Hamburg. Hamburgs zentrale Grünanlage ist ein Ort mit langer Historie. Ein Gespräch mit Eva Henze über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Wer historische Hintergründe und aktuelle Details über Planten un Blomen und den Wallringpark erfahren will, der sollte sich um ein Gespräch mit Eva Henze bemühen. Die renommierte Landschaftsarchitektin ist seit einem Jahr Abteilungsleiterin Stadtgrün im Bezirksamt Hamburg-Mitte und als solche zuständig für alle Grünanlagen in diesem Gebiet.

Zuvor war sie fünfeinhalb Jahre als Parkmanagerin für die durch Sonderschauen entstandenen Hamburger Parks im Einsatz, also für Planten un Blomen und den Wilhelmsburger Inselpark.

Hamburger Abendblatt: Frau Henze, warum feiert man aktuell das Thema 200 Jahre Grüner Wallring? Lässt sich dieser Umbau auf ein so konkretes Datum eingrenzen?

Eva Henze: Ja, so halbwegs: 1820 wurde der erste Abschnitt der umgestalteten Befestigungsanlage fertiggestellt. Der Grüne Wallring ist aber tatsächlich eine riesige Anlage, die als Parkanlage einmal um die Innenstadt herumging. Das alles zu bauen hat natürlich etwas länger gedauert. Dort, wo heute das Bis­marck-Denkmal steht, hat man angefangen. Aber danach ging es schnell voran. Der Bereich, der jetzt Alter Botanischer Garten ist, folgte schon ein Jahr später. Deshalb feiert dieses Jahr der Alte Botanische Garten seinen 200. Geburtstag. Danach ging es zügig voran.

Mit 47 Hektar ist Planten un Blomen eine eindrucksvolle Grün­anlage. Der größte Park in Hamburg ist es aber nicht, oder?

Henze: Nein, der Inselpark ist fast doppelt so groß, auch der Friedhof in Ohlsdorf und der Stadtpark sind viel größer. Aber dafür liegt Planten un Blomen absolut zentral. Schon die grünen Wallanlagen im 19. Jahrhundert waren unheimlich wichtig für die Naherholung der Bevölkerung Hamburgs, die innerhalb der alten Stadttore doch ziemlich beengt wohnte.

Wie muss man sich die Wallanlagen zwischen 1820 und 1880 vorstellen?

Henze: Der Wassergraben existierte noch, aber die Bastionen und der Graben waren nun landschaftlich gestaltet von Isaak Altmann. Die Fünfecke der Bastionen wurden durch natürlicher wirkende Formen ersetzt, mit Abrundungen und eleganten Schwüngen. Den letzten Schwung kann man heute noch sehen im Alten Botanischen Garten auf Höhe des Cafés Schöne Aussichten und der Schaugewächshäuser.

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Leider ist vom Wallgraben sonst nicht mehr viel übrig. Warum?

Henze: Weite Teile des Wallgrabens wurden unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg mit Bombenschutt zugeschüttet, der ja irgendwohin musste. Das führt im Übrigen dazu, dass es auf dem Gelände immer noch Sackungen gibt. Das Teehaus zum Beispiel, das wir gerade in den Großen Wallanlagen sanieren, steht zum Teil in diesem Trümmerschutt und hat sich deshalb etwas geneigt. Als es 1963 erbaut wurde, waren die Sackungen noch längst nicht abgeschlossen. Das ist schon etwas, das wir heute noch merken. Östlich der Alster wurde der Wallgraben ab 1906 von der Bahn für die Führung der Gleise zwischen Hauptbahnhof und Dammtor genutzt.

So soll der Bereich Marseiller Straße nach dem Umbau einmal aussehen.
So soll der Bereich Marseiller Straße nach dem Umbau einmal aussehen. © POLA Landschaftsarchitekten

Der Begriff „Planten un Blomen“ stammt von der Niederdeutschen Gartenschau 1935. Wie muss man sich diese vorstellen?

