Hamburg. Kinder und Jugendliche könnten schon bald ein Impfangebot erhalten. Sozialsenatorin Leonhard warnt aber vor überzogenen Hoffnungen.
Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) hat die baldige Aufhebung der Priorisierung bei den Corona-Impfungen in Aussicht gestellt – aber zugleich vor überzogenen Hoffnungen gewarnt, was das Tempo der Impfkampagne angeht. „Etwa 35 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger haben schon eine Schutzimpfung erhalten“, sagte die SPD-Politikerin dem Abendblatt.
„Nun steht es bald an, dass nicht mehr nur bestimmte Gruppen aufgerufen sind, sondern alle einen Termin machen können. Es ist aber nicht so, dass für alle schon jetzt ausreichend Impfstoff in den Lagern und Praxen in Hamburg vorhanden ist.“
Es werde also „noch etliche Wochen dauern, bis alle ein Impfangebot erhalten haben“, so Leonhard. „Wenn wir uns auf die Lieferzusagen der Bundesregierung verlassen können, ist es realistisch, dass für alle erwachsenen Menschen bis zum Ende des Sommers eine Möglichkeit zur Schutzimpfung besteht. Wir sollten uns aber nichts vormachen: Hundert Prozent Impfquote vor dem Sommerurlaub ist nicht realistisch, hundert Prozent Chance auf einen Impftermin bis zum Ende des Sommers schon.“
Impfung von Kindern in Hamburg – schon im Sommer?
In Hamburg sollen mit der wachsenden Verfügbarkeit der Corona-Impfstoffe Schülerinnen und Schüler schnell vor Covid-19 geschützt werden. „Es ist damit zu rechnen, dass Kinder und Jugendliche im Sommer schon geimpft werden können – wenn eine entsprechende Zulassung erfolgt“, sagte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) dem Abendblatt. „Sie hatten viele Entbehrungen hinzunehmen. Deswegen wollen wir damit dann sehr zügig vorankommen und treffen jetzt schon einige Planungen, soweit das schon geht.“
Zwar gebe es noch keine konkreten Planungen. Geprüft werden nach Abendblatt-Informationen aber bereits eine Einbindung der Kinderärzte, eine mögliche tageweise Priorisierung von Kindern und Jugendlichen im Impfzentrum oder auch Impfungen in Schulen.
Sommerferien für Impfaktion geeignet
In der Schulbehörde laufen die Vorbereitungen für die Impfkampagne. Die Planungen orientieren sich an der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, wonach allen Zwölf- bis 18-Jährigen bis Ende August eine Erstimpfung mit dem Vakzin von Biontech angeboten werden soll, wenn auch für unter 16-Jährige eine Zulassung erteilt wird. In Hamburg sind rund 110.000 Schüler betroffen.
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In der Behörde wird vor allem die Zeit der Sommerferien, die vom 24. Juni bis zum 4. August dauern, für die Impfaktion in den Blick genommen. Geprüft wird, ob die Nutzung von Schulen und Sporthallen als regionale Impfzentren sinnvoll und machbar ist. Als Alternative ist auch die Nutzung des Impfzentrums in den Messehallen im Gespräch. Eine Entscheidung gibt es noch nicht.
Schulsenator wünscht sich Impfangebot für Kinder
„Ich wünsche mir sehr, dass es zügig ein vernünftiges Impfangebot für Kinder und Jugendliche gibt“, sagt Schulsenator Ties Rabe (SPD). „Es kann nicht sein, dass einerseits Kinder und Jugendliche durch die Schließung der Schulen erheblich benachteiligt werden und zugleich die Impfstoffforschung bei den Kindern nicht mithält. Hier braucht es auch den Blick für die Interessen der Kinder.“
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat sich dafür ausgesprochen, Kinder und Jugendliche bei den Impfungen vorzuziehen. „Sie müssen mit Vorrang ein Impfangebot bekommen, sobald der Impfstoff für sie zugelassen ist. Das sind wir Erwachsenen der jungen Generation schuldig“, sagte Giffey der Deutschen Presse-Agentur.
