Hamburg. Ob Alstertunnel oder Mönckebergstraße: Ein Blick in die Geschichte zeigt, wie sich Hamburger schon früher zur Wehr setzten.

Große Projekte werden in Hamburg nur selten einhellig positiv gesehen. Sehr oft gibt es schon nach Bekanntgabe der ersten Pläne lautstarke Proteste, oft in Form kurz- oder längerfristig gebildeter Initiativen. Der Bau der Fernwärmetrasse, die Verlagerung des Altonaer Bahnhofs, die Bebauung des Alsenplatzes, die Umgestaltung des Blankeneser Marktplatzes – das sind nur einige aktuelle an Initiativen gekoppelte Beispiele. Es wurde und wird für Moorburg gekämpft, für den Autobahndeckel, für die Sternbrücke, für alte Häuser – und gegen Fluglärm, Straßenverbreiterungen und Luftverschmutzung.

Was viele Hamburger nicht wissen: Auch vor mehr als 150 Jahren wurden Projekte oft von Protesten begleitet, und nicht selten gelang es auch schon damals, Bauvorhaben zu stoppen oder massive Änderungen bei der Planung durchzusetzen. Im Mittelpunkt standen dabei häufig – wie auch heute – mehr oder weniger tiefgreifende Veränderungen, die man als bedrohlich empfand – unter anderem, weil viele sie als Lärm- oder Schmutzquelle fürchteten oder eine negative Veränderung des Stadtbilds voraussahen. Hier einige Beispiele:

Hamburger protestierten gegen Eisenbahn

Schon als 1816 das erste Dampfschiff aus Cuxhaven nach Hamburg kam, gab es Gegenwind: Die Elbschiffer fürchteten sich vor der aufziehenden Konkurrenz, und die zuständigen Behörden versuchten (vergeblich), das Einlaufen des „Steamboats“ aus Angst vor Bränden zu verhindern.

Und als sich 1838 das „Provisorische Commitee“ anschickte, Hamburgs erste Eisenbahn (nach Bergedorf) zu bauen, protestierten viele Gruppen: Anwohner sorgten sich um ihre Gesundheit, Bauern um die ihrer Kühe, während Binnenschiffer, Spediteure und sogar Hufschmiede hohe Verdienstausfälle auf sich zukommen sahen. Geregelt wurde das Ganze schließlich durch ein Enteignungsgesetz von 1839, aber immerhin 60 Enteignungsverfahren mussten trotzdem gerichtlich geklärt werden.

Menschen wurden nicht in Stadtplanung eingebunden

Erst im Laufe der Zeit brachte man diese Proteste Einzelner dann immer organisierter vor. Der wichtigste Unterschied zu heute: Die Menschen wurden noch nicht offiziell, wie bei Bürgerdialogen unserer Tage, in die jeweiligen Planungen eingebunden und verbündeten sich nur selten in eigenen Initiativen. Vielmehr spannten sie Bürger- und Heimatvereine für ihre Interessen ein, die dann in ihrem Namen Petitionen einreichten oder als Delegationen bei den Behörden vorstellig wurden. Und auch Interessenverbände und die Presse wurden dafür ausgiebig genutzt.

Als private Investoren 1862 auf eigene Rechnung einen Damm mit einer Brücke in der Mitte von Uhlenhorst nach Harvestehude bauen lassen wollten, machten die Gegner des Plans in den „Hamburger Nachrichten“ mobil. In der Zeitung hieß es unter anderem, dass spätere Generationen auf die Anlage „beschämt als ein Product des Krähwinkeltums ihrer Eltern hinweisen müßten“. Ähnlich waren die Reaktionen, nachdem der Architekt F. W. Roesing ebenfalls 1862 Pläne für einen Alstertunnel vorgelegt und beworben hatte. Beide Projekte scheiterten – nicht zuletzt am Protest vieler Bürger.

Heimatschutzbewegung protestierte gegen Mönckebergstraße

Wie würde ein wichtiger Teil der Hamburger City heute aussehen, wenn sich die einflussreiche Heimatschutzbewegung mit ihren Plänen für die geplante spätere Mönckebergstraße um 1906 durchgesetzt hätte? Damals wurde eines der alten Gängeviertel abgerissen und stattdessen die neue Straße erbaut. Nachdem die Pläne für deren Randbebauung veröffentlicht waren, kritisierte eine einflussreiche Gruppe um den Pu­blizisten Paul Bröcker und den Architekten Fritz Höger die neuen Häuser als kalt „und ohne Gefühl für das zweckmäßig Schöne“.

