Hamburg. Im Nikolaiviertel gibt es jetzt Läden, die in der Hamburger City bisher kaum zu finden waren. Auch das Rathausquartier hat Pläne.

Man muss schon eine gewisse Portion Mut haben, um mitten in der Corona-Krise mit all ihren Lockdowns ein neues Geschäft aufzumachen – und das in der Innenstadt. Ralph Munk Nissen hat sich getraut, wobei er selbst den Schritt gar nicht besonders mutig fand. „Uns war klar, dass unser Küchenstudio hier am Großen Burstah von den Folgen der Pandemie nicht so stark betroffen sein würde - und wenn eher positiv“, sagt der gebürtige Däne.

Hamburger City: Viele neue Läden hinter dem Rathaus

Er hat die erste deutsche Filiale des dänischen Küchen- und Schrankherstellers Kvik vor wenigen Wochen im Nikolaiviertel eröffnet. Die Entscheidung für die Innenstadt, die bisher weniger für Küchenstudios bekannt war, war für Nissen nur logisch. „Wir brauchen eine gute Erreichbarkeit und leben weniger von der Laufkundschaft“, so Nissen.

Deshalb sei der Erfolg der ersten Wochen für ihn auch nicht überraschend. 90 Beratungstermine haben er und sein Team absolviert. „Damit sind wir unheimlich zufrieden.“ Aus ganz Deutschland werde er kontaktiert. Die Entscheidung für die Innenstadt sei absolut richtig gewesen. „Die Straße hier ist fertig, das Umfeld wird von Woche zu Woche netter. Der Standort ist wirklich perfekt für uns.“

„Fahrräder sind ein absolutes Innenstadtthema“

Gekommen, um zu bleiben, ist auch Henrik Schmidt. Er betreibt das Fahrradgeschäft Concept Cycles Hamburg, in dem er Modelle der US-amerikanischen Marke Specialised verkauft, seit knapp einem Jahr am Großen Burstah, der in unmittelbare Nähe von Rathaus und Handelskammer liegt. „Ein Brand hat im vergangenen Sommer unser Geschäft am Nedderfeld zerstört. Also mussten wir ziemlich spontan eine neue Fläche finden.“ Auf Empfehlung sei er an das Eckgeschäft mitten in der Innenstadt gestoßen.

„Wir brauchten eine schnelle Lösung, um wieder am Markt präsent zu sein.“ Also habe man eine Art Pop-up Laden in der Stadt geplant. „Der lief so gut, dass wir uns entschieden haben, hier zu bleiben.“ Bisher gebe es derartige Läden selten in den Innenstädten, so Schmidt. Was allerdings ein Fehler sei. „Räder sind ein absolutes Innenstadtthema.“

Fahrradexperte Henrik Schmidt von Concept Cycles Hamburg.
Fahrradexperte Henrik Schmidt von Concept Cycles Hamburg. © Thorsten Ahlf | Thorsten Ahlf

Früher hätten die Kunden zu ihm nach Lokstedt kommen müssen. „Jetzt haben wir das Fahrrad endlich einmal zum Kunden gebracht.“ Schmidt sieht sich als doppelten Profiteur der vergangenen Jahre. „Die Klimadiskussion hat uns einen Schub verpasst. Der zweite kam durch Corona“, sagt der Unternehmer, der seine Werkstatt nach wie vor in Lokstedt betreibt. Allein in der zweiten Welle habe das Unternehmen seinen Umsatz um 50 Prozent gesteigert.

„Wir erleben hier verschiedene Konzepte"

Dies sind nur zwei Beispiele für Einzelhändler, die sich in dem Viertel, das seinen Namen übrigens dem Nikolaifleet und der Kirche St. Nikolai verdankt, wohl fühlen. Für Brigitte Engler sind diese neuen Angebote „ein absoluter Glücksgriff“ für das Quartier. „Wir erleben hier verschiedene Konzepte, die sich wunderbar ergänzen“, sagt die City-Managerin, und verweist auf den Laden Werte Freunde gleich nebenan. Hier wird fair produzierte Mode und Kosmetik verkauft.

