Hamburg. Behörde spricht von “sehr positiven Rückmeldungen“. Etwa zwei Drittel der Bewohner und Mitarbeiter wollen Angebot annehmen.
Wohl nirgends ist der Bedarf an Corona-Impfungen höher als in den 150 Hamburger Alten- und Pflegeheimen – denn aktuell gibt es laut Martin Helfrich, Sprecher der Gesundheits- und Sozialbehörde, 744 Infektionen in mehr als 50 Einrichtungen und damit in mehr als jeder dritten. Auch nach der Impfstrategie des Bundes genießen die Pflegeheime die höchste Priorität.
Bis Donnerstag wurden 2271 Heimbewohner geimpft. „Wir gehen von rund 30.000 Impfberechtigten in den Pflegeeinrichtungen aus“, sagt Helfrich. Etwas mehr als die Hälfte, nämlich 16.000, beträgt allein die Zahl der Bewohner.
Helfrich verweist auf einen Beschluss der Ministerpräsidenten vom Dienstag, der besagt, dass bis spätestens Mitte Februar allen Bewohnerinnen und Bewohnern von stationären Pflegeeinrichtungen ein Impfangebot gemacht werden könne. Dies sei nicht zuletzt wegen der hohen Fallzahlen und der schweren Verläufe im Bereich dieser Einrichtungen ein wichtiges erstes Zwischenziel der Impfkampagne. „Das ist auch unsere Zielsetzung“, so der Sprecher.
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Zur Frage, ob es stimme, dass eine Reihe von Pflegekräften die Impfung ablehnt und damit sich selbst, aber auch die zu Pflegenden weiter dem Risiko einer Ansteckung mit Covid-19 aussetze, sagt Helfrich: „Wir erleben sehr positive Rückmeldungen. Am wichtigsten sind sicherlich die Bewohnerinnen und Bewohner – hier ist die Gefährdung und mithin auch die Schutzwirkung am höchsten. Wir sind froh, wenn wir alle der besonders gefährdeten älteren Menschen mit den beiden Dosen der Schutzimpfung in Sicherheit bringen konnten. Das wird auch das Infektionsgeschehen rapide verändern – denn ein hoher Anteil der aktuellen Infektionen geht auf die Einrichtungen zurück.“
Auch von den Beschäftigten gebe es positive Rückmeldungen. „Insgesamt sind es etwa zwei Drittel der Personen, die von dem Impfangebot Gebrauch machen wollen.“
Impfung: Einige Pfleger waren zunächst skeptisch
Katharina von Croy, Sprecherin des Regionalverbands Nordwest des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) sagte dem Abendblatt: „Wir bekommen vereinzelte Rückmeldungen von Mitgliedern, aber wie die Situation der Impfbereitschaft generell ist, kann ich nicht sagen. Es gab erhebliche Skepsis bei den Pflegenden, wir beobachten, dass sich das ein bisschen gedreht hat. Wenn die Impfteams da sind, überlegen sich manche Mitarbeiter doch kurzfristig, sich impfen zu lassen.“
Die allgemeine Situation, die Überlastung, der Frust, weil Prämien nicht ausgezahlt worden, das Gefühl, in diesem frühen Stadium bei der Impfung Versuchskaninchen zu sein, sorge aber auch für Verunsicherung. „Die medizinische Vorbildung führt bei manchem dazu, dass er glaubt, die Impfung beurteilen zu können“, sagt von Croy.
Deutsches Rotes Kreuz organisiert Impfungen
Martin Sielaff, Geschäftsführer der Hamburgischen Pflegegesellschaft e.V., der Dachorganisation für Pflegeeinrichtungen, sagt ebenfalls, es gebe keine belastbaren Zahlen zur Impfbereitschaft der Pflegekräfte. „Wir glauben aber, dass Pflegekräfte auch ihre Familien schützen wollen und auch die, die sie pflegen.“
Corona-Impfungen in Hamburg gestartet
Im Hospital zum Heiligen Geist in Poppenbüttel beispielsweise sind die ersten 1300 verfügbaren Impfdosen bereits verabreicht worden. Mit 732 stationären Plätzen und rund 330 Mietern beim Wohnen mit Service (Betreutes Wohnen) und 900 Mitarbeitern ist die Alten-und Pflegeeinrichtung sehr groß. „Etwa 75 bis 80 Prozent der stationären Bewohner sind jetzt geimpft“, sagt Frank Schubert, der Vorstandsvorsitzende.
