Hamburg. Warum der Vorsitzende des DSV das Verbot beim Jugendsport sogar als Teil des Problems bei der Corona-Pandemie sieht.

Auch an diesem Sonntag wird Oliver Stork wieder vier Stunden lang auf dem Sportplatz stehen. Die Wettervorhersage – vier Grad, die sich wegen Schauern und Nordostböen wie ein Grad anfühlen sollen – interessiert den Ersten Vorsitzenden des Duvenstedter SV (DSV) nicht. Er handelt aus Überzeugung. Und als Trainer einer Fußball-B-Jugend-Mannschaft muss er für sein Team einfach da sein, findet er.

Bevor Corona den Breiten- und Vereinssport im vergangenen Oktober zum zweiten Mal lahmlegte, konnte Stork noch mit allen 18 Spielern zweimal pro Woche trainieren. Seitdem trainiert die Mannschaft nur noch in Zweierpärchen. Größere Gruppen sind nicht erlaubt. "Wenn wir am Wochenende normalen Spielbetrieb hätten, wäre ich auch auf dem Sportplatz. Für mich ist das keine Last, sondern eine große Lust, das tun zu können", sagt Stork über den enormen Zeitaufwand.

Trainingsmöglichkeiten auf Minimum begrenzt

Im Gegensatz zu den Nominierten der Hamburger Sportgala #digital, die als Profisportler am 13. April von der Stadt und dem Abendblatt geehrt werden (siehe Infokasten), sind die Trainingsmöglichkeiten im Vereins- und Breitensport auf ein Minimum begrenzt. "Wenn ich wenigstens vier oder fünf Spieler hätte, gebe es zehnmal so viele Übungen", klagt Stork, der bei der Sportgala digital zu Gast sein wird.

Der DSV-Vorsitzende schätzt, dass zurzeit nur 25 Prozent aller Mitglieder des Vereins aktiv Sport machen. Abgesehen von diversen Onlinekursen treffe es die jüngeren Fußballer dabei noch am besten. Bis zum Alter von 14 Jahren ist Sport im Freien in Zehnergruppen erlaubt. „Für die ist das teilweise auch ein bisschen schräg, weil das Geburtsdatum entscheidet. Sobald einer seinen 14. Geburtstag feiert, darf derjenige plötzlich nicht mehr mitmachen“, erklärt Stork.

Sportgala #digital

Die Nominierten am Dienstag, dem 13. April (19 bis 20 Uhr/Livestream auf abendblatt.de):

Sportler: Philipp Buhl (Segeln, WM-Gold), Torben Johannesen (Rudern, EM-Gold), Peter Kadiru (Boxen, deutscher Meister).

Sportlerin: Noma Noha Akugue (Tennis, deutsche Hallenmeisterin), Thuc Phuong Nguyen (Badminton, Junioren-EM-Gold im Mixed), Sylvia Pille-Steppat (Pararudern, EM-Bronze).

Die Mannschaft des Jahres wird live im Online-Voting gewählt.

Syllan Bockwoldt, Jugendreferentin des Vereins, sorgt sich insbesondere um den Nachwuchs. „Außer in der Schule haben die meisten Kinder kaum soziale Kontakte. Viele Eltern fragen bei mir nach, wann es endlich wieder losgeht. Leider kann ich denen dann keine Antwort geben“, sagt Bockwoldt.

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Mitte Januar wurde der DSV beim Bundeswettbewerb „Goldene Sterne des Sports“ für seine Jugendarbeit mit dem dritten Platz ausgezeichnet. „Es war eine tolle Auszeichnung und ein Lichtblick, um etwas Positives aus der schweren Zeit zu ziehen. Trotzdem ersetzt das nicht den Sport. Viele Kinder, die jetzt wegfallen, sehen wir im Zweifel nie wieder“, warnt Bockwoldt. In den vergangenen 25 Jahren erreichte der DSV rund 95 Prozent aller im 6500 Einwohner zählenden Stadtteil lebenden Kinder und Jugendlichen mit seinen Angeboten.

Nur 50 Neuzugänge beim DSV

Und heute? „Zurzeit droht für uns eine ganze Generation verloren zu gehen“, sagt Stork. Normalerweise treten pro Jahr zwischen 200 bis 250 Menschen in den Verein ein. 2020 waren es magere 50. „Und unter den 50 Eintritten war kein einziges Kind dabei. Die Kinder unter sechs Jahren müssen wir eigentlich für den Verein gewinnen. Für die sind wir aber seit über einem Jahr nicht da“, sagt Stork.

Normalerweise halte sich die Zahl der Ein- und Austritte in einem Jahr die Waage, berichtet Stork. Als Ende Dezember aber doppelt so viele Mitglieder wie zu normalen Zeiten aus dem Verein austraten, geriet dieses Gleichgewicht zusätzlich ins Wanken. Vor Corona hatte der DSV rund 1100 Mitglieder, heute sind es nur noch knapp über 900. „Ich schätze, dass uns ein bis zwei Eintrittsjahrgänge, also 150 bis 200 Kinder, fehlen“, sagt Stork.

DSV: Sport in Hamburg muss wieder möglich werden

Dass der Jugendsport zurzeit weitestgehend verboten ist, hält er zudem nicht für die Lösung, sondern einen Teil des Problems. "Die Jugendlichen dürsten danach, irgendetwas machen zu dürfen. Das Verbot bedeutet nicht, dass sich die Jugendlichen nicht trotzdem treffen. Nur, dass es dann keinen Sportverein gibt, der auf Abstand und Hygiene achtet. Die aktuellen Regeln sind Kokolores und gehen an einer lebensnahen Betrachtung total vorbei", findet Stork.

Finanziell sei der Duvenstedter SV wegen seiner ehrenamtlichen Strukturen nicht unter Druck, berichtet der Vorsitzende. „Die Politiker schwärmen immer von den finanziellen Unterstützungen, die es gibt. Dafür kommen wir aber gar nicht infrage“, ärgert er sich. „Wir wollen aber gar kein Geld. Wir wollen einfach die Chance bekommen, unsere Sportlerinnen und Sportler wieder Sport machen lassen zu dürfen – Punkt.“