Insgesamt findet man große Kaufhäuser oder Läden der klassischen Modeketten hier nicht. Für Engler der entscheidende Punkt, der das Viertel von den anderen unterscheidet. Neben den neuen Konzeptläden finden sich dafür alteingesessene wie die Kunstgalerie Hilde Leiss und, auch das natürlich etwas Besonderes, die Geschäftsstelle des Hamburger Abendblatts, die inzwischen auch ein sehr gut frequentierter Shop für Hamburg-Artikel aller Art ist. Verlag und Redaktion haben ihren Sitz bekanntlich auch am Großen Burstah.

Ladage & Oelke mittlerweile am Alten Wall

In unmittelbarer Nähe findet man eine weitere Hamburger Institution, das Modegeschäft Ladage & Oelke. Seit 1845 gibt es das Haus. Im vergangenen September ist man in neue Räumlichkeiten am neu gestalteten Alten Wall gezogen. Und nahm den Wechsel als Anlass, das Konzept zu überarbeiten. In dem großräumigen Laden gibt es nun ein Café. Oben im ersten Stock bietet zweimal in der Woche ein Barbier seine Dienste an. „Der neue Standort wurde sehr gut angenommen“, sagt Thomas Kuschel, Prokurist des Unternehmens.

Thomas Kuschel im Stuhl des Barbiers bei Ladage & Oelke am Alten Wall.
Thomas Kuschel im Stuhl des Barbiers bei Ladage & Oelke am Alten Wall. © Thorsten Ahlf

Leider habe das Geschäft nur wenige Wochen geöffnet bleiben können, bis der zweite Lockdown die gesamte Innenstadt lahmlegte. „Also sind wir so richtig erst diesen Mai gestartet,“ so Kuschel. Damals sei das Geschäft schleppend angelaufen. „Wir haben einfach viele Kunden, die sich nicht wieder in Geschäfte getraut haben. Außerdem leben wir von der Beratung. Onlineverkauf macht für uns nur wenig Sinn.“

Hinzu kommen die ausbleibenden Einnahmen durch den Tourismus. Aber: langsam würden die Umsätze steigen. „Wir setzen viel in diesen Herbst und Winter“, sagt Kuschel, und: „Uns gibt es zum Glück noch.“ Damit das so bleibt, dürfe es aber nicht wieder einen Lockdown mit Ladenschließungen geben.

Kaum Leerstand im Nikolaiviertel

Leerstand gibt es im Nikolaiviertel bisher trotz dieser harten Bedingungen wenig. Auffällig sind vor allem die zwei nahe beieinander liegenden Flächen, in denen ehemals das Einrichtungshaus Habitat und das Wäschehaus Möhring untergekommen waren. Aber auch für diese Räume gibt es bereits konkrete Pläne, berichtet City-Managerin Engler.

„Die Stadt hat neun Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um temporäre Leerflächen mit kreativen Programmen zu beleben “, sagt sie. Dieses Geld soll nun beispielsweise dafür genutzt werden, dass die freien Flächen von Künstlern günstiger angemietet werden können. „Derzeit prüfen wir die verschiedenen Konzepte, mit denen sich Künstler beworben haben. Es gibt tolle Ideen, und ich bin mir sicher, dass diese leeren Flächen in Kürze wieder genutzt werden.“

Nikolaiviertel soll weiter aufgewertet werden

Damit es künftig noch weniger Leerstand gibt, soll das Viertel weiter aufgewertet werden. Dazu gehört beispielsweise eine neue Weihnachtsbeleuchtung, die in diesem Jahr zum ersten Mal erstrahlen soll. Organisiert und finanziert wird die von dem BID Nikolai Quartier.

