Hamburg. Kontrollen am Eingang und Wachen mit Waffen: Mitarbeitende der Helmut-Schmidt-Universität kritisieren in einem offenen Brief die Pläne.

Viele Mitarbeitende der Helmut-Schmidt-Universität (HSU) wehren sich schon länger heftig gegen die geplante Umwandlung der Jenfelder Hochschule in einen Militärischen Sicherheitsbereich (MSB). Bewaffnete Wachen auf dem Campus, Einlasskontrollen? Auf keinen Fall. Jetzt zünden die MSB-Kritiker im Konflikt mit dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) die nächste Stufe: Am Mittwoch haben sie einen Offenen Brief ins Internet gestellt. Darin fordern sie die Entscheidungsträger auf, von ihrem Plan abzurücken. Rund 400 Wissenschaftler aus dem Bundesgebiet, darunter die Dekane der vier HSU-Fakultäten, unterstützen die Initiative als Erstunterzeichner.

Das Verteidigungsministerium hatte den Schritt mit Sicherheitserwägungen an der Universität begründet, die vor allem angehenden Offizieren ein Studium ermöglichen soll. Eine Konsequenz davon ist, dass Hochschulfremde den Campus am Holstenhofweg ohne Kontrollen nicht mehr betreten dürften. Zudem sollen Pförtner bewaffnet und Kontrollen „zur Verhinderung von Straftaten“ möglich werden. Der Akademische Senat der HSU hatte sich bereits im Mai 2020 einstimmig dagegen ausgesprochen.

HSU-Präsident Professor Klaus Beckmann arbeitete einen Kompromissvorschlag für einen begrenzten MSB aus
HSU-Präsident Professor Klaus Beckmann arbeitete einen Kompromissvorschlag für einen begrenzten MSB aus © Andreas Laible | Andreas Laible

„Mit Irritation und Besorgnis“ habe man den Plan zur Kenntnis genommen, heißt es nun in dem Offenen Brief. Dies würde unter anderem nach sich ziehen, dass sich Angehörige und Besucher der Universität „den Anordnungen und Weisungen militärischer Dienststellen unterwerfen“ müssten. Die HSU begreife sich jedoch im Geiste des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt (SPD) als offene Universität. Eine Offenheit, die für die Verankerung der Uni in der Stadt und der Bundeswehr in der Mitte der Gesellschaft sowie für den Austausch mit verschiedensten gesellschaftlichen Akteuren von „zentraler Bedeutung“ sei. Auch sei der offene Austausch ein „essenzieller Bestandteil wissenschaftlicher Arbeit“.

Helmut-Schmidt-Universität: Mitarbeiter wehren sich gegen bewaffnete Wachen

Ein MSB hingegen würde der Zivilgesellschaft den Zugang zur Uni erschweren und „eher Abkapselung statt Offenheit symbolisieren“. Kontrollmaßnahmen wie eine Ausweisprüfung durch eine bewaffnete Wache seien Barrieren, die „mittel- bis langfristig die Attraktivität der HSU beeinträchtigen“ würden. In einen MSB umgewandelt, verliere die Uni ihre Rolle als „offene Partnerin“ in der Hamburger Hochschullandschaft.

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Weit überwiegend zeigt die Hamburger Politik Verständnis für das Anliegen der MSB-Kritiker. So hatte Dirk Kienscherf, Chef der SPD-Bürgerschaftsfraktion, bei Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) im Juli dafür geworben, den MSB-Plan zu überdenken und das Gespräch mit den Mitarbeitern der Helmut-Schmidt-Universität zu suchen. Der HSU-Gründungsgedanke, die Bundeswehr als Bildungsinstitution hin zur Gesellschaft zu öffnen, „hat uns Hamburgerinnen und Hamburger immer überzeugt“, heißt es da. Ganz besonders freuen würde sich die SPD-Fraktion, „wenn Sie und Ihr Ministerium vor Ort eine gute Lösung entwickeln, die das bestehende Sicherheitsinteresse in ein gutes Verhältnis zu einer möglichst weitreichenden Ausübung der Wissenschaftsfreiheit setzt“.

„Freundlicher Zuspruch“ sei auch von den Grünen und der FDP gekommen, sagt Professor Michael Staack, Politikwissenschaftler an der HSU. Bereits im Frühjahr hatten die MSB-Kritiker einen Protestbrief an Ministerin Kramp-Karrenbauer geschickt. „Die Entscheidung zum MSB war im Bundesministerium der Verteidigung ja umstritten, und zumindest ich persönlich habe die Hoffnung, dass neue Verantwortungsträger*innen auch zu neuen, besseren und sachlich angemesseneren Entscheidungen kommen“, sagte Staack dem Abendblatt. Weitere Initiativen nach der Bundestagswahl seien angedacht. Über die bundesweite Unterstützung für den Offenen Brief „haben wir uns sehr gefreut“, so Staack.

 Hamburger Politik zeigt Verständnis für Anliegen der MSB-Kritiker

Das Bundesverteidigungsministerium hatte seine Anweisung auf Anfrage damit begründet, dass Einrichtungen der Bundeswehr „immer wieder Bedrohungen und Gefährdungen durch unterschiedliche Kräfte“ ausgesetzt seien. „Sie bedürfen daher besonderer Aufmerksamkeit, dies gilt im Besonderen auch dem Schutz von Leib und Leben der Angehörigen und Besucher der HSU/UniBw Hamburg“, hatte ein Sprecher gesagt. Um welche Art von Bedrohung es sich handeln soll, sagte er allerdings nicht.

Einer der Erstunterzeichner des Offenen Briefes ist Professor Andreas von Arnauld, Direktor des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht in Kiel. Die Errichtung eines MSB sei mit „völlig unsubstantiierten Sicherheitsbedenken“ begründet und „im Windschatten der Covid-19-Beschränkungen“ vollzogen worden. „Sollte dahinter das Ziel stehen, die HSU mittelfristig von einer Universität in eine Militärakademie zu verwandeln“, so Arnauld, „wäre das eine bedenkliche politische Entwicklung, die nicht nur in Hamburg auf entschiedenen Protest stoßen müsste.“

Der Offene Brief im Internet unter: https://padlet.com/nomsb/tjvfucnxmr9ina6x