Blankenese. Sechs Wohnhäuser sollen die Tankstellen-Ruine an der Elbchaussee ersetzen. Was der Architektenentwurf noch alles vorsieht.
Seit Jahren gammelt die ehemalige „Esso“-Tankstelle an der Kreuzung Elbchaussee, Schenefelder Landstraße, Manteuffelstraße und Mühlenberg vor sich hin. Einheimische und Besucher wundern und ärgern sich schon lange über den rapiden Verfall der Anlage und den zunehmenden Wildwuchs auf dem Gelände.
Gerade hier, beim traditionellen Entree des Stadtteils Blankenese, wünschen sich viele eine deutliche Verbesserung. Jetzt ist klar: An der verödeten Stelle werden bald neue Häuser entstehen, entworfen von dem Architekten-Team Sven Hidde und Laura Jahnke vom Büro B99.
Oberbaudirektor begrüßt den Architektenentwurf
In einem Architekturwettbewerb hatten sich Hidde und Jahnke mit ihrem Projekt „Sechs Häuser für Dockenhuden“ gegen mehrere Konkurrenten durchgesetzt. Ihr einstimmig angenommener Entwurf findet inzwischen breite Unterstützung: Oberbaudirektor Franz-Josef Höing goutiert ihn, ebenso wie Mitglieder des Bauausschusses des Bezirks Altona und die zuständige Verwaltung.
Der Entwurf, den das Abendblatt hier exklusiv vorab zeigt, ist sehr ungewöhnlich und vermutlich ganz anders, als ihn viele erwartet haben. Denn statt der mittlerweile üblichen Blockbebauung, die überall in Hamburg das Straßenbild prägt, sind die neuen Gebäude aufgelockert angeordnet und nicht sonderlich hoch.
Alle sechs Häuser sehen unterschiedlich aus
Und: Die sechs Häuser werden auf dem rund 5000 Quadratmeter großen Grundstück nicht einheitlich in der von vielen als eintönig empfundenen Würfelform gebaut, sondern sehen ganz unterschiedlich aus. Mit ausgeprägten Giebeln und Dächern wirken sie eher wie große klassische Stadthäuser, was die verschiedenen Farben noch unterstreichen.
Eines wird in zweiter Reihe hinter den anderen errichtet und ist der historischen Remisenbebauung nachempfunden, wie es sie vor Ort noch an vielen Stellen gibt. Auf diese Weise sollen sie, so die Architekten, „Lebendigkeit und urbanes Leben“ vermitteln.
Das wird noch dadurch deutlich gemacht, dass vier Gewerbeeinheiten geplant sind. Die Anlage besteht aus insgesamt 35 einzelnen Wohnungen mit völlig unterschiedlichem Zuschnitt. Dem Vernehmen nach gleicht keine der anderen.
Architekten wollen Dorfcharakter erhalten
Treffen mit Sven Hidde und Laura Jahnke in ihrem Büro an der Bernstorffstraße. Anhand von Entwürfen, Karten und Plänen erläutern sie ihre Motivation, der Elbchaussee am Anfang Blankeneses ein nicht gerade großstädtisches Gesicht zu geben. Es ist eine Idee, die auch bei dem Investor, der SAVVY Group GmbH mit Sitz in München, großen Anklang findet.
„Uns liegt das historisch Gewachsene dieses Dorfkerns am Herzen“, sagt Laura Jahnke. „Entsprechend wollten wir keine Abschottung und auch keine Siedlungsbebauung an dieser Stelle.“ Vielmehr müsse es darum gehen, die neuen Häuser optisch und stilistisch der direkt daran anschließenden Dorfstruktur anzupassen, um so eine einheitlichen kleinteiligen Charakter wieder herzustellen. „Das Dorf ist ja da“, sagt Jahnke und zeigt auf eine Flurkarte. „Nicht nur in seiner Struktur, sondern auch in vielen der noch erhaltenen Gebäude.“
In der Tat passen die Häuser, die auf dem Computerbild zu sehen sind, gut zu ihren künftigen Nachbargebäuden. „Den Investoren und uns geht es aber nicht darum, das Alte kitschig nachzubilden, sondern Verwandtschaft zum Bestehenden in einer Architektursprache von heute zu erzeugen“, sagt Sven Hidde. Um das möglichst treffend aufzugreifen, haben die beiden in der Geschichte von Dockenhuden und Blankenese recherchiert und unter anderem alte Pläne und Fotos gesichtet.
Bebauung soll Autos zum Abbremsen motivieren
Hidde und Jahnke sind auch sicher, dass diese Art der Bebauung – anders als ein großer abgeschlossener Block – die Autofahrer an dem viel genutzten Verkehrsknotenpunkt quasi automatisch zu einer langsameren Fahrweise motivieren wird. „Vereinfacht gesagt vermitteln die Häuser dass hier das Dorf Dockenhuden beginnt. Entsprechend hätten wir eine Art Magistralenbebauung im großen Maßstab hier ganz falsch gefunden“ so Hidde. Die Architektur solle vielmehr „den Straßenraum zurückerobern und den Dorfkern stärken“.
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In der nächsten Stufe werden einzelne Fassadenelemente und die Farbgebung noch weiter entwickelt. Insgesamt soll das Ensemble einen lebendigen und vielfältigen Eindruck vermitteln.
Tankstellen-Abriss noch in diesem Sommer?
Weiter geht es jetzt mit Formalien: Im nächsten Schritt wird der Bauvorbescheid gestellt. Der Abbruch der Tankstellen-Ruine könnte dann noch in diesem Sommer erfolgen. Die Tankstelle ist schon seit 2018 eine Ruine, nachdem Pächterin Monika Jäger den Betrieb nach rund 17 Jahren eingestellt hatte.
Über die künftige Nutzung hatte es in der Gegend immer wieder Spekulationen gegeben, die durch den langen Stillstand weiter befeuert wurden. Um die Planung für Interessierte noch deutlicher zu machen, plant das Architekten-Team noch innerhalb der kommenden Monate eine Ausstellung vor Ort.