Hamburg. Künstlerinnen werden Asphalt an der Stadthausbrücke in Hamburg zertrümmern, danach wird Gehweg teils rot eingefärbt.

In einigen Wochen werden zwei Hamburger Frauen am Neuen Wall/Ecke Stadthausbrücke mit Vorschlaghämmern erscheinen und das Granitpflaster auf dem Bürgersteig zertrümmern. Das wird der Auftakt für ein ebenso spektakuläres wie bewusst irritierendes Kunstprojekt sein, mit dem an die dunklen Kapitel in der Geschichte dieses Ortes erinnert werden soll – während der NS-Zeit hatte die Gestapo im Stadthaus ihr Hamburger Hauptquartier. Tausende wurden hier gefoltert, viele getötet.

Ute Vorkoeper und Andrea Knob­loch sind die beiden Künstlerinnen, die 2019 mit ihrer Idee einen von der Kulturbehörde ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen hatten. Und nach langen Verzögerungen, die laut Behörde technischer Art und coronabedingt waren, soll es nun endlich losgehen – ursprünglich sollte bereits 2019 alles fertig sein. „Stigma“ nennen die beiden Hamburgerinnen ihr Mahnmal. Auf rund 100 Metern Länge wollen sie „Wunden“ in das Pflaster schlagen und so ein Trümmerfeld schaffen, dessen Lücken mit einer Granulatsplitterschicht (wie man sie von Tartanbahnen in Sportanlagen kennt) ausgegossen werden.

Die rosa Farbe soll an Haut, Fleisch und Blut erinnern. „Durch willkürliche Zerstörung und spätere plastische Reparatur entsteht ein unübersehbares Stigma: ein Wundmal, eine unerträgliche, abstoßende Kennzeichnung im öffentlichen Raum Hamburgs“, formulieren die Künstlerinnen. Es sei ein „bildhauerischer Gewaltakt“.

Gestapo-Mahnmal: Die rosa Farbe soll an Haut, Fleisch und Blut erinnern

Hintergrund des Projekts ist auch das schlechte Gewissen der Behörden. Jahrzehntelang war die Erinnerung an die Gestapo- und Polizeiopfer völlig verdrängt worden; auch in der Baubehörde, die dort nach dem Krieg eingezogen war, erinnerte nichts an die Geschichte. 1981 war auf Initiative von Mitarbeitern zumindest eine kleine Gedenktafel angebracht worden. Erst als das Gebäude an einen Investor verkauft und die Stadthöfe entstanden waren, begann eine öffentliche Debatte. In einer Buchhandlung, die in den edel gestalteten Neubau einzog, gibt es eine kleine Ausstellung, außerdem wurden zwei Gedenktafeln installiert. Doch das war vielen nicht genug – es entstand eine Protestbewegung, in der sich auch der frühere Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch engagierte.

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Auf diesen Druck hin bewilligte die Bürgerschaft 250.000 Euro für Ausschreibung und Umsetzung eines Kunstprojekts, das nun Wirklichkeit wird. „Wir wollen eine künstlerische Markierung des Ortes in der Öffentlichkeit erreichen. Es geht darum, noch deutlicher zu machen, welche verdrängte Geschichte der Ort und dieses Haus hat“, hatte Kultursenator Carsten Brosda (SPD) damals gesagt. Vorkoeper und Knobloch geht es darum, die Opfer des Nationalsozialismus zu ehren. „Stigma ist die Absetzfolie für die Eigenheit und den Mut derjenigen, die durch das NS-Regime gerade wegen ihrer Andersheit stigmatisiert und verfolgt wurden. Sie waren Handelnde, tragische Widerständige gegen den umfassenden Terror – und als solche bewundernswert und vorbildlich.“

Wann genau die Arbeiten beginnen und wie lange sie dauern werden, ist noch unklar. Die Künstlerinnen wollen in den kommenden Wochen noch über den genauen Ablauf informieren. Große Aufmerksamkeit dürfte ihnen gewiss sein.