Der Termin für die zweite Impfdosis sei für die Tage vom 17. bis 19. Januar angesetzt. „Die Impfbereitschaft lag je nach Team zwischen 50 und 100 Prozent“, so Schubert. „Da wir als erste Einrichtung geimpft wurden und noch keine Erfahrungswerte vorlagen, gab es natürlich auch Ängste und Skepsis. Wir haben versucht, dem in gezielter Ansprache und auch mit Unterstützung unserer Hausärzte entgegenzuwirken und sind selber vorangegangen. Die Impfbereitschaft unserer Mitarbeitenden ist inzwischen weiter gestiegen.“ Derzeit gebe es glücklicherweise nur wenig akute Infektionsfälle im Hospital zum Heiligen Geist, weil alle Besucher in einem eigens eingerichteten Schnelltestzentrum einen Test machen müssen, ehe sie Angehörige besuchen dürfen.
Nach Angaben von Martin Helfrich hat die Sozialbehörde das Deutsche Rote Kreuz beauftragt, die organisatorische Abwicklung zu übernehmen. „Dort werden die Termine und Impfstofflieferungen und benötigten mobilen Teams disponiert. Wir fragen von dort aus bei den Heimen ab, wie viele Impfberechtigte und –willige es gibt, und planen entsprechend die Touren. Wir impfen – je nach Größe – in mehreren Einrichtungen pro Tag.“ Aber in zwei Wochen werde die logistische Herausforderung etwas größer: „Denn dann sind in den zuerst geimpften Einrichtungen die drei Wochen vorbei, nach denen eine weitere Dosis zu verabreichen ist – dann mischen sich in Planung und Durchführung die Erst- und die Folgeimpfungen, so Helfrich.
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Dr. Dirk Heinrich, Leiter des Impfzentrums Hamburg in den Messehallen, hat den Eindruck gewonnen, dass „in Heimen ein gewisser sozialer Druck besteht, sich impfen zu lassen“. Es gebe nur wenige Menschen unter den Bewohnern und Pflegekräften, bei denen es wegen einer Allergie gegen bestimmte Inhaltsstoffe nicht möglich sei, sie bislang zu impfen. „Da muss man auf einen anderen Impfstoff warten und hoffen, dass der Inhaltsstoff da nicht drin ist.“
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Martin Sielaff betont, wichtig sei auch, dass rasch klar werde, was mit nicht mobilen Pflegebedürftigen in den Stadtteilen geschehe, für die es derzeit nur die Möglichkeit gebe, Angehörige um Unterstützung zu bitten, um ins Impfzentrum zu gelangen oder sich etwas zu gedulden. „Wir haben das bei der Behörde angemahnt, denn ein Teil von ihnen bekommt ja ambulante Pflege.“ Man habe auch die Tagespflegeeinrichtungen im Blick, und „wir bemühen uns, dass mobile Teams dort hinkommen. Diese Idee ist noch nicht durchdekliniert.“
Der Bundesverband des DBfK empfiehlt den Pflegekräften – soweit nicht persönliche Gesundheitsrisiken dagegen sprechen – sich impfen zu lassen. Wenn sie das allerdings partout ablehnen, haben sie laut von Croy auch keine arbeitsrechtliche Konsequenzen zu erwarten: „Es gibt keine Impfpflicht und keine Weisungsbefugnis der Arbeitgeber.“
UKE hat mehr als 1000 Mitarbeiter bereits geimpft
Auch die Mitarbeiter in Krankenhäusern sollen in Hamburg bald den Corona-Impfstoff erhalten. Das UKE mit seinen etwa 13.600 Mitarbeitern hat am 30. Dezember und am 4. Januar bereits Fläschchen mit Impfstoff erhalten. Bis Mittwoch konnten nach Angaben von UKE-Sprecherin Saskia Lemm 1040 Mitarbeitende geimpft werden. Die restlichen Impfdosen wurden ihren Angaben zufolge gestern vollständig verimpft. „Die Nachfrage im Haus nach der Corona-Schutzimpfung ist hoch, die Impftermine für die bisherigen Impfstofflieferungen waren in kürzester Zeit ausgebucht“, so Lemm.
Nach Angaben der Gesundheitsbehörde wird die Planung zur Impfung in den Krankenhäusern derzeit mit diesen abgestimmt und sei von den Lieferungen abhängig, die Hamburg insgesamt erreichen. „Ein wichtiger Schwerpunkt wird in den kommenden Wochen auf den Pflegeeinrichtungen liegen. Das Ziel, hier in allen Einrichtungen bis Mitte Februar ein Angebot für die Schutzimpfung zu machen, ist angesichts der verfügbaren Gesamtmenge bereits fordernd“, sagt Martin Helfrich, Sprecher der Behörde.