Hamburg. Eine Schule und ein einst herrschaftliches Landhaus stehen seit mehr als zehn Jahren leer. Welche Chancen es für sie geben könnte.
Die beiden Häuser liegen in knapp zehn Kilometer Entfernung diesseits und jenseits der Elbe, haben aber viele Gemeinsamkeiten: Beide sind letzte Repräsentanten der Quartiere, die es um sie herum einmal gab, wurden im Backstein-Stil der Schumacher-Ära erbaut, sind denkmalgeschützt und in städtischer Hand. Und beide stehen seit Jahren leer, verwahrlosen zusehends und drohen zu verfallen.
Die 1913 erbaute Schule Neuhof etwa ist letzter Zeuge des einst lebendigen Gründerzeitviertels Neuhof, das für den Bau der Köhlbrandbrücke abgerissen wurde. Ihre rote Backsteinfassade wird durch die geometrische Anordnung großer Fensterflächen und eine zurückhaltende Ornamentik gegliedert. Zuletzt wurde sie zwischen 1990 und 2007 als Flüchtlingsunterkunft genutzt und dafür baulich entsprechend angepasst. Davon abgesehen ist das Baudenkmal jedoch unverändert.
Schimmel, Verwahrlosung und Vandalismus
Seit mehr als zehn Jahren lässt die Hafenbehörde HPA das alte Schulgebäude mittlerweile leer stehen – und gibt es Schimmel, Verwahrlosung und Vandalismus preis. „Letzte Woche erreichte mich die Nachricht, fünf Dachluken seien geöffnet und mehr als die Hälfte aller Scheiben eingeschlagen“, sagt Kristina Sassenscheidt. Die Geschäftsführerin des Denkmalvereins hat die alte Schule schon lange im Blick.
Ebenfalls im Fokus hat sie die 1923 errichtete Villa an der Autobahnauffahrt Bahrenfeld, die seit mehr als zehn Jahren leer steht und verfällt. Mit ihrer expressionistischen Backsteinarchitektur ist sie ein stilvolles Beispiel für die Landhausarchitektur der Elbvororte in den 1920er-Jahren – und charakteristisch für das historische Bild des ehemaligen Bauerndorfs Bahrenfelds, das rund um den Bahrenfelder Marktplatz noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts vorherrschte.
Die Bausubstanz leidet
Verwaltet wird die Villa, die im Inneren über drei große Wohnungen mit insgesamt rund 400 Quadratmeter Wohnfläche und überwiegend originaler Ausstattung verfügt, von dem städtischen Immobilienunternehmen Saga. Mittlerweile seien Heizungsanlagen und Elektroleitungen entwendet worden, weiß Denkmalschützerin Sassenscheidt. Zudem dringe laut Angaben aus der Nachbarschaft Wasser ins Dach ein, und das Gebäude durchfeuchte zunehmend.
Eine mögliche langjährige Zwischennutzung der Villa als Baubüro durch die Autobahngesellschaft soll nach Abendblatt-Informationen im vergangenen Jahr an „unrealistischen Mietforderungen“ der Saga gescheitert sein. Denkmalschützerin Sassenscheidt ist darüber empört. „Wenn Gebäude weder belüftet noch beheizt werden, leidet ihre Bausubstanz, und die späteren Sanierungskosten steigen.
Zunehmend knappe Wohn- und Gewerberäume
Selbst wenn aus baurechtlichen Gründen noch keine langfristige Nutzung möglich ist, sollte die Stadt daher temporäre Nutzungen ermöglichen – nicht zuletzt vor dem Aspekt zunehmend knapper Wohn- und Gewerberäume.“ Schließlich müsse die Stadt laut Denkmalschutzgesetz mit gutem Vorbild vorangehen und ihre Denkmäler instand halten und pflegen.
Die einst schmucke Bahrenfelder Villa, die bis 2010 an Bewohnerinnen und Bewohner eines Bauwagenplatzes vermietet war, hatte sogar eine Zeit lang zum Verkauf gestanden – gegen ein Mindestgebot von 463.000 Euro –, war dann jedoch von der Saga wieder vom Markt genommen worden. Laut Unternehmenssprecher Michael Ahrens war der Grund die „seinerzeit noch etwas unklare Situation bezüglich des geplanten Autobahndeckels“ – so wäre es möglich gewesen, dass das Grundstück etwa für sogenannte Deckelanker benötigt wird.
Auflage des Denkmalschutzamts
„Der in Aufstellung befindliche Flächennutzungsplan entlang der A 7 weist künftig für dieses Grundstück die Möglichkeit der Wohnnutzung aus, was die Konstellation rund um das Gebäude stark verändert“, so Ahrens. Daher prüfe die Saga nun weitere Entwicklungsmöglichkeiten. Aktuell befände man sich in Gesprächen mit Mietinteressenten.
Mittlerweile wird die Villa am Bahrenfelder Marktplatz durch einen Bauzaun gesichert, zudem hat die Saga nach eigenen Angaben im Januar die Sicherung der Fenster, die Instandsetzung der Regenrinnen und Entwässerung, das Entfernen von Graffiti sowie Arbeiten an den Außenanlagen beauftragt. Offenbar eine Auflage des Denkmalschutzamts. Denn auch dort hat man das Gebäude im Blick.
„Als eines der wenigen erhaltenen historischen Gebäude in dem durch den Autobahnbau stark in Mitleidenschaft gezogenen ehemaligen Ortskern von Bahrenfeld ist das Gebäude ein seltenes Dokument der Entwicklung des ehemaligen Bauerndorfs hin zum großstädtisch geprägten Stadtteil“, sagt Sprecherin Marianne Kurzer. Auch sie verweist auf die Entwicklungschancen, die die Villa durch den Bau des Autobahndeckels bekomme, und auf Mietverhandlungen der Saga.
Alte Schule könnte durch Köhlbrandquerung profitieren
Auch die alte Schule Neuhof könnte durch die für das Hafengebiet geplante Stadtentwicklung eine neue Chance
bekommen. „Die Schule liegt am Neuhöfer Knoten, der durch den Bau der Neuen Köhlbrandquerung ertüchtigt werden wird“, sagt HPA-Sprecherin Sinje Pangritz.
Lesen Sie auch:
- Das jahrelange Hickhack um die Hamburger Sternbrücke
- Wie geht die Stadt Hamburg mit ihrem historischen Erbe um?
- Altbau-Villen in Hamburg vor Abriss – der Bezirk gibt sich machtlos
Da die mit der Baustelle einhergehenden Beeinträchtigungen jedoch die Nutzungsmöglichkeiten des Gebäudes einschränken würden, fokussiere sich die HPA derzeit lediglich auf die Bestandssicherung und den Erhalt. Ein langfristig zu entwickelndes Konzept müsste die Lage der Schule in einem nicht hochwassergeschützten Bereich und in Nachbarschaft von Gefahrstoffbetrieben berücksichtigen. Diesbezüglich stehe die HPA in Kontakt mit dem Denkmalverein Hamburg.
„Wir würden uns natürlich sehr freuen, wenn die HPA alle Möglichkeiten ausschöpft, das Schulgebäude wieder in Nutzung zu bringen“, sagt Geschäftsführerin Sassenscheidt. „Vor allem aber ist es wichtig, die Mittel für die angesichts des fortgeschrittenen Verfalls dringend notwendige Sanierung bereitzustellen.“ Davon ist aber offenbar keine Rede bei der HPA. „Über die aktuellen Maßnahmen hinausgehende Investitionen sind derzeit nicht geplant“, so die Sprecherin.