Hamburg. Eine neue Ausstellung zeigt das Leben des unvergessenen Altkanzlers aus Hamburg. Sie war coronabedingt verschoben worden.

Im vergangenen Dezember sollte sie mit einem Festakt eröffnet werden, dann sorgte Corona für eine Zwangspause. Nun ist die Ausstellung „Schmidt! Demokratie leben“ wieder für alle Interessierten geöffnet. Dort gibt es alles aus Leben und Wirken Helmut Schmidts – nicht nur zum Ansehen, sondern dank der modernen Art der Präsentation geradezu erlebbar. Los geht es für Besucherinnen und Besucher bereits an diesem Sonnabend.

Ziel der Ausstellung ist es zum einen, Schmidts Leben und Verdienste zu würdigen, zum anderen wird verdeutlicht, wie die Themen der Zeitgeschichte unsere Gegenwart und unsere Zukunft prägen. „Schmidt hätte am heutigen Tag hanseatisch-zurückhaltend reagiert“, sin­nierte der Kuratoriumsvorsitzende der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung, Peer Steinbrück, anlässlich einer Vorbesichtigung im kleinen Kreis am gestrigen Donnerstag.

Grundlage bildet Schmidts reichhaltiger Nachlass

„Ich bin mir sicher, es hätte ihm gefallen, dass in unmittelbarer Nachbarschaft zum Pressehaus, wo er fast 33 Jahre als Herausgeber der ,Zeit‘ gewirkt hat, ein lebendiges Forum als Ort der politischen Bildung und der gesellschaftlichen Debatte eröffnet wird, das seinen Namen trägt.“

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Die Grundlage bildet dabei Schmidts reichhaltiger Nachlass, bestehend unter anderem aus 3200 Aktenordnern und rund 25.000 Büchern. Hinzu kommen zahlreiche Einzelstücke, die den unvergessenen Altkanzler ein Stück weit wieder lebendig machen: von Schmidts Sonnenbrille über acht seiner abgewetzten Aktentaschen bis zum immer präsenten Terminkalender.

Das Schachspiel – geschnitzt in der Gefangenschaft

Die genauen Themen ergeben sich aus der Biografie Helmut Schmidts, und entsprechend ist die Ausstellung in mehrere Lebensabschnitte, gegliedert in elf Themenbereiche, unterteilt. Über Kindheit und Jugend in Hamburg und die folgenreichen Erfahrungen als Soldat im Zweiten Weltkrieg wird der Bogen gespannt zu seiner Zeit als Senator in seiner Heimatstadt. Vom SPD-Fraktionsvorsitzenden, Minister und Bundeskanzler in Bonn geht es schließlich bis hin zu seiner späten Tätigkeit als Publizist und Elder Statesman in Hamburg und der „Welt“.

Symbolisiert wird die lange Zeitspanne durch Exponate, die diese Ära gleichsam abbilden: Von einer Spielpuppe aus den 1920er-Jahren über das Schachspiel, das Schmidt in der Kriegsgefangenschaft geschnitzt hatte, bis hin zu Mütze, Drehaschenbecher und Schnupftabaksdose – also den Markenzeichen seiner späteren Jahre.

50 Filmspots verdeutlichen die lebenslange enorme Präsenz Schmidts

50 Filmspots verdeutlichen die lebenslange enorme Präsenz und Vitalität Schmidts, ebenso 40 Audiotöne. Besucher können vor Ort auch symbolisch an Abstimmungen teilnehmen, einen Zeitstrahl verfolgen oder bei Quizfragen ihr Wissen testen. „Wir möchten mit den Besuchern ins Gespräch kommen“, erläutert der Vorsitzende des Stiftungsvorstands, Meik Woyke.

Mit grünem Filzstift, Schnupftabak und Abendblatt: ein Blick in Helmut Schmidts Aktentasche.
Mit grünem Filzstift, Schnupftabak und Abendblatt: ein Blick in Helmut Schmidts Aktentasche. © Andreas Laible

Es sind vor allem immer wieder die besonderen Exponate, die Schmidt-Fans in die Ausstellung locken dürften. Da liegt eine Flasche Armagnac von 1918, die der französische Staatspräsident Giscard d’Estaing seinem Freund einst geschenkt hatte. Sie stammt aus dem Jahr 1918 – in dem Helmut Schmidt auch geboren wurde. Sogar Schmidts Auszeichnungen aus dem Krieg sind zu sehen, darunter das Eiserne Kreuz Zweiter Klasse (mit imprägniertem Hakenkreuz).

Wahlplakate und Werbespots

Wahlplakate und Werbespots rufen die Zeit ins Gedächtnis, als Schmidt mit Selbstbewusstsein und einer gewissen Ruppigkeit nicht nur seine politischen Gegner abkanzelte. „Ich werde mir das Wort Friedenspolitik von niemandem abhandeln lassen“, hatte Schmidt auf dem Höhepunkt der gegen seine Sicherheitspolitik gerichteten Proteste einst gesagt – ein Beispiel von vielen.

Immer im Einsatz: Großformatige Fotos erinnern an Helmut und Loki Schmidt.
Immer im Einsatz: Großformatige Fotos erinnern an Helmut und Loki Schmidt. © Andreas Laible

Ein großes Foto zeigt Kanzlergattin Loki Schmidt 1975 im Bonner Kanzlerbungalow, darunter der Schmidt-Satz: Regierungschefs sind meist einsame Personen. Der Clou: Loki sitzt alleine im Wohnzimmer, ihr Mann ist nur auf dem Fernsehschirm zu sehen. „Helmut Schmidt hat immer wieder Themen aufgeworfen, die noch heute brandaktuell sind “, so Peer Steinbrück. Das gelte für eine gerechte Wirtschaftsordnung, die europäische Einigung, den Erhalt einer offenen und demokratischen Gesellschaft oder den Dialog und die Verständigung zwischen den Weltreligionen.

Beruflich bis zu 17 Stunden täglich im Einsatz

Eine Arbeitstier mit bis zu 17 Sunden Schufterei täglich sei Schmidt gewesen, so dessen Freund Steinbrück. Entspannt habe der Vollblutpolitiker unter anderem beim Schachspiel, das er schon mit sechs Jahren erlernt hatte. Wer bei gemeinsamen Partien gewonnen hat, wollte Steinbrück nicht verraten. Nur so viel: „Helmut Schmidt war ein erstaunlich unkonventioneller Spieler.“