Hamburg. “Helden“-Kita-Chefs aus Winterhude dürfen keine zweite Einrichtung aufmachen – 110 Plätze in Billstedt betroffen.
Wie ihre neue Kita in Hamburg-Billstedt aussehen soll, das wissen Kolja von Busch (34) und Melisa Suhonjic (30) schon ganz genau. Ein Ort soll es werden, an dem Kinder sich wohl fühlen, gute Beziehungen aufbauen und ihr Selbstbewusstsein stärken können. Mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Förderung der Sprachentwicklung und theaterpädagogischen Ansätzen. So wie in der bereits bestehenden Kita der beiden Hamburger in Winterhude mit Namen "Die Helden".
"Gerade in einem sozialen Brennpunkt wie Billstedt, wo viele Kinder mit Migrationshintergrund leben, ist so ein Angebot besonders wichtig", sagt die Erzieherin und Sozialpädagogin Suhonjic, die selbst aus Bosnien nach Hamburg kam. 110 Plätze soll die neue Kita am Schiffbeker Weg haben und sowohl Krippenkinder als auch Drei- bis Sechsjährige aufnehmen.
Kita-Chefs brauchen Erlaubnis für Spielplatz-Nutzung
Doch aus dem ursprünglichen Plan, im August mit der neuen Einrichtung an den Start zu gehen, wird erst einmal nichts. Bereits Ende Juli vergangenen Jahres haben von Busch und Suhonjic einen Bauantrag für ihre neue Einrichtung beim Bezirksamt Mitte eingereicht, eine Genehmigung steht aber immer noch aus. Das Problem: "Wir haben keine Erlaubnis, die öffentlichen Spielplätze in Billstedt mit unseren Kita-Kindern zu nutzen", sagt von Busch. "Eine solche Genehmigung ist aber notwendig, damit auch der Bauantrag genehmigt werden kann."
Konkret geht es um die Vorgabe, dass für jedes Kita-Kind in Hamburg mehrere Quadratmeter Außenfläche auf dem Gelände der jeweiligen Einrichtung zur Verfügung stehen müssen. Von dieser Vorgabe kann seit einem Gerichtsurteil aus dem vergangenen Jahr nur abgewichen werden, wenn die Betreiber zum Ausgleich eine Sondernutzungsgenehmigung für einen nahe gelegenen Spielplatz vorweisen können.
Kita-Kinder nehmen anderen angeblich Platz weg
Einen solchen Antrag haben von Busch und Suhonjic für den Spielplatz Kirchlinden in Billstedt gestellt, aber dafür keine Genehmigung erhalten. Von einem Mitarbeiter im Bauamt habe man mündlich erfahren, dass es eine solche Genehmigung auch nicht geben werde, sagt von Busch. "Weil wir dadurch anderen Kindern und Jugendlichen im Stadtteil angeblich den Platz zum Spielen wegnehmen würden."
Einen eigenen, ausreichend großen Spielplatz zu bauen, ist den beiden Hamburgern auf dem Gelände am Schiffbeker Weg nicht möglich. "Die dazugehörige Außenfläche ist gut 200 Quadratmeter groß", sagt von Busch. "Das würde nur für 43 Kinder reichen." Eine Kita in dieser Größe aufzumachen, würde sich nach seinen Worten aber wirtschaftlich nicht rechnen. Außerdem habe man die Innenräume für die Kita, rund 770 Quadratmeter, bereits angemietet. Zuvor seien die Räume als Einzelhandelsfläche genutzt worden, der letzte Mieter war das Dänische Bettenlager.
OVG-Urteil bereitet Hamburger Kita-Gründern Probleme
Das Bezirksamt Hamburg-Mitte bestätigte auf Abendblatt-Anfrage, dass der Bauantrag für die Kita nur genehmigt werden kann, wenn die Betreiber einen eigenen, ausreichend großen Spielplatz vorweisen können. Hintergrund sei ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom September 2020, nach dem die notwendigen Flächen entweder auf dem eigenen Gelände oder in Form der Sondernutzungsgenehmigung auf einem öffentlichen Spielplatz zur Verfügung stehen müssten, sagte Bezirksamtssprecherin Josefina Kordys.
Die vom Gericht geforderten Sondernutzungsrechte kann und will das Bezirksamt der Kita aber nicht einräumen. "Öffentliche Spielplätze dienen – wie der Name schon sagt – der Öffentlichkeit und stehen daher allen Kindern in dem jeweiligen Bereich zur Verfügung", so Kordys. "Natürlich ist es möglich, dass einzelne Kita-Gruppen die öffentlichen Spielplätze mitnutzen, aber eben nicht ausschließlich, wie laut Urteil gefordert."
OVG-Urteil: Gut gemeint, aber nicht gut gemacht?
"Hintergrund des Urteils ist wohl, dass in der Vergangenheit viele Betreiber von Kitas die per Gesetz erforderlichen Außenflächen nicht explizit nachgewiesen haben oder nicht nachweisen mussten und dadurch das Wohl der betreuten Kinder aus Sicht des Gerichtes gefährdet wurde", so die Bezirksamtssprecherin weiter. "Dieser Vorgehensweise scheint das Oberverwaltungsgericht mit der Entscheidung einen Riegel vorschieben zu wollen."
Doch für die Kita-Betreiber scheint das Urteil zwar gut gemeint, aber nicht gut gemacht zu sein: "Das Gericht macht hier Vorgaben, die sich von kaum einem Kita-Betreiber überhaupt erfüllen lassen", empört sich Kolja von Busch. "Wie kann man von uns eine Sondergenehmigung für einen Spielplatz verlangen, wenn diese prinzipiell nicht gewährt wird?"
Keine Probleme bei erster Kita-Gründung
Bei der Gründung der ersten "Helden"-Kita in Winterhude im Jahr 2019 hatte von Busch diese ganzen Probleme nicht. "Da haben wir einfach dem Bezirksamt mitgeteilt, dass wir den Spielplatz an der Meenkwiese nutzen möchten. Dann gab es noch eine Sicherheitsbegehung und das genügte." Eine Sondernutzungsgenehmigung habe niemand verlangt.
Die neuen rechtlichen Vorgaben dürften auch höchst problematisch für andere Gründer sein, die eine neue Kita aufmachen wollen. Denn die wenigsten dürften im dicht besiedelten Hamburg in der Lage sein, einen eigenen, ausreichend großen Spielplatz zu bauen. Auch ist unklar, was mit den bestehenden Kitas geschieht. Offenbar genießen diese Bestandsschutz.
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Bei der Hamburger Sozialbehörde ist der Fall aus Billstedt jedenfalls schon bekannt. Man stehe derzeit in Verhandlungen mit der Umweltbehörde und den Fachabteilungen der Bezirke, um eine grundsätzliche Lösung herbeizuführen, sagte Behördensprecherin Anja Segert.
"Für uns ist es sehr ärgerlich und nicht nachvollziehbar, dass uns durch die unklare Rechtslage so viele Steine in den Weg gelegt werden", meint Kita-Chef von Busch. "Gerade in Billstedt fehlen noch so viele Kita-Plätze. Wir haben schon zahlreiche Anfragen von Eltern, die ihre Kinder zu uns schicken wollen. Die müssen wir jetzt enttäuschen."