, jedes Verkehrszeichen verzeichnet.
- Autonom fahrender Bus startet Betrieb mit Fahrgästen
- Einchecken per App: Neues HVV-Angebot startet im Oktober
Die Karten sind die Grundlage dafür, dass das fahrerlose Auto weiß, wo es sich befindet und welche Straßensituation folgt. In den Jahren 2022 bis 2024 folgen dann Testfahrten – zuerst ohne, dann mit Passagieren – bei denen der Kleinbus zwar selbst navigiert, aber ein Sicherheitsfahrer hinter dem Lenkrad sitzt, der jederzeit eingreifen kann.
Kommerzieller Betrieb ganz ohne Fahrer ab 2025 geplant
Der kommerzielle Betrieb mit voraussichtlich 30 Fahrzeugen soll dann östlich der Alster im Laufe des Jahres 2025 starten – ganz ohne Fahrer. „2025 ist ein ambitioniertes Ziel, aber es ist ein machbarer Plan“, sagte VW-Manager Senger. Aufgabe von Moia ist bis dahin unter anderem, die Technologie für alle die Aufgaben zu entwickeln, die heute noch vom Fahrer übernommen werden.
Es geht um Fragen wie: Ist der richtige Fahrgast zugestiegen? Ist das Gepäck richtig verstaut? Wie erfährt und wie reagiert der Wagen, wenn der Passagier spontan schon vor dem Ziel aussteigen möchte? Und: Was passiert, wenn es im Auto einen medizinischen Notfall gibt? „Auch die Abläufe im Service und die Interaktion zwischen Fahrer und Fahrgästen muss automatisiert werden“, sagte Moia-Chef Henrich.
Verkehrssenator setzt große Hoffnungen in das Projekt
Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) setzt große Hoffnungen in das Projekt. „Das autonome Fahren hat gerade in den Bereichen Ridepooling und -sharing ein riesiges Potenzial“, sagte er. Um Moia auf ganz Hamburg und in ländliche Gebiete ausdehnen zu können, müssten die Kosten sinken. Der Betrieb ohne Fahrer sei die Voraussetzung dafür. Henrich betonte, dass es noch viele Jahre lang die aktuellen Moia-Busse mit Fahrer geben werde. „Voraussichtlich erst in den 2030er-Jahren werden die autonomen Fahrzeuge in der Mehrzahl sein. Und wahrscheinlich wird es für Fahrgäste, die Unterstützung benötigen, auf Dauer auch Moias mit Fahrer geben.“, sagte er.
Wegen der langfristigen Planung ist zugleich praktisch abgemacht, dass der Sammeltaxidienst über 2022 hinaus in der Hansestadt unterwegs sein wird. Derzeit fährt Moia noch mit einer Sondergenehmigung der Verkehrsbehörde, die Ende nächsten Jahres abläuft. Tjarks ließ deutlich durchblicken, dass es eine neue Genehmigung für die Zeit danach von der Stadt geben werde. Derzeit leidet das Unternehmen weiter unter den Folgen der Pandemie und setzt nur etwa 150 der 500 Fahrzeuge ein. „Wahrscheinlich dauert es noch sechs bis zwölf Monate, bis wir das überwunden haben“, sagte Robert Henrich.