Hamburg. Wie es ist, Mitglied einer bekannten Familie zu sein und wieso alle Berichte über sein Vermögen falsch sind: Frank Otto im Gespräch.

Wer im Internet seinen Namen eingibt, findet fast ausschließlich Berichte über eine Beziehung zu einer jüngeren Frau – und könnte den Eindruck bekommen, dass Frank Otto eine besondere Beziehung zur glamourösen Welt des Boulevards hat. Hat er aber gar nicht. Die Themen, die eines der fünf Kinder von Versandhausgründer Werner Otto interessieren, sind völlig andere.

Er engagiert sich für die Deutsche Meeresstiftung, Viva con Agua und die Hamburger Klimawoche, unterstützt Lesen ohne Atomstrom und viele Kulturinitiativen. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ erzählt Otto, wie es ist, Mitglied einer Familie zu sein, die nicht nur in Hamburg jeder kennt, warum er erst nicht Unternehmer werden wollte – und wieso Geldverdienen nie ein Motiv für ihn sein konnte.

Frank Otto über …

… das große Interesse der (Boulevard-)Medien an seinem Privatleben:

„Den Boulevardmedien geht es darum, das Alltägliche, insbesondere das Beziehungsleben von bekannten Persönlichkeiten, möglichst so darzustellen, dass viele Menschen damit etwas anfangen können. Ich nehme das einfach so hin.

Ich bin ja selber Medienmann und weiß, welche Diskussionen es gibt, wenn es um Quoten geht. Es geht nicht immer nur um die Wahrheit oder um die Themen, die mir als Mensch wirklich wichtig sind. Das bringt meine Herkunft, die ja ansonsten auch viele Vorteile hat, als Schattenseite mit, das muss man wissen und damit leben lernen.“

… die Frage, wann er wahrgenommen hat, dass er zu einer besonderen Familie gehört:

„Als Kind nimmt man nicht wahr, dass man aus einer wohlhabenden Familie kommt. Ich habe zwar gewusst, dass es behütete Kinder und Schlüsselkinder gab, aber ich fand die Schlüsselkinder viel spannender. Meine Kindheit habe ich auf der Grenze zwischen Hochkamp und Osdorf verbracht, aber wer woher kam, spielte für mich nie eine Rolle.

Erst auf dem Gymnasium ist mir bewusst geworden, dass andere mit meinem Namen und meiner Familie etwas besonderes verbinden. Denn auf einmal wurde es bedeutend, welche Noten ich in den Mathearbeiten schreibe. Die Erwartungshaltung war: Wenn der Vater offensichtlich so gut rechnen und solche Unternehmen aufbauen kann, dann muss der Sohn auf jeden Fall ein Mathegenie sein.“

Der Fragebogen, der unsterblich macht

... Frank Ottos Verhältnis zu Geld:

„Für mich war das Materielle als Jugendlicher und junger Mann nie so wichtig. Es war eine andere Zeit. Ich habe mich immer schon als Spitzwegs „Armen Poeten“ gesehen, und mir war früh klar, dass es in meinem Leben noch etwas anderes geben und um etwas anderes gehen müsste als ums Geldverdienen. Und, ja: Ich muss nicht reich werden. Es reicht, wenn ich nicht arm werde. Bis heute spielen bei meinen Geschäften immer persönliche Interessen die entscheidende Rolle. Das Motiv, dass ich noch mehr Geld verdienen möchte, scheidet aus. Es würde auch überhaupt nicht bei mir passen.“

… die Entscheidung, nicht in eines der Familienunternehmen zu gehen:

„Mein Vater hat von uns Jungs schon erwartet, dass wir ins Unternehmen gehen, insofern habe ich ihn etwas enttäuscht. Aber er hatte als junger Mann selbst den Wunsch, Schriftsteller zu werden, die Romane, die er geschrieben hat, sind auf der Flucht nach Hamburg verloren gegangen oder beschlagnahmt worden. Deshalb war bei ihm ein gewisses Grundverständnis da, als ich ihm gesagt habe, dass ich mich als Künstler ausprobieren will.

