Hamburg. Neubau kostete drei Millionen Euro. CDU und Steuerzahlerbund üben Kritik: “schallende Ohrfeige“ für Verkehrssenator Anjes Tjarks.
Es sollte wohl auch ein Vorzeigeprojekt der Verkehrswende werden – nun aber könnte das neue Fahrradparkhaus an der U-Bahn-Station Kellinghusenstraße zum Planungsflop für den grünen Verkehrssenator Anjes Tjarks werden. Das jedenfalls glauben die CDU und der Bund der Steuerzahler.
Hintergrund: Das im Mai eröffnete, drei Millionen Euro teure Fahrradparkhaus in Eppendorf bietet Abstellmöglichkeiten für 600 Fahrräder. Genutzt wird es bisher allerdings so gut wie gar nicht. Zweimal inspizierte das Abendblatt den modernen Neubau in der vergangenen Woche. Einmal fand sich im Parkhaus dabei nur ein einziges einsames Fahrrad, beim zweiten Besuch war es ganz leer.
Hamburger Radfahrer nicht genug angesprochen
Zwar sei es angesichts von Ferien, Sommer und viel Homeoffice noch zu früh, den Bau zu kritisieren, sagte Jürgen Nielsen, stellvertretender Vorsitzender des Bund der Steuerzahler Hamburg. „Allerdings sind die ersten Zahlen eine schallende Ohrfeige für Verkehrssenator Tjarks. Sollte sich bis zum Herbst die Nutzung nicht deutlich erhöhen, dann dürfte Hamburgs erstes öffentliches Fahrradparkhaus ein Fall für das neue Schwarzbuch der öffentlichen Verschwendung sein“, so Nielsen.
„Wir erwarten von der zuständigen Behörde, das Konzept zu überdenken. Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Nur weil Herr Tjarks etwas ganz wundervoll findet, muss dies noch nicht ein ausgereiftes Konzept für die Hamburger Radfahrer sein.“ Für den Bund der Steuerzahler stehe fest, „dass die Stadt auf gar keinen Fall mit dem Bau weiterer Fahrradparkhäuser beginnen darf“, sagte Nielsen. „Stattdessen muss eine Evaluierung stattfinden, ob es überhaupt eine Nachfrage gibt und ob das Konzept stimmig ist.“
Hamburger CDU übt Kritik an Fahrradparkhaus
Auch die CDU kritisiert den Bau. „Während Rot-Grün immer mehr Auto-Stellplätze abbaut, ohne Alternativen zu schaffen und damit unnötigen, umweltschädlichen und nervigen Parkplatzsuchverkehr erzeugt, werden gleichzeitig teure politisch motivierte Prestige-Objekte, wie das offenbar überdimensionierte Fahrradparkhaus an der Kellinghusenstraße auf Steuerzahlerkosten gebaut“, sagte CDU-Verkehrspolitiker Richard Seelmaecker.
„Es geht aber nicht darum, dass sich der grüne Senator in Eppendorf ein überdimensioniertes Fahrraddenkmal und am Jungfernstieg ein fast eine Million Euro teures Anti-Autofahrerdenkmal setzt. Das ist Symbolpolitik, die an unserem Bedarf in Hamburg vorbeigeht. Fahrradstellplätze sind wichtig und richtig. Wir müssen aber bitte bedarfsgerecht planen und bauen.“
„Für ein seriöses Zwischenfazit ist es zu früh“
Was die Verkehrspolitik insgesamt angehe, brauche Hamburg „mehr separat geführte, breite Fahrradwege, mehr Parkplätze, auch und gerade in Form von Quartiersgaragen“, zudem „gute Möglichkeiten, schon vor der Stadtgrenze die Autos stehen zu lassen und bessere Bedingungen, damit Pendler nicht zwingend jeden Arbeitstag nach Hamburg einpendeln müssen“.
Die Behörde dagegen verteidigt den Bau des Parkhauses, in dem 145 der 600 Plätze in gesicherten Anlage für einen Euro pro Tag gemietet werden könnten und zudem 17 Lastenräder abgestellt und Schließfächer gemietet werden können. „Das Fahrradparkhaus ist seit Ende Mai in Betrieb. Für ein seriöses Zwischenfazit oder gar Fazit ist es noch zu früh“, sagte Verkehrsbehördensprecher Dennis Krämer. „Die Evaluation ist gerade erst angelaufen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass neue Angebote Zeit benötigen, um angenommen zu werden.“
Home-Office-Pflicht hatte Einfluss auf Nutzung
Im Juni habe es noch die Home-Office-Pflicht gegeben, die Mobilität steige in Hamburg erst jetzt wieder an, und derzeit seien wegen der Ferien weniger Menschen in der Stadt unterwegs. „Während des Sommers und bei gutem Wetter fahren nicht wenige Radfahrende an der Veloroute direkt durch, ohne auf die U-Bahn umzusteigen und ihr Rad abzustellen“, so Krämer.