Henze: Zunächst einmal sollte man erklären, was Planten un Blomen anfangs war und was es heute umfasst, da gibt es mitunter etwas Konfusion. Wir nennen die gesamte Anlage seit den 1980er-Jahren so, aber 1935 war nur jener Teil Gelände der Niederdeutschen Gartenschau, der heute zwischen Fernsehturm und CCH liegt. Den Botanischen Garten und die Wallanlagen hat man nicht eingebunden, das heutige Messegelände war teilweise Ausstellungsgelände und Aufmarschplatz. Wo heute das Café Seeterrassen steht, gab es eine große Bauernschänke, die im Krieg durch eine Brandbombe zerstört wurde. Der Parksee war 1935 eine breite rechteckige Fortsetzung der Wasserkaskaden, die jetzt unterhalb des Fernsehturms liegen. Die Kaskaden führten den Blick auf diesen Parksee – der damals auch schon Fontänen hatte, aber nicht farbig – und weiter zur Bauernschänke.

Wie unterscheidet sich der heutige Parkteil von dem im Jahr 1935?

Henze: Planten un Blomen blieb im und nach dem Krieg ein Refugium, bis auf den Brand in der niederdeutschen Schänke gab es kaum Schäden, die nicht mehr zu reparieren waren. Deshalb wurde dieser Abschnitt 1953 auch ein zentraler Bereich der ersten IGA. Der sogenannte Eulenhügel ist auch kein Schuttberg, sondern war schon Ende des 19. Jahrhunderts da. Man hatte zu Tiergarten­zeiten dort eine künstliche Ruinenstaffage errichtet.

Der Gartenarchitekt Karl Plomin hat nicht nur 1935, sondern auch bei den Schauen 1953, 1963 und 1973 mitgewirkt. War er die absolut prägende Figur?

Henze: 1953 war Plomin tatsächlich die leitende Person, und er hat Neuerungen eingebracht. Es wurde durch ihn aber auch einiges von 1935 erhalten, um die Kosten zu begrenzen – und sicher auch, weil es wirklich hochwertige Gestaltung war. Es gab neben Plomin 1953 weitere Planer, die bei den internationalen Beiträgen und den Hallenschauen aktiv waren. Und Architekten wie Ferdinand Streb für moderne Gebäude. Zudem war die IGA 1953 über die ganze Stadt verteilt.

Was unterscheidet die IGA 1963 von der im Jahr 1953?

Henze: 1963 war es ein anderes Gelände, es ging erstmals in die Wall­anlagen. Im Botanischen Garten entstanden die Schaugewächshäuser und die Mittelmeerterrassen, in den Wallanlagen wurden viele internationale Gärten angelegt. Man hat zudem das Messegelände und das Heiligengeistfeld einbezogen.

Und welchen Ansatz gab es dann bei der IGA 1973?

Henze: Die Idee ging nun weg vom Gedanken der von hochwertiger Architektur flankierten gärtnerischen Leistungsschau hin zu einem Freizeitpark. Die Planungen begannen Ende der 1960er-Jahre, wo man auch schon die Olympischen Spiele in München vor Augen hatte, daher kommen die Ansätze in Sachen Sport und Bewegung. Die Rollschuh-/Eisbahn wurde gebaut, ebenso eine erste Mini­golfanlage, der große Spielplatz, die Wasserspiele. Freizeit- und Sporteinrichtungen haben 1973 erstmals einen großen Raum eingenommen.

Als ich im April dieses Jahres eine Runde durch die Wallanlagen gegangen bin, waren gerade alle Becken ohne Wasser. Wie oft kommt das vor?

Henze: Es sollte eigentlich nur kurz kein Wasser in den Becken sein, nämlich wenn wir reinigen. Das Becken am Museum für Hamburgische Geschichte hat ein bauliches Problem – aufgrund des instabilen Baugrunds treibt der Boden auf. Hier muss saniert werden. Die Mittel dafür werden eingeworben. Bei anderen Becken sind Pumpen oder Elektroleitungen nicht funktionsfähig. Das ist in Bearbeitung und sollte im Laufe des Sommers wieder funktionieren.

Die Wasserflächen stehen aber nicht zur Disposition, oder?

