Hamburg. Der Luftfahrtingenieur Stefan Dechow erklärt, was Hamburger beachten müssen, wenn sie jetzt in den Urlaub fliegen wollen.

Wie funktioniert der Flug in den Sommerurlaub in Zeiten von Corona? Was müssen Passagiere beachten – was hat sich geändert? Das Abendblatt sprach mit Luftfahrtingenieur Stefan Dechow. Er leitet die Expertengruppe, die den Hamburger Flughafen seit mehr als einem Jahr durch die Corona-Pandemie steuert. Er ist der Corona-Manager des Flughafens und leitet die Taskforce Take off, die alle Maßnahmen für eine sichere Wiederaufnahme des Flugbetriebs koordiniert.

Hamburger Abendblatt: Sie sind seit einem Jahr der Corona-Manager des Hamburger Flughafens. Wie kommt man dazu?

Stefan Dechow: Das ist eine gute Frage. Letztlich kam mein Chef auf mich zu und fragte, ob ich das machen will. Ich fand das spannend. Corona hat uns alle herausgefordert. Aber tatsächlich haben wir gedacht, es geht alles schneller. Und so war auch der Name geboren: „Take off“. Wir dachten, es geht jetzt einfach los, und die Luftfahrt beginnt irgendwann wieder. Aber wir haben nie gedacht, dass es so lange dauert.

Was ist denn jetzt anders am Fliegen im Corona-Zeitalter? Was muss ich beachten, wenn ich in diesem Sommer und sie auch hoffentlich wieder in den Urlaub fliegen möchte? Was erwartet mich?

Dechow: Wir versuchen, wo es geht, Abstand zu halten. Überall ist das nicht möglich. Dafür ist der Flughafen einfach nicht gebaut. Alle Kolleginnen und Kollegen im Flughafen tragen Masken. Für die Reisenden ist es jetzt vor allem wichtig, sich über die Regelungen an ihrem Reiseziel zu informieren.

Vielleicht gehen wir mal ganz konkret durch den Flughafen. Was ist beim Check-in anders als sonst? Ist die Schlange noch länger?

Dechow: Wenn alles gut läuft, ist die Schlange nicht so lang. Aber tatsächlich ist es so, dass bei einigen Destinationen ein Corona-Test vor Abflug notwendig ist. Das heißt, es könnte sein, dass Airlines eine Testbestätigung verlangen und dadurch der Check-in etwas länger dauert.

Muss man früher am Terminal sein?

Dechow: Also eigentlich haben wir nicht festgestellt, dass Passagiere viel früher da sein müssten, weil sich die Prozesse nicht geändert haben. Wir versuchen mit den Airlines zusammen, die die Check-in-Schalter buchen, dass genügend Check-in-Schalter den Passagieren zur Verfügung gestellt werden, dass dort auch kein Engpass entsteht.

Wie läuft die Sicherheitskontrolle in Zeiten von Corona?

Dechow:Bevor ein Passagier persönlich vom Sicherheitspersonal untersucht w hen zu nehmen. Auch wenn man sich nicht sicher ist, ist es besser, eher eine Sache mehr herauszunehmen, auch den Gürtel vielleicht abzunehmen. Das hilft auf jeden Fall und beschleunigt die Sache.

Hat sich eigentlich bei den Gepäck-Bestimmungen etwas geändert?

Dechow: Das war nur ganz zu Anfang, dass das Handgepäck stärker beschränkt wurde. Der Grund dafür waren vor allem auch die Sicherheitskontrollen.

Gibt es in den Wartebereichen genug Sitzmöglichkeiten?

Dechow: Wir haben am Anfang der Pandemie die Sitzbänke sehr stark ausgedünnt und einzelne Sitze gesperrt. Es wurden Hunderte von „Gesperrt“-Schildern aufgeklebt, damit wir den Sicherheitsabstand einhalten können. Und ja, es ist dann schwer, jeden Fluggast einen Sitzplatz anzubieten.

Wie sieht das Hygienekonzept in den Toilettenbereichen aus?

Dechow: Wir haben gleich am Anfang der Pandemie in diesem Bereich einige Entscheidungen getroffen. Wir haben alle Toiletten sehr schnell weitgehend berührungsfrei ausgerüstet, also Türen ausgebaut, Sichtschutzscheiben installiert und an den Waschbecken die Armaturen ausgetauscht. Nur in den einzelnen persönlichen Kabinen sind natürlich weiterhin Türen vorhanden. Strategie des Flughafens war ohnehin, das in den nächsten Jahren umzurüsten, und wir haben das jetzt einfach vorgezogen und konsequent umgesetzt.

Kommen wir zum Boarding. Da gibt’s normalerweise immer Gedränge vor dem Gate. Eine ganze Reihe von Flugzeugen wurde vor dem Lockdown immer noch mit Bussen angefahren. Findet das momentan noch statt?

