Hamburg. Senat will Quartier zu lebendigem Ort machen, der dem historischen Erbe gerecht wird. Vor allem ein Platz ist im Fokus der Planer.
Als Helmut Schmidt einmal nach seinen Vorbildern gefragt wurde, zog er genüsslich an einer Mentholzigarette, holte tief Luft und sagte, dass ihm neben dem Hamburger Stadtplaner Fritz Schumacher die beiden Architekten Hans und Oskar Gerson zu Vorbildern geworden seien. Der Altkanzler drückte damit seinen Respekt vor den Erbauern des Kontorhausviertels rund um dem Burchardplatz aus. Das in den 1920er-Jahren entstandene Areal mit Sprinkenhof und Mohlenhof gilt als das erste komplette Büroviertel auf europäischem Festland. Seit 2015 gehört es zum Unesco-Weltkulturerbe. Bekanntestes Wahrzeichen: das von Fritz Höger entworfene expressionistische Chilehaus.
Der Senat will das Kontorhausviertel jetzt umgestalten. Entstehen soll ein lebendiger Aufenthaltsort, der dem historischen Erbe gerecht wird. Gegenwärtig findet ein freiraumplanerischer Ideenwettbewerb für den Burchardplatz samt angrenzenden Straßen mit 15 teilnehmenden Büros statt.
Kontorhausviertel: Wahrscheinlich wird der Burchardplatz autofrei
Die wahrscheinliche Option: Der Burchardplatz wird autofrei. Von dieser Idee ist ein Mann ganz besonders begeistert: Heinrich Grüter, Geschäftsführer des Trägerverbundes Projekt Innenstadt. Grüter steht auf dem beliebten Wochenmarkt, wo es am Stand „Tinas Maultauschen“ Streckenrübereintopf zum Preis von sieben Euro gibt. Nebenan verkauft Rainer Raeder feine Handarbeiten aus der Hansestadt. Mehr Hamburg geht hier nicht, findet auch Diplom-Volkswirt Grüter, der seinen privaten Gästen stets das Kontorhausviertel zeigt.
Der Trägerverbund Innenstadt hatte bereits vor 20 Jahre eine Denkschrift zur Zukunft des Areals rund um den Burchardplatz veröffentlicht und einen autofreien Platz angeregt. „Ziel der heutigen Planungen muss es sein, dass die Autos nicht mehr auf dem Platz, sondern woanders parken können“, sagt Grüter. Eine Möglichkeit wäre der Bau einer großen Tiefgarage mit mindestens 200 Plätzen unter dem neuen Johannquartier. Dass hier endlich mehr Aufenthaltsqualität entstehen soll, freut ihn besonders. „Politisch hat sich bislang noch kein Hamburger Senat so intensiv um die Innenstadt gekümmert wie der jetzige.“
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Rund 100 Einzelhändler haben im Kontorhausviertel ihre Geschäft
Die Auszeichnung als Weltkulturerbe habe die Stadt aufgeweckt, sich das Erbe genauer anzuschauen. „Der Burchardplatz soll nach unseren Vorstellungen ein Platz bleiben, mit dem beliebtem Wochenmarkt, mit neuen Kulturangeboten und hoher Aufenthaltsqualität und Gastro-Angeboten“, so Grüter.
Rund 100 Einzelhändler haben im Kontorhausviertel ihre Geschäfte, darunter Manufactum und Bechstein, aber auch Unternehmen wie Tramm & Hinners. Es gehe nach der Corona-Krise langsam wieder aufwärts, heißt es in der Branche. Zu den Gewinnern der Pandemie zählen die Klavierbauer Bechstein, die mit ihrer starken Marke im Chilehaus vertreten sind.
Händler: Kunden sollen weiter mit dem Auto kommen können
Axel Kemper leitet das Bechstein-Centrum Hamburg. Er sagt: „Wir sind sehr gut durch die Corona-Krise gekommen.“ Viele Menschen hätten die Hausmusik neu entdeckt, der Verkauf von Klavieren und Flügeln sei deutlich nach oben gegangen. Zudem sei das Weltkulturerbe ein wichtiger Imagefaktor für das Viertel.
Nicht ganz so begeistert sind Geschäftsleute wie er allerdings von der Idee, die Autos vom Burchardplatz zu verbannen. „Problematisch wird es durch den geplanten autofreien Platz für unsere älteren Kunden. Wir haben eine solvente Klientel, die bislang gern mit dem Wagen aus den Elbvororten direkt zu uns gefahren und ausgestiegen ist. Auf diese Kunden können und wollen wir nicht verzichten. Sie sollten weiterhin die Möglichkeit der Anfahrt mit dem Auto haben. Wir hoffen auch, dass die Parkplätze für unsere Mitarbeiter erhalten bleiben“, sagt Kemper.
Geschäfte müssen für Lieferverkehr zugänglich bleiben
Dass es Ausnahmeregelungen für den beliebten Wochenmarkt geben soll, macht auch Christine Mai von „Tinas Maultaschen“ deutlich. Sie sei wie andere darauf angewiesen, mit dem Sprinter direkt an den Platz heranzufahren. Und sie hofft, dass das auch in Zukunft möglich sein wird.
Einer, der die Entstehungsgeschichte des Wochenmarktes gut kennt, ist Torsten Jachalke von Manufactum. Der Leiter des Warenhauses Hamburg sagt, dass Manufactum den Anstoß für diesen Wochenmarkt mitten im Kontorhausviertel gegeben habe. „Der Wochenmarkt ist längst zum Anziehungspunkt geworden und im besten Sinne chic, ein sozialer Treffpunkt.“ Wenn der Platz autofrei werden soll, müssten Geschäfte wie Manufactum für den Lieferverkehr und die Kunden zugänglich bleiben. „Vielleicht wird es eine Sondererlaubnis für die Nutzung der Ladezone geben.“
Kontorhausviertel: Jury entscheidet am 28. September
Und Corona? Jachalke steht vor einem taghellen Lampentisch und sagt: „Wir sind gut durch die Corona-Krise gekommen. Unsere Kunden kaufen bewusst sein, für sie ist Einkaufen in diesem einzigartigen Haus ein Erlebnis.“
Wie es rund um den Platz in Zukunft aussehen wird, klärt sich bis Ende September. „Die Jury wird ihre Entscheidung am 28. September treffen“, sagt Susanne Enz, Sprecherin der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen. „Danach wird sich aufzeigen lassen, wie sich die öffentlichen Räume im Kontorhausviertel konkret weiterentwickeln werden.“