Henze: Nein, denn sie sind ein wichtiges Element der 1960er-Jahre. Zudem bilden wir mit den Becken den Verlauf des historischen Wallgrabens ein Stück weit nach. Das Museum zum Beispiel steht auf einer alten Bastion, und das Becken davor erinnert an den ursprünglichen Verlauf der Festung. Man erkennt noch deren Zackenform.

Die Instandhaltung eines Parkgeländes ist ja nicht billig. Wie hoch ist Ihr Etat?

Henze: Der liegt jetzt bei etwa 2,4 Millionen Euro pro Jahr, hinzukommen die Personalkosten der Gärtner. Obwohl die Zahl der Festangestellten stark gesunken ist und wir mehr Aufträge fremdvergeben müssen, wurden die Mittel nicht aufgestockt. Ein relevanter Kostenblock ist übrigens der Wachdienst, ein anderer sind die Energiekosten. Die Pumpen der ganzen Wasserspiele ziehen unendlich viel Strom, und das Wasser für die Becken und die Pflanzen ist auch nicht kostenlos. Wir haben nur etwa die Hälfte der Mittel, die wir für eine werterhaltende Pflege bräuchten.

Spielen die Kosten auch für die Art der Bepflanzung eine Hauptrolle?

Henze: Die Kosten sind bei den Wechselbepflanzungen in Frühjahr und Sommer tatsächlich gar nicht so das Problem, weil solche Pflanzen nicht so teuer sind. Und weil die Beete zweimal im Jahr komplett umgegraben werden, ist zwischendurch auch keine große Pflege nötig. Kostentreiber sind eher die Sondereinrichtungen und Staudenbeete, die sich veränderten Bedingungen anpassen müssen, aber auch die intensive Nutzung und die alten Bäume brauchen Geld.

Welche Rolle spielen die Gebäudekosten?

Henze: Die spielen im Unterhalt auch eine Rolle, wobei man sagen muss, dass in den letzten Jahrzehnten daran am meisten gespart wurde. Die Stadt ist mit dem Bestand nicht besonders gut umgegangen.

Und was ist mit den Denkmalschutzgeldern?

Henze: Beim Teehaus zahlt der Bund die Sanierung, das hilft natürlich. Beim Café Seeterrassen wird ein neues gründliches Gutachten klären, was sich aus Denkmalschutzgründen zu erhalten lohnt und was nicht. Das ursprüngliche Café ist für die IGA 1953 von dem berühmten Hamburger Architekten Ferdinand Streb gebaut und 1963 von ihm erweitert worden. Vielleicht ist es sinnvoll, auf den ursprünglichen Stand zurückzubauen.

Welche Bedeutung hat eigentlich so ein Park wie Planten un Blomen heute für die Stadt und die Menschen?

Henze: Wir stellen seit mindestens fünf Jahren fest, dass der Park stetig mehr Besucher anzieht. Das ist eine Mischung aus steigender Bevölkerungszahl in Hamburg wie auch mehr Tourismus, natürlich nicht in Pandemiezeiten. Auf der einen Seite ist der Park ein Gartendenkmal und sollte auch als solches erhalten werden, auf der anderen Seite ist er ein Bürgerpark für die Anwohnerinnen und Anwohner, und dann ist er auch noch eine Touristenattraktion. Es ist mitunter schwierig, alles unter einen Hut zu bringen. Wir haben schon einmal einen Leitbildprozess begonnen, aber wegen Corona unterbrochen. Klar ist: Wir wollen nicht die gleiche Soße über 47 Hektar gießen. Es kristallisiert sich heraus, dass die Hamburger, die in der Nähe wohnen, eher die Wallanlagen nutzen, dass Touristen sich viel im Ur-Bereich von Planten un Blomen aufhalten mit der Wasserlichtorgel, dem Japanischen Garten sowie dem Rosengarten, und dass der Alte Botanische Garten gerne von Berufstätigen in der Mittagspause besucht wird, weil es dort überall kleine Nischen gibt. Diese Dreiteilung werden wir weiter herausarbeiten.