Hier haben sich die Immobilieneigentümer zusammengetan, die Otto Wulff BID Gesellschaft mbH sorgt für die Umsetzung der Maßnahmen. Gerade wurde für fünf weitere Jahre die Finanzierung genehmigt, und so stehen nun 2,7 Millionen Euro zur Verfügung. „Ein weiterer Baustein wird eine neue, extravagante Straßenbeleuchtung sein“, sagt Nicole Unger, Grundeigentümervertreterin des BID Nikolai Quartier.

Nicole Unger ist in der gesamten Innenstadt engagiert. Das BID Rathausquartier hat sie sogar initiiert. „BIDs sind notwendig, weil die Stadt den öffentlichen Raum nicht so gestalten kann, wie es zur weiteren Steigerung der Aufenthaltsqualität notwendig ist“, sagt sie. Im Rathausquartier ist erstmals ein BID initiiert worden.

Johannisstraße wird zur Fußgängerzone

Dort geht es um mehr als nur um eine neue Beleuchtung. „Im Viertel sollen die Straßen erneuert werden. Wir streben einheitliche Bodenbeläge und einladende Bänke an. Der französische Charakter soll in dem Quartier weiter aufgewertet und sichtbarer gemacht werden.“ Dabei wird die kleine Johannisstraße zur Fußgängerzone. Einen Modellversuch gab es bereits 2019, als für drei Monate Teile der Schauenburgerstraße und der kleinen Johannisstraße für Autos gesperrt waren.

Lesen Sie auch:

Über eine solche Maßnahme würde Roland Panitsa sich sicherlich freuen. Er ist Betriebsleiter des Café Paris und leidet sehr unter dem Verkehr vor dem Haus auf der Rathausstraße. „Seit hier vor der Tür eine Ersatzhaltestelle für Busse eingerichtet ist, haben wir gar keine Ruhe mehr“, sagt der freundliche Mann mit dem weißen Bart. Panitsa ärgert das besonders, weil er mit seinem Team gegen die Folgen der Corona-Pandemie kämpft. „Im vergangenen Sommer durften wir entlang der Straße noch eine große Terrasse aufbauen, um möglichst viele Gäste bewirten zu können.“

Mitarbeiterschwund im Café Paris

Dennoch habe er zwischen 30 und 50 Prozent des Umsatzes verloren. In diesem Sommer sei das nicht mehr möglich gewesen. „Jetzt konnten wir unsere Terrasse nur minimal erweitern.“ Seit Monaten schon könne er nur das Erdgeschoss seines Ladens für die Kunden öffnen. „Veranstaltungen gibt es ja nicht mehr.“

Roland Panitsa in der Bel Etage des Café Paris an der Rathausstraße.
Roland Panitsa in der Bel Etage des Café Paris an der Rathausstraße. © Thorsten Ahlf

Dazu habe er mit einem massiven Mitarbeiterschwund zu kämpfen. „Durch die Lockdowns und die damit verbundene Kurzarbeit haben sich viele einfach neu orientiert. Keiner wusste ja, wie lange das dauern würde.“ Auch deshalb müsse er beispielsweise im Moment sonntags schließen. „Was angesichts der großen Ausfälle doppelt ärgerlich ist.“

Café Paris in Hamburg eine Institution

Sein Restaurant ist mittlerweile in der Hansestadt eine Institution. Und das gesamte kleine Rathausviertel hat sich vor allem durch sein abwechslungsreiches Angebot an Restaurants, Cafés und Bistros einen Namen gemacht. Hier findet man eine Filiale der Hamburger Kaffeeröster Elbgold genauso wie die Pizzeria Mama oder den Italiener Il Vigneri, bei dem sich mittags gern die Geschäftsleute der Gegend auf eine Gesprächsrunde treffen.

Und das nächste große Ding nähert sich langsam seiner Vollendung: Auf dem ehemaligen Gelände des Allianz-Hochhauses entsteht das Burstah Ensemble, auf 7500 Quadratmetern sind Wohnungen, neue Restaurants, Handels- und Büroflächen geplant, und ganz allmählich ahnt man schon, wie das alles aussehen könnte – auch wenn es erst Ende 2022 fertig sein wird.