Hamburg. Montag ist Baubeginn. Eine Bürgerinitiative wirft der Bahn „offensichtlich fehlerhafte Planung“ vor. Die Bahn weist Vorwürfe zurück.
Die S4-Kritiker von „Lärm- und Umweltschutz Marienthal“ haben schwere Vorwürfe gegen die Deutsche Bahn (DB) erhoben und die Planung für die neue S4 scharf kritisiert. Insbesondere werfen die Wandsbeker Anrainer der Ausbaustrecke der Bahn vor, die Genehmigung für die Montag beginnenden Bauarbeiten am ersten von drei Streckenabschnitten „unter Vorspiegelung falscher Tatsachen“ beantragt zu haben. Die Planung sei überdies „offensichtlich fehlerhaft“ und würde die Kapazität der Bahnstrecke Hamburg-Lübeck halbieren.
„Wir hoffen und erwarten, dass das Bundesverwaltungsgericht diese Mängel nicht absegnet, sondern ein klares Signal auch für zukünftige Planungen setzt“, sagte der 1. Vorsitzende von Lärm- und Umweltschutz Marienthal, der Physiker Arnold Harmsen. Leipzig wird voraussichtlich im Oktober entscheiden, ob die Baugenehmigung der Bahn bzw. der Planfeststellungsbeschluss rechtens ist.
Neue S4: Die Bahn bleibt bei ihrem Standpunkt
Bahnsprecher Peter Mantik: „Die Vorwürfe werden seit Jahren von dieser Bürgerinitiative erhoben und wurden von uns mehrfach widerlegt. Am Standpunkt der DB hat sich nichts geändert.“
Die Bahn will auf der Strecke zwischen Hauptbahnhof und Ahrensburg zwei neue neben die beiden bestehenden Gleise bauen und für die neue S4 reservieren. Sie soll die Regionalzüge weitestgehend ersetzen und zugleich den Weg frei machen für den transeuropäischen Güterverkehr, der von Skandinavien kommend durch Hamburg in Richtung Süden geleitet werden soll. Die Kosten des Projekts werden mittlerweile auf 1,85 Milliarden Euro geschätzt. Gestartet war die Planung mal mit 345 Millionen.
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Physiker Harmsen: "Projekt vollkommen überdimensioniert"
„Spätestens seit 2016 ist mit Vorlage der Eisenbahnwissenschaftlichen Untersuchung auch der Bahn bekannt, dass nicht, wie 2010 in den Genehmigungsunterlagen angegeben, 120 Güterzüge täglich durch die Stadt fahren werden, sondern höchstens 56“, sagte Harmsen. „Das Projekt ist also vollkommen überdimensioniert.“
Die aktuell genehmigte Planung mit einem zweigleisigen Ausbau der Horner Kurve ist laut Harmsen auch eine Art Schildbürgerstreich. „Sie führt zu einer Kapazitätsminderung der Strecke Hamburg-Lübeck um 50%, da es zu Gleiskreuzungen kommt und entsprechende zeitliche Sicherheitsabstände zwischen den Zügen erforderlich werden. Nur deswegen muss der Regional- und Nahverkehr auf gesonderte Gleise verlagert werden.“ Seine These: Ohne diesen zweigleisigen Ausbau könnte der gewünschte S-Bahnverkehr mit geringfügigen, kostengünstigen Erweiterungen auf der bestehenden Strecke abgewickelt werden.
Marienthaler fühlen sich von der Stadt verschaukelt
„Die ganze Planung basiert auf falschen Zahlen und Behauptungen“, sagte Harmsen. Die Marienthaler fühlen sich auch von der Stadt verschaukelt. Dafür, dass der Güterverkehr durch die Stadt fahren dürfe, bezahle der Bund die S-Bahn fast allein. Er trägt 84 Prozent der Kosten.
Harmsen plädiert in der Nahverkehrsfrage für eine Kombination von Regionalbahnen und S4, um die schnelle Verbindung in die Stadt für diejenigen zu erhalten, die ins Zentrum wollen und nicht auf halber Strecke aus- oder umsteigen müssen. Die Regionalbahn ist deutlich schneller als die S4.
Scharfe Kritik kam auch gegen die beiden laut Bahn neu zu bauenden Bahnhöfe Bovestraße und Claudiusstraße, die im Abstand weniger hundert Meter am Wandsbeker Markt entstehen und den bestehenden Bahnhof Wandsbek ersetzen sollen. Er wird den Planungen zufolge abgerissen.
S4: Erst einer der drei Bauabschnitte genehmigt
Im Vorfeld des Baustarts hatte die Bahn im Rahmen vorbereitender Maßnahmen bereits zahlreiche Bäume im Wandsbeker Gehölz und auf Grundstücken entlang der Bahnlinie gefällt. Laut Harmsen gern auch mal ohne Genehmigung. Es wurden mehrere Strafanzeigen erstattet. Die Bahn wehrte sich mit Platzverweisen und wies alle Anschuldigungen zurück.
„Wir freuen uns auf den Baustart und schaffen mit der S4 eine moderne, umweltfreundliche Schiene, die zur neuen Nahverkehrsader zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein wird“, sagte Mantik. „Auch wird es leiser für die Menschen. Dank der S4 werden 45 Kilometer Schallschutzwände gebaut.“
Von den drei Bauabschnitten zwischen Hauptbahnhof und Ahrensburg ist erst einer genehmigt. Zwei weitere Planfeststellungsbeschlüsse stehen aus. Und auch für diese Genehmigungen, wenn sie denn erfolgen sollten, haben Anwohner Klagen angekündigt. Die Bahn ficht das nicht an. Sie baut schon jetzt, weil eine Genehmigung da ist. Das sei „üblich“, hieß es zur Begründung.