Hamburg. Das “Virus-Institut“ am UKE war nach ihrem Mann Heinrich benannt. Dabei leistete die Wissenschaftlerin Erstaunliches.

Irene Langhein ist jetzt 90. Vereidigte Buchprüferin und Steuerberaterin, Kanzlei am Grindel. Natürlich arbeitet sie noch. Ihre drei Söhne arbeiten ja auch. Zwei sind Wirtschaftsprüfer wie ihr Mann es war, der vor drei Jahren starb. Einer ist Rechtsanwalt.

Über ihre Mandanten darf Irene Langhein nichts sagen. Von einem aber und seiner Frau muss sie einfach jetzt berichten, denn: „Es geht darum, dass mal wieder die Lebensleistung einer Frau heruntergespielt werden soll.“ Das Paar waren Edith und Heinrich Pette. Die Geschichte mit der Nazi-Vergangenheit des Neurologen und großen Forschers Heinrich Pette ist das eine. Die Arbeit seiner Frau beim Aufbau des weltbekannten virologischen Instituts am UKE, die als Ärztin und später als Mitforscherin ebenfalls zu wissenschaftlichem Ruhm gelang, kommt der Zeitzeugin aber zu kurz.

Irene Langhein sagt: „Es hätte einfach nur Pette-Institut heißen sollen. Denn sie hat für die Gründung fast täglich bei Hamburger Firmen um Spenden geworben, hat Geld von Reemtsma lockergemacht und hat andere Ärzte kontaktiert, um gemeinsam an diesem Virus-Institut zu forschen. Er hat ja nur geforscht.“

Heinrich Pette und das Institut: "Er hat ja nur geforscht ..."

Für das „Virus-Institut“ an der Martinistraße in Eppendorf hat Langhein in den 1950er-Jahren „die Steuer gemacht“: Löhne ausgezahlt für die Handvoll Angestellte, die Bücher geführt. „Edith Pette hat das Institut in Gang gebracht, sie war die Managerin. Sie lebte für das Institut über ihre Pensionierung hinaus. Er war halt Prof.“

Nachdem die Pettes wieder gemeinsam forschten, erhielt auch die promovierte Ärztin eine Professur. Während er bereits in den 1920er-Jahren am Gelehrtenhimmel emporstieg, bekam sie vier Kinder. In biografischen Angaben des Sohnes Dirk Pette über die beiden ist zu lesen, dass sie ihm Zusammenfassungen der wissenschaftlichen Literatur aufbereitete, damit er nicht alles zu lesen brauchte, was in seinem Forschungsfeld veröffentlicht wurde.

Edith Pette begründete das Institut und forschte zu Multipler Sklerose

Edith Pette machte sich später auch einen Namen als Erforscherin der Multiplen Sklerose. Heinrich Pette hatte mit seinen Arbeiten zur spinalen Kinderlähmung für Aufsehen gesorgt – auch beim späteren Geldgeber für das Institut, Philipp Fürchtegott Reemtsma, dessen Sohn daran starb. Heinrich Pette arbeitete an einer wegweisenden Impfung.

Doch Pette war offenbar in der NS-Zeit auch ein willfähriger Nazi-Unterstützer gewesen, wie ein historisches Gutachten ergeben hat, das das Heinrich-Pette-Institut selbst in Auftrag gegeben hat (das Abendblatt berichtete). Pette trat früh in die NSDAP ein (am 1. Mai 1933), gilt trotz seiner Ergebenheitsadressen an Hitler im Kreis der Professoren bisher aber nur als „Mitläufer“. Von den Verbrechen der Euthanasie hat er laut Gutachten gewusst, war aber nicht an der Ermordung von Kranken beteiligt.

Gutachten: Pette-Institut legt Namen ab

In mehreren Fällen sprach er sich für die Sterilisation zum Beispiel von psychisch Kranken aus, weil diese Leiden „erblich“ sein könnten, und wurde so der Nazi-Ideologie gerecht. Anfang April dieses Jahres erklärte der Direktor des Heinrich-Pette-Instituts, Prof. Wolfgang Dobner: „Mit Blick auf eine zukunftsgerichtete und internationale Ausrichtung, erscheint der großen Mehrheit von uns der Name ‚Heinrich Pette‘ für das Institut als nicht mehr angemessen und kompatibel.“

Die Einrichtung heißt jetzt nur noch Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie. Die Historiker Axel Schildt (inzwischen verstorben) und Malte Thießen hatten in ihrem Gutachten anhand von Originalakten, Dokumenten, zweifelhaften Aussagen von Pette und mithilfe einer Fülle an Literatur ermittelt, wie Pette während der Nazi-Herrschaft weiter Karriere machte. Sie schrieben: „Pette tat sich nicht als überzeugter und fanatischer Nationalsozialist und Fürsprecher nationalsozialistischer Erbgesundheitspolitik hervor. Er war jedoch entgegen seiner Verlautbarungen kein ausgewiesener Regimegegner.“

Edith Pette und ein wegweisender Abendblatt-Artikel

Im Entnazifizierungsverfahren nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich viele Persönlichkeiten für den Hamburger Professor ins Zeug geworfen. Seine Ehefrau Edith fungierte ebenfalls als Zeugin.

Heinrich Pette starb im Jahr 1964 in Meran, hochdekoriert als Wissenschaftler und Wegbereiter der Virologie und der Impfungen. Seine Frau Edith starb 1972. Und das Hamburger Abendblatt hat bereits 1966 auf der Titelseite im „Menschlich gesehen“ festgehalten, was Edith Pettes Steuerberaterin Irene Langhein im Jahr 2021 so vehement verteidigt: Sie sei „nicht nur der Schatten ihres berühmten Mannes“ gewesen, heißt es hier. Professorin, Vorstand im Institut, gar „die Seele“ der Forschungseinrichtung. Edith Pette habe eine „beneidenswerte Vitalität“. Und ihr Mann, hieß es im Abendblatt-Text, habe einen Satz geprägt, der heute auch Irene Langhein gefallen könnte: „Geholfen hat mir vor allem meine Frau.“