Dechow: Nein, wir haben die Busse tatsächlich außer Dienst genommen. Das war eine der ersten Maßnahmen. Und die sind tatsächlich seit mehr als einem Jahr auch nicht mehr gefahren. Wir versuchen grundsätzlich alles über die Fluggastbrücken abzufertigen.

Das geht ja nur solange der Flugbetrieb noch recht eingeschränkt ist …

Dechow: Also aktuell kommen wir mit den Fluggastbrücken noch gut hin. Sollten wir die Busse wieder benötigen, haben wir zweierlei Dinge geregelt: Wir haben kurz vor der Krise sogenannte Flughafen-Busse beschafft. Die sind wesentlich größer im Innenraum und dadurch, dass die gut drei Meter breit sind und drinnen so gut wie keine Sitze haben, hat man in dem Bus viel mehr die Möglichkeit, sich zu verteilen. Und wir werden die auch nur mit der Hälfte der Passagier-Kapazität einsetzen, damit die Abstände gewahrt sind. Aber es ist der letzte Hebel, den wir ziehen werden.

Wie sieht das eigentlich bei den Einreisekontrollen aus?

Dechow: Die ganzen Sonderregelungen sind kompliziert für uns. Wir müssen uns wegen immer wieder ändernden Einreisebestimmungen ständig mit der Bundespolizei abstimmen, wo wir abfertigen und neu disponieren.

Ich bin im Flugzeug. Gibt’s da jetzt eigentlich etwas zu trinken? Den berühmten Tomatensaft …

Dechow: Ich will nicht sagen, dass es den nicht auf Langstreckenflügen gibt. Aber das Angebot ist deutlich runtergefahren. Also auf den Kurzstrecken-Flügen, wie z. B. nach Frankfurt, wo wir noch Getränke bekommen haben, gibt’s aktuell nichts.

Wie sieht das derzeit mit Corona-Testzentren am Flughafen aus?

Dechow: Es gibt genau genommen vier Testzentren am Flughafen. Während dort noch vor einigen Wochen vor allem Ankommende getestet wurden, sind es jetzt primär abfliegende Passagiere. Inter­essant ist auch, dass die Testzen­tren derzeit vor allem beliebt bei den Bürgern sind, die in Flughafennähe wohnen. Im Parkhaus P1 gibt es ein Testzen­trum, in dem man direkt mit dem Auto durchfahren kann. Das wird auch gern von Reisenden genutzt, die mit dem Auto auf dem Weg zum Urlaub an Nord- oder Ostsee sind.

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Jetzt geht’s ja langsam wieder los. Was ist die größte Herausforderung für Sie beim Wiederhochfahren des Flughafens?

Dechow: Das Schwierigste ist tatsächlich nicht mal das Hochfahren. Das Schwierigste ist, in eine Glas hmale Grat, auf dem wir uns bewegen. Aber ein Gefühl dafür zu kriegen, den richtigen Zeitpunkt zu finden, ist gerade schwer.

Das Virus lässt sich nicht in die Karten schauen …

Dechow: Vor Corona gab es Flugpläne im Halbjahreswechsel. Wir wussten genau, wann welche Airline fliegt. Jetzt ist viel Bewegung im Flugplan. Auch weil sich Passagiere viel kurzfristiger entscheiden. Es gibt jetzt sehr kurze Storno-Fristen. Die Passagiere reagieren auch kurzfristig auf neue Regeln, wenn etwa plötzlich vor Abflug am Reiseziel ein PCR-Test verlangt wird. Das kann für eine Familie sehr teuer werden. Wenn ich mit zwei Kindern reise, dann brauche ich vier Tests. Das kann schnell für den Hin- und Rückflug mehrere Hundert Euro kosten.

Gibt es für Sie im Rückblick nach einem Jahr Corona so etwas, dass Sie positiv in Erinnerung behalten werden?

Dechow: Ja, auf jeden Fall. Also, eine Sache steht ganz im Vordergrund. Es ist so, dass vor der Pandemie alles sehr lange gedauert hat, es gab lange Entscheidungsprozesse. In der Pandemie hat man gemerkt, wie alle zusammenhalten können. Alle waren Feuer und Flamme, diesen Flughafen voranzutreiben, die Ärmel hochzukrempeln, mit anzupacken und alles dafür zu tun, das Fliegen sicherer zu machen und den Passagieren ein gutes Gefühl zu geben. Und das war wirklich bemerkenswert. Die Kolleginnen und Kollegen sind immer eingesprungen, wenn jemand gebraucht wurde. In der gesamten Pandemie waren alle einfach für den Flughafen da. Und das war echt ein gutes Gefühl.