„Die Bike+Ride-Betriebsgesellschaft hat uns zurückgemeldet, dass die Nachfrage nach gesicherten Stellplätzen dennoch ansteigt. Das Parkhaus ist von seiner Kapazität her mit Blick auf die Zukunft und vor dem Hintergrund steigender Verkehre und zunehmendem Radverkehrsanteil bewusst größer angelegt.“
Radverkehrsanteil in Hamburg sollte steigen
Grundlage des Baus in dieser Größenordnung sei „das Bike+Ride Entwicklungskonzept, welches Anfang 2015 vom Senat beschlossen wurde“, sagte René Wulff von der zuständigen P+R-Betriebsgesellschaft dem Abendblatt. Dieses prognostiziere einen „Ausbaubedarf von 16.000 (2012) auf 28.000 (2025) Bike+Ride Stellplätze an den Schnellbahnhaltestellen im Stadtgebiet bis zum Jahr 2025“. Die Grundlage sei die Annahme, dass der Radverkehrsanteil sich in Hamburg von 12 auf 18 Prozent im Jahr 2025 entwickeln soll.
Danach habe es an der Kellinghusenstraße einen „Ausbaubedarf auf insgesamt 757 Radstellplätze, davon 148 gesicherte Mietstellplätze“ gegeben. „Im Laufe des Planungsprozesses seit 2015 wurde deutlich, dass der Radverkehrsanteil stärker steigt – nunmehr bis zu 30 Prozent im Jahr 2030“, so Wulff. „Auf Basis dieser Entwicklung und der angepassten Zielgrößen wurde der Ausbaubedarf von 757 auf rund 1000 Radstellplätze weiterentwickelt, um den zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden.“
ADFC verteidigt Fahrradparkhaus in Eppendorf
Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) verteidigt das Parkhaus ebenfalls. „Angesichts der hamburgweit katastrophalen Abstellsituation für Fahrräder begrüßen wir jede zusätzliche Bike+Ride-Anlage sehr“, sagte ADFC-Sprecher Dirk Lau.
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„Trotz einiger Schwächen in der Ausführung (Zufahrt, Schiebetreppe ins OG) stellt auch das neue Fahrradparkhaus in der Kellinghusenstraße eine erhebliche Verbesserung für den Radverkehr dar. Wir fordern daher, dass jeder größere Umsteigebahnhof eine solche Radstation erhält und in den Wohnquartieren endlich flächendeckend Kfz-Parkraum zugunsten von Abstellplätzen für Fahrräder umgewidmet wird – auch zum Beispiel durch Pop-Up-Lösungen, die die Abstellsituation rasch verbessern.“
Weitere Parkmöglichkeiten in Hamburg geplant
Der jüngste Anstieg bei den Fahrraddiebstählen sei auch eine Folge des Mangels an sicheren, modernen Radabstellanlagen in Hamburg, so Lau. „Die drei Millionen Euro für das neue Parkhaus sind eine sinnvolle und vergleichsweise günstige Investition in klimaschonende Mobilität der Zukunft, die sich spätestens dann auszahlen wird, wenn noch mehr Hamburgerinnen und Hamburger aufs Rad und den Umweltverbund umsteigen.“ Für 9,7 Kilometer A26 Ost, „deren Bau verkehrspolitisch überflüssig ist und den Klimaschutzzielen des Senats widerspricht, geben Bund und Land 1,85 Milliarden Euro aus“, so der ADFC-Sprecher.
Laut Verkehrsbehörde gibt es ein weiteres Fahrradparkhaus mit 500 Plätzen seit 2012 am Bahnhof Bergedorf. In Planungen seien ähnliche Anlagen am Schlump und in Harburg, auch am neuen Fernbahnhof Altona sei eine Station mit mehr als 600 Plätzen geplant, so Behördensprecher Krämer. Auch am Hauptbahnhof gebe es Bedarf, hier habe man allerdings noch nicht mit konkreter Planung begonnen.