Hamburg. Profitorientierte Verkäufer von Wohnungen dürfen kaufen, altehrwürdige Genossenschaften nur pachten. Sie laufen jetzt Sturm.

Der Streit um das Erbbaurecht ist neu entbrannt. Beim für die laufende Legislaturperiode neu zu schließenden „Bündnis für das Wohnen“ wollen es die Wohnungsbauunternehmen nicht hinnehmen, dass sie künftig zum Bauen in der Regel nur Pachtland von der Stadt bekommen sollen.

Insbesondere die Genossenschaften, die für bezahlbaren Mietwohnungsbau stehen, fühlen sich damit zurückgesetzt gegenüber Investoren, die auch weiterhin auf städtischen Flächen Eigentumswohnungen bauen und teuer verkaufen – samt Grund- und Bodenanteil. Wie am Barmbeker Mesterkamp.

Der Senat hat sich 2019 entschieden, Grundstücke grundsätzlich nicht mehr zu verkaufen, sondern auf in der Regel 99 Jahre per Erbbaurecht zu verpachten. „Je größer, je zentraler und je stärker die Fläche mit vorhandenem städtischem Besitz verknüpft ist, desto eher wird zukünftig ein Erbbaurecht bestellt werden“, heißt es im Beschluss. Jeder Einzelfall wird in der Kommission für Bodenordnung der Finanzbehörde entscheiden. Die Entscheidung zum Mesterkamp stieß auf Unverständnis.

Grundstücke: Misst Hamburg mit zweierlei Maß?

„Ausgerechnet diejenigen, die die dringend benötigten bezahlbaren Wohnungen bauen, sollen gegenüber rein profitorientierten Investoren benachteiligt werden? Wenn schon Erbbaurecht, dann gleiches Recht für alle“, sagt Andreas Breitner, Direktor des Verbands Norddeutscher Wohnungsbauunternehmen (VNW). Er vertritt 396 in erster Linie genossenschaftlich organisierte Unternehmen.

Der Mesterkamp steht für den 2019 überplanten früheren Busbetriebshof südlich der Weidestraße. Insgesamt 450 Wohneinheiten sollen rund um das Dominikanerkloster St. Johannis entstehen. Das städtische Grundstück wurde dafür geteilt und Investoren angeboten. Viele Wohnungsbaugenossenschaften wurden berücksichtigt, kamen aber aufgrund der neuen Bodenpolitik der Stadt ausschließlich auf der Basis von Erbpachtverträgen an Grundstücke. Aber in zwei Fällen war alles anders.

Für den Bau von 56 Eigentumswohnungen wurden zwei Grundstücke eben doch verkauft. Das bestätigte der Senat in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Jörg Hamann. Als Begründung für diese scheinbare Inkonsequenz verwies der Senat auf die Ausschreibung der Grundstücke, die die Stadt allerdings selbst formuliert hatte.

Erbbaurecht: Unternehmen sind unzufrieden

„Es kann nicht sein, dass ständig vom Vorrang für bezahlbares Wohnen gesprochen wird, aber dann, wenn es konkret wird, jene bevorzugt werden, denen es vorrangig um Rendite geht“, sagt Breitner. Tatsächlich hatte die Stadt ihre bodenpolitische Wende hin zum Erbbaurecht damit begründet, sich so Einfluss auf den Boden und letztlich die Höhe der Mieten sichern zu wollen.

Vor allem aber, so die Wohnungswirtschaft, sichert sich die Stadt damit ein Einkommen, das regelmäßig wächst. Der Pachtzins werde angepasst, wenn die Grundstückspreise steigen. Für die Unternehmen dagegen verteuere das Erbbaurecht die Kredite und schaffe Unsicherheit, wenn die Verträge auslaufen und verlängert werden müssen. Zwar beteuert der Senat immer wieder, das Erbbaurecht attraktiver gestaltet zu haben, aber die Unternehmen sind trotzdem unzufrieden.

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Aus Kreisen der Immobilienbranche verlautete, dass freie Wohnungsunternehmen in der Regel nicht bauen, wenn sie den Boden nicht kaufen können. Sie folgen der Rendite und gehen woanders hin. Genossenschaften dagegen gelten als relativ ortsgebunden und sind deshalb deutlich abhängiger von der Bodenpolitik der Stadt. Sie können nicht einfach ins Umland ausweichen, sondern allenfalls entscheiden, nur noch auf eigenem Grund nach zu verdichten und ansonsten den Bestand zu pflegen.

Die Finanzbehörde hält Ungleichbehandlung nicht für problematisch

Will die Stadt also am Drittelmix festhalten, also auf eigenen Grundstücken sowohl geförderte als auch frei finanzierte sowie Eigentumswohnungen in ein neues Quartier bringen, muss auch sie dem Markt gehorchen und kann die Vergabe per Erbpacht nicht überall durchsetzen. Die Finanzbehörde weiß das auch. „Erbpacht ist für die Eigentumsbildung von Familien mit Kindern nicht attraktiv, weil hier typischerweise die Möglichkeit der späteren Vererbung eine tragende Rolle spielt, welche dann auf die Restlaufzeit des Erbbaurechts begrenzt wäre“, erklärte sie auf Nachfrage.

Breitner: „So wie es am Mesterkamp läuft, geht das Ganze einseitig zu Lasten der Vermieter, die die Mieten niedrig halten. Das ist keine gute Entwicklung.“ Die VNW-Unternehmen bieten seit gut 100 Jahren bezahlbaren Wohnraum an und nehmen nach eigenen Angaben eine Durchschnittsmiete von 6,04 Euro netto kalt pro Quadratmeter. Allerdings ist diese niedrige Durchschnittszahl vor allem auf die hohe Anzahl von Bestandswohnungen aus Tagen moderater Baupreise zurückzuführen.

Die Finanzbehörde hält die Ungleichbehandlung nicht für problematisch. Genossenschaften hätten einfach ein anderes Geschäftsmodell. Sie könnten sich aber auch für den Kauf von Baufeldern bewerben, auf den Eigentumswohnungen entstehen sollen, erklärte die Behörde. In den letzten Jahrzehnten haben diverse Gesetzesänderungen die Genossenschaften de jure zu normalen Wohnungsbauern gemacht. Einige nutzen es, viele nicht. Auch die Gemeinnützigkeit haben sie längst verloren.

Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) dessen Hamburger Landesverband 230 Unternehmen vertritt, sieht die Entwicklung gelassen. Es gebe keinen Streit um das Bündnis für Wohnen, hieß es da, man diskutiere ergebnisoffen.