Überzeugt war er erst davon, als er meine Bilder gesehen und mit anderen Leuten darüber gesprochen hat. Da wusste er, dass das der richtige Weg für mich war. Für mich wäre das Leben als Konzernchef nichts gewesen, dafür muss man gemacht sein, das muss man wollen. Ich beneide meine Brüder da gar nicht, und ich gönne ihnen zugleich alles. Ich brauchte und brauche meine Freiheit und die Nähe zur Kunst.“

… die Entscheidung, ein eigenes (Medien-)Unternehmen aufzubauen:

„Mein Vater war ganz rührend, als ich dann doch mit der Gründung von OK Radio begann, Medienunternehmer zu werden. Er gab mir Ratschläge oder schickte mir Zeitungsausschnitte zu. Und eines Tages gab es dann den für mich ganz besonderen Moment, als er mich anrief und sagte: „Weißt du was, mein Junge? Ich glaube, von deinem Geschäft verstehst du mehr als ich.“ Das von so einem Unternehmer zu hören, der zufällig mein Vater war, war großartig.“

… das Umweltbewusstsein Frank Ottos und seine Rolle als Aktivist:

„Ich glaube, dass mein Vater da eine wichtige Rolle gespielt hat. Er hat das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ vom Club of Rome sehr ernst genommen, er hielt auch nicht viel von Atomkraft. Das hat auf uns Kinder abgefärbt. Mein Bruder Michael engagiert sich unglaublich stark in seiner Umweltstiftung, ich würde mich als Aktivist bezeichnen. Ich gehe immer an die Stelle, wo die Dinge nicht so fertig sind, wo es noch etwas schwieriger ist, sich zu engagieren. Dort engagiere ich mich, und zwar sowohl finanziell als auch persönlich. Mein Geld gibt es immer nur mit mir zusammen.“

… den Kampf der Künstler in der Pandemie:

„Künstler haben immer den Ehrgeiz, ihr Leben allein hinzukriegen, ohne finanzielle Hilfe von anderen, deshalb sind sie auch oft Lebenskünstler. Musiker, bildende Künstler und alle, die an der Kultur hängen, leiden in der Pandemie natürlich darunter, dass ihnen die Einnahmen wegbrechen.

Vor allem leiden sie aber psychisch, weil sie das Gefühl haben, nicht gebraucht zu werden. Immer wenn es um existenzielle Fragen geht, wenn irgendwo gespart werden muss, fällt vielen Menschen zuerst Kultur ein. Ich halte das für einen Fehler. Leider wird der Kultur nicht im selben Maße eine Systemrelevanz unterstellt wie etwa dem Profi-Fußball.“

… den Klimawandel:

„Die Pandemie macht uns doch deutlich, wie die globalen Zusammenhänge sind. So, wie wir von dem Virus weltweit betroffen sind, sind wir auch vom Klimawandel weltweit betroffen. Deshalb müssen wir umdenken und gemeinsam etwas dagegen tun. Das Belohnungssystem unserer Gesellschaft muss ein anderes werden. Unternehmen müssen dafür belohnt werden, nachhaltig zu sein, und nicht dafür, hohe Profite auf Kosten der Umwelt zu machen. Raubbau an der Natur wurde in der Vergangenheit belohnt, das muss sich grundlegend ändern.“

… Lesen ohne Atomstrom:

„Wir haben das damals als Gegenmodell zu den Vattenfall-Lesetagen gegründet. Inzwischen haben wir die überlebt und wollen so lange weitermachen, bis das letzte Atomkraftwerk in Deutschland abgeschaltet ist, damit bloß niemand auf die Idee kommt, dass das irgendwie doch eine Alternative wäre.

Mein Bruder Michael hat auch schon zweimal bei Lesen ohne Atomstrom mitgemacht, worauf ich sehr stolz war. Aber normalerweise macht jeder, was unser Engagement für die Umwelt angeht, sein eigenes Ding. Man muss dazu auch wissen, dass wir gar nicht geschwisterlich aufgewachsen sind. In dem Augenblick, in dem ich bewusst denken konnte, so mit drei, vier Jahren, war Michael schon aus dem Haus.“

… die eigenen Kinder:

„Ich habe meinen Kindern mein Leben vorgelebt und spüre, dass ihre Wünsche nicht weit von denen entfernt sind, die ich früher hatte und bis heute habe. Sofern sie Interesse hätten, in eines meiner Unternehmen einzusteigen, würde ich sie dabei natürlich unterstützen.“

… das Vermögen der Familie Otto:

„Alle die, die Berechnungen über das Vermögen von Unternehmerfamilien anstellen, wissen viel zu wenig. Insofern kann ich sagen: Ganz gleich, was für Zahlen da genannt werden, sie sind falsch.“