Hamburg. Friedrich Schwandt, Gründer von Statista, spricht über große und kleine Kunden und die Suche nach ungewöhnlichen Lebensläufen.

In einer Minute werden über das Internet 197 Millionen E-Mails verschickt, 1,6 Millionen Dollar ausgeben und 500 Stunden Inhalte hochgeladen. Der Mann, der mit diesen und vielen anderen Statistiken ein einmaliges Unternehmen aufgebaut hat, ist heute in unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ zu Gast. Die von Friedrich Schwandt gegründete Firma Statista hat ihren Sitz im Brahms-Kontor in Hamburg, gegenüber der Laiszhalle, und ist weltweit führend, wenn es um Daten, Zahlen, Fakten geht.

Der Chef und seine Mitgründer haben harte Zeiten hinter und verheißungsvolle vor sich. Statista soll bis 2025 von jetzt 1100 auf 2000 Mitarbeiter wachsen, dann einen Umsatz von 250 Millionen Euro machen. Darüber, aber auch über die Anfänge, die großen und kleinen Kunden und die Suche nach ungewöhnlichen Lebensläufen sprach Lars Haider mit Friedrich Schwandt.


Das sagt Friedrich Schwandt über…

… die Anfänge von Statista:

„Wir Gründer haben Statista fast vollständig mit Hilfe unserer Ersparnisse aufgebaut. Wir hätten natürlich auch gern Kapital von Geldgebern oder Banken gehabt, haben es aber 2008, also im Jahr der Finanzkrise, nicht bekommen. Am Anfang hatten wir zudem Schwierigkeiten, andere davon zu überzeugen, dass man mit Statistiken Geschäfte machen kann. Das führte dazu, dass alle, die am Aufbau von Statista beteiligt waren, sich selbst ausgebeutet haben. Ich selbst habe lange kein Gehalt erhalten.

Die ersten Jahre nach der Gründung waren eine Dürrephase, ein langer Weg mit vielen schlaflosen Nächten, weil es eben dauert, eine Datenbank aufzubauen. Los ging unser Geschäft deshalb erst ab 2011/12, dann aber richtig. Heute haben wir mehr als eine Million Statistiken und pro Monat mehr als 30 Millionen Besucher auf unserer Internetseite. Das ist mehr, als alle Statistikämter und großen Marktforschungsunternehmen der Welt zusammen haben.“

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… eine monopolähnliche Situation:

„Es gibt außer Statista keine Internetseite, auf der man alle Daten für alle Länder finden kann, wir haben da wirklich ein Alleinstellungsmerkmal. Das liegt auch daran, dass wir heute mehr als 50 Prozent unserer Statistiken selbst erheben. Das ist eine riesige Handarbeit, bei der Algorithmen helfen können, mehr aber nicht. Wir brauchen Menschen, die sich darum kümmern, erst dann werden die Statistiken richtig gut.“

… die Kunden:

„Unser erster Kunde war ein Unternehmensberater aus Österreich, der an einem Sonntag das Abo abgeschlossen hat, wahrscheinlich, weil er noch eine Präsentation erstellen musste und dazu Grafiken und Statistiken brauchte. Heute haben wir 23.000 Kunden, zu den großen zählen zum Beispiel Amazon und Google. Wir sind auch sehr stolz, dass wir sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche als Kunden haben, genauso wie viele Fußballvereine, zum Beispiel Bayern München, Real Madrid und Arsenal London.

Alle wollen verstehen, wie ihre Fans und/oder Mitglieder denken, was für sie wichtig ist, wie sich Gesellschaft und Wirtschaft verändern. Es gibt praktisch keine große Organisation, die sich nicht mit Daten auseinandersetzen muss, bevor sie Entscheidung trifft. Unser Einstiegsabo kostet 39 Euro, was im Verhältnis zu digitalen Zeitungsabos teuer, im Vergleich zu Angeboten von Marktforschern aber sehr günstig ist. In der Spitze können unsere Abo-Preise im Jahr in die Hunderttausende gehen, die größten Kunden zahlen inzwischen mehr als Million Euro.“

… die Frage, wann man ein Unternehmen gründen sollte:

„Ich war als Gründer mit damals knapp 40 Jahren ziemlich alt, empfinde das aber im Nachhinein als Vorteil. Ich hatte erste Erfahrungen gesammelt, ein Gefühl für Menschen und Kunden entwickelt und gelernt, mit Rückschlägen umzugehen. Das hat mir alles bei der Gründung meines eigenen Unternehmens sehr geholfen. Ich würde jedem raten, einmal am Aufbau einer Firma dabei zu sein, weil es einfach unheimlich viel Spaß machen kann. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich allen empfehlen würde, das mit 25 Jahren zu tun, einfach, weil der Erfahrungshorizont dann noch sehr beschränkt ist.“

… den Verkauf der Statista-Mehrheit an Stroer:

„Wir Gründer hatten wie gesagt all unser Geld ins Unternehmen gesteckt und kamen an einen Punkt, wo wir etwas zurückbekommen und auch mal wieder durchschlafen und keine Sorgen haben wollten, wie es morgen weitergeht. Das war der erste Grund für den Verkauf. Der zweite Grund war, dass wir noch stärker wachsen wollten, um irgendwann so groß zu werden, dass uns niemand mehr einholen kann. Inzwischen gibt es Banken, die den Wert von Statista bei mehr als einer Milliarde Euro sehen.“

… Daten aus Deutschland und ein besonderer Firmensitz:

„Statistiken sind Produkte, die leicht zu internationalisieren sind. Eine deutsche Firma eignet sich dabei sehr gut als Absender, weil Deutschland eine extrem gute Reputation hat, was das Vertrauen in die Richtigkeit der Daten angeht. Wir machen inzwischen rund 70 Prozent unserer Umsätze außerhalb Deutschlands.

Trotzdem arbeiten 800 von 1000 Mitarbeitern weiter im Brahms-Kontor, ein Gebäude, das wir sehr lieben und in dem wir inzwischen 50 Prozent der Flächen bezogen haben. Ich glaube übrigens weiter an die Kraft der Büros, insbesondere, wenn sie so schön sind und so gut liegen wie unsere. Wir werden nach der Pandemie drei Tage im Büro und zwei Tage von zu Hause arbeiten.“

… neue Mitarbeiter:

„In Deutschland ist es eigentlich nicht üblich, Menschen in der Wirtschaft einzustellen, die Geschichte, Archäologie oder ähnliches studiert haben. Da gibt es immer noch Vorurteile. Wir machen genau das Gegenteil und suchen gerade bei Neueinstellungen Leute aus den sogenannten Orchideenfächern, weil die hervorragend ausgebildet sind und ein besonderes Interesse haben, für das sie brennen. Grundsätzlich brauchen wir Leute, die die Welt verändern und besser machen, die ein bestimmtes Energieniveau mitbringen. Das geht mit Daten besonders gut, gerade in Zeiten von Fake-News.“