Ärztekammer Hamburg äußert sich kritisch
Die Ärztekammer Hamburg dagegen äußerte sich kritisch zu der aus ihrer Sicht „emotionalisierten Diskussion“ über die schnelle Impfung von Kindern und Jugendlichen. Das Thema sei „deutlich komplexer als bei Erwachsenen“.
Kammerpräsident Dr. Pedram Emami kritisierte die Politik, wenn sie schon jetzt „eine regelhafte Impfung von Kindern und Jugendlichen“ fordere oder gar die Präsenz in der Schule von einer Impfung abhängig mache. Dabei spiele auch keine Rolle, ob ein Impfstoff für Kinder zugelassen sei. Es wird erwartet, dass die Europäische Arzneimittelbehörde EMA nach weiteren Studien Biontech für Kinder ab zwölf Jahren zulassen wird. In den USA und Kanada ist das bereits so. Astrazeneca und Moderna machen ebenfalls Studien mit Kindern.
Corona-Impfung: Verband der Kinderärzte skeptisch
Zuletzt äußerte sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei einem Besuch in Hamburg in diese Richtung und empfahl eine Impfung in den Sommerferien. Der Verband der Kinderärzte zeigte sich skeptisch, wenn Kinder zentral geimpft würden. Dessen Präsident Thomas Fischbach sagte der „Ärztezeitung“, das sollten die Kinderärzte machen. Denn es sei immer eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung, die zusammen mit den Eltern getroffen werde müsse.
Emami stellte mit Blick auf eine mögliche Covid-Erkrankung von Kindern die Frage: „Ist die Gefahr für schwere Verläufe, bleibende Schäden oder gar tödliche Verläufe in dieser Altersgruppe so hoch, dass der breite Schutz durch die Impfung für alle zwingend erforderlich ist?“ Außerdem fragte er, ob Kinder wirklich zur Verbreitung des Virus in anderen Altersgruppen beitragen würden. Erst wenn das wissenschaftlich geklärt sei, könne man politische Maßnahmen daraus ableiten. Emami: „Ich rate zu mehr faktenbasierter und besonnener Entscheidungsfindung.“
„Bitte gehen Sie nicht einfach in die Praxen"
Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KVH) hat die Menschen mit Vorerkrankungen, die nun neu zur Impfung aufgerufen wurden, aufgefordert, „nicht sofort die Praxen zu stürmen“, um das zum Impfen notwendige Attest zu erhalten. „Bitte gehen Sie nicht einfach in die Praxen, holen Sie sich erst einmal einen Termin und klären dann mit der Praxis ab, wie Sie das Attest erhalten können“, sagte KVH-Chef Walter Plassmann.
Hierzu sei ausreichend Zeit bis zum Impftermin. Zum Nachweis der Impfberechtigung erhalte der Patient ein Attest, bei dem lediglich die Tatsache bestätigt wird, dass er oder sie gemäß der Priorisierung impfberechtigt ist. Die Art der Erkrankung werde nicht erwähnt. Die KVH habe ihren Ärzten ein Formular zur Verfügung gestellt, das im Impfzentrum akzeptiert werde. Dieses könne Patienten, die in der Praxis bekannt seien, auch zugeschickt werden.
Corona-Zahlen in Hamburg weiter zurückgegangen
Die Infektionszahlen sind in Hamburg am Freitag weiter zurückgegangen. Die Sozialbehörde meldete 155 Neuinfektionen. Die Sieben-Tage-Inzidenz sank auf 63,1. Das ist der niedrigste Wert seit Mitte Oktober. In Hamburger Kliniken werden derzeit noch 197 Menschen wegen einer schweren Corona-Infektion behandelt, 81 auf Intensivstationen.
Die Behörden mussten am Freitag keinen weiteren Todesfall im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion melden. Bisher sind 1530 der insgesamt 74.828 positiv getesteten Hamburgerinnen und Hamburger am oder mit dem Virus verstorben. Das entspricht etwas mehr als zwei Prozent.