Hamburg. Verleumdung, Beleidigung, Cybermobbing und rassistische Attacken gegen Hamburger, weil er gegen das Coronavirus geimpft wurde.
Knapper Corona-Impfstoff und prominente Fälle von Impf-Moglern führen auch in Hamburg zu einer neuen Form von Kampagne. Einer der Betroffenen einer solchen Kampagne will sich jetzt juristisch wehren und gegen den Autor der Verdächtigungen Anzeige erstatten. Es geht um Verleumdung, Beleidigung, Cybermobbing und rassistische Attacken.
Der Mitarbeiter der Poppenbütteler Pflegeeinrichtung Hospital zum Heiligen Geist, Nizar Müller, wird in einem Schreiben an den Vorstand verdächtigt, die Impfreihenfolge zu seinen Gunsten umgangen zu haben. Tatsächlich wurde Müller bereits gegen das Coronavirus geimpft, wie er dem Abendblatt bestätigt: Als Mitarbeiter einer der größten Pflege- und Senioreneinrichtungen in Hamburg sei das in Einklang mit den geltenden Regeln gewesen. Der Vorstand der Einrichtung hat sich ebenfalls impfen lassen, auch um ein Zeichen für impfskeptische Pflegemitarbeiter zu setzen, wie es hieß.
Erste Einrichtung, in der in Hamburg geimpft wurde
Im Hospital zum Heiligen Geist hatte es im vergangenen Jahr Corona-Ausbrüche gegeben. Die Einrichtung war die erste, in der in Hamburg Menschen geimpft wurden. Die ersten Spritzen setzte Ende Dezember der heutige medizinische Leiter des Impfzentrums, Dr. Dirk Heinrich, unter öffentlicher Beobachtung von Bürgermeister Peter Tschentscher und zahlreichen Medienvertretern. Müllers Kritiker meinen, er hätte auf die Impfung verzichten sollen. Er arbeite nicht unmittelbar in der Betreuung.
Im Hospital zum Heiligen Geist leben rund 1200 zum Teil schwer pflegebedürftige Seniorinnen und Senioren in verschiedenen Wohnformen. Rund 900 Mitarbeiter kümmern sich um die Bewohner des acht Hektar großen Geländes am Alsterlauf.
Müller ist Vorstand des Sportvereins Oberalster
Der Hintergrund der Anschuldigungen gegen Müller (41) liegt tiefer. Als Vorstand des Sportvereins Oberalster steht er im Mittelpunkt einer bizarren Auseinandersetzung mit sogenannten Vereinsrebellen um die Zukunft des traditionellen Wassersport- und Tischtennisclubs. Außerdem geht es um eine Laufveranstaltung und den Neubau des Vereinshauses.
Müller wurde vor zwei Jahren einstimmig zum neuen Oberalster-Vorsitzenden gewählt und hat seitdem nach eigenen Angaben unter anderem die Digitalisierung vorangebracht und moderne Sportarten wie Stand-up-Paddling gefördert. Der Verein erhielt auch Gelder der Alexander-Otto-Stiftung für seine Projekte.
Vorwurf: Müller agiere eigenmächtig
Müller habe nicht alle Mitglieder mit seiner Vorgehensweise mitgenommen, wird ihm zum Vorwurf gemacht. Er agiere eigenmächtig, lautet einer der Vorwürfe. „Das stimmt nicht“, sagte Müller dem Abendblatt. Einige Mitglieder betreiben seine Abwahl auf einer Mitgliederversammlung. Deren Termin, so der Vorwurf, werde wegen Corona hinausgezögert.
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Schwer wiegt der Austritt einer Mitgliedergruppe, die eine alternative Vereinsseite im Internet betreibt. Dort wird der Vereinsvorsitzende Müller verunglimpft, seine Projekte werden kritisiert, er wird persönlich attackiert. Der Webauftritt nennt sich satirisch und zeigt beim Herunterscrollen als Comic eine wütende Figur mit dem Text „Der Kalif ist sehr, sehr böse“.
Vom Hanseatischen Oberlandesgericht wird derzeit noch eine Entscheidung darüber erwartet, ob eine „abtrünnige“ Läufertruppe den traditionellen Alstertallauf als eigene Marke eintragen lassen durfte. Oberalster und Müller wollten das verhindern und sind in erster Instanz mit diesem Vorhaben gescheitert. Das Urteil in zweiter Instanz steht noch aus.