Derzeit wird im Bereich CCH gebaut. Wie soll das Terrain dort künftig aussehen?

Henze: Die Pläne wurden in einem Wettbewerb prämiert, wir setzen den Gewinnerentwurf um. Es wird sehr anders als der Rest vom Park, weil es nicht hinterm Zaun liegen wird, sondern dann eine öffentliche Durchwegung ist. Die Marseiller Straße, früher Zufahrt zum CCH, wurde schon zugeschüttet. Dort bauen wir einen sieben Meter breiten Geh- und Radweg als wichtige Verbindung und belebter Ort, daneben entsteht ca. 1 Hektar zukünftige Grünfläche, die eine mehr oder weniger intensiv gepflegte Rasenfläche und Blumenwiese sein wird. Gegenüber dem Dammtorbahnhof begrüßt der Park schon mit einer großen Staudenfläche anstelle einer hohen Betonmauer.

Dort darf man Rad fahren, sonst im Park ja nicht. Warum ist das so?

Henze: Darüber gibt es immer wieder Diskussionen. Doch wenn man sich die Besucherdichte anschaut und daran denkt, dass auch kleine Kinder hier unbeschwert frei herumlaufen sollen, ist es besser, wenn niemand Angst haben muss, gleich umgefahren zu werden.

Gibt es von Ihrer Seite aus Wünsche an die Politik?

Henze: Ich muss sagen, dass der Park schon jetzt eindeutig im Fokus der Politik ist, quer durch die Bank. Jeder möchte sich irgendwie mit Planten un Blomen verbunden fühlen, weil es einfach eine wichtige Anlage ist. Wir haben an vielen Stellen finanzielle Hilfe bekommen, beim Teehaus zum Beispiel durch Bundesfördermittel, bei der Sanierung der Wasserlichtorgel durch Bürgerschaftsmittel. Aber auch inhaltlich, etwa bei den Planungen zur U 5, gab es Rückendeckung. Die Variante, die nun gebaut wird, ist eine, die Planten un Blomen weniger schadet. Es gab zuvor eine breite Debatte und Unterstützung von unterschiedlichster Seite.

Es wurde stadtweit verinnerlicht, welche Bedeutung Planten un Blomen hat?

Henze: Ja. Die Menschen lieben den Park. Und man merkt auch, mit wie viel Engagement die Mitarbeitenden im Park ihrer Aufgabe nachgehen, und das teilweise seit Jahrzehnten.

Wird das Wegenetz in Hamburg künftig wieder grüner? Und welche Rolle spielt dabei der Wallring?

Henze: So, wie man nach 1820 mit dem Wallringpark eine grüne Bildungslandschaft geformt hat, werden irgendwann die Straßen wieder ein Stück zurückgebaut werden müssen. Den Grünzug, der heute von breiten Verkehrswegen durchtrennt ist, könnte und sollte man bis zur Kunstmeile wiederherstellen. Für den Anschluss an den Elbpark gibt es Ideen, auch an den Schanzenpark könnte man eine Anbindung schaffen. Aber das alles kann man nicht mit der Brechstange durchsetzen.

Spüren Sie den Klimawandel im Park?

Henze: Auch wenn es noch hartnäckige Leugner gibt: Der Klimawandel ist längst in Hamburg angekommen, wir spüren das deutlich. Selbst alte Bäume sterben aufgrund der Trockenheit ab. Hamburg tut gut daran, künftig auf die kühlenden Effekte der Begrünung zu setzen und nicht alles mit Beton und Asphalt zuzugießen. Wir benötigen außerdem genug Flächen, auf denen auch Starkregen versickern kann. Wir brauchen mehr Grün – auch an Stellen, an denen wir zurzeit keines haben.

Das Magazin

Das neue Abendblatt-Magazin „Planten un Blomen“ hat  108 Seiten und kostet 9 Euro  (Treupreis: 7 Euro). Zu bekommen in der Abendblatt-Geschäftsstelle (Großer Burstah 18-32), im Handel und auf abendblatt.de/shop
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