Auch um den Bau der Mönckebergstraße gab es hitzige Diskussionen, die teilweise in der Presse ausgetragen wurden.
Auch um den Bau der Mönckebergstraße gab es hitzige Diskussionen, die teilweise in der Presse ausgetragen wurden. © dpa/ picture alliance / arkivi

„International und heimatlich zugleich“ müsse stattdessen gebaut werden. Die Gruppe stellte eigene Pläne vor, auf denen die Häuser Giebel und ausgeprägte Dachformen hatten. Der spätere Oberbaudirektor Fritz Schumacher wischte das Konzept vom Tisch und sprach von „Mittelstadtmotiven“. Auch der genaue Straßenverlauf war Thema monatelanger Diskussionen mit ausführlichen Berichten in den Tageszeitungen.

Pläne zur Entlastung des Zentralmarktes scheiterten

In den 1920er-Jahren scheiterten auch Pläne, Hamburgs Zentralmarkt zu entlasten und nach Berliner Vorbild einzelne Markthallen in Rothenburgsort, Barmbek und Eimsbüttel zu bauen. Diesmal intervenierte der Hamburger Einzelhandel, der vor allem den Bestand vieler Gemüseläden gefährdet sah.

Einige weitere Proteste in Kurzform: Hamburgs neu angelegter Flughafen erhielt seinen endgültigen Namen erst, nachdem sich der Heimatverein von Fuhlsbüttel massiv dafür starkgemacht hatte. Ursprünglich sollte der heutige Airport nämlich Groß Borstel heißen. Die angekündigte Benennung des Wilhelmgymnasiums sorgte für massiven Ärger. Fast zwei Jahre lang blieb die 1881 eröffnete Schule ohne offiziellen Namensgeber, dann (1883) kam die Entscheidung, sie nach Kaiser Wilhelm I. zu benennen.

Streit um Bau der ersten Hamburger Müllverbrennungsanlage

Lange ausgetragenen Streit gab es auch um die Eingemeindung Dockenhudens nach Blankenese und den Bau der ersten Hamburger Müllverbrennungsanlage, deren Bau 1893 beschlossen wurde. Gegen den angekündigten Standort Bullerdeich zog der Bürgerverein von Hammerbrook zu Felde, die Proteste blieben aber erfolglos.

1927 protestierte eine „Interessengemeinschaft“ gegen den Verkehrslärm auf der Sierichstraße und der heutigen Herbert-Weichmann-Straße. Eine dort eingerichtete Buslinie musste kurzerhand wieder eingestellt werden, während sich eine „zeitgemäße Verordnung gegen das Hupen“ nicht durchsetzen ließ.

Proteste halfen bei Durchsetzung der Anliegen

1902 erschien eine Abordnung des Central-Ausschusses Hamburgischer Bürgervereine“ mit einer Beschwerde bei der Stadt. Darin wurde gefordert, dass der Senat nach der Eröffnung zahlreicher neuer Betriebe endlich etwas gegen die immer schlimmer werdende „Rauchplage“ in der Umgebung des Hafens unternehmen sollte. Ein später abgefasster Bericht zeigt, dass die Baupolizei danach tatsächlich verstärkt gegen rauchende Fabrikschornsteine vorging.

Lesen Sie auch:

Ähnliches geschah 1909 in Schiffbek (heute Teil Billstedts) wo sich die Gemeindevertretung angesichts der Eröffnung eines neuen Walzwerks wegen „Wertminderung hiesiger Grundstücke, die durch schädliche Ausdünstungen (...) entstehen“, an die Stadt wandte. Vonseiten der Fabrik wurde dann auch prompt nachgegeben. Im Sommer 1914 ließ das Unternehmen neue Schornsteine auf seinen Schmelzöfen errichten, die zehn Meter höher waren als die alten.

Pläne für Privatisierung des Alstervorlands verschwanden

Manche Proteste wurden auch im stillen Kämmerlein geklärt, vor allem dann, wenn Hamburgs betuchte Kreise involviert waren. So konnten die Anwohner von Harvestehude 1906 den Durchbruch der Straße Alsterufer zum Harvestehuder Weg nicht verhindern. Doch die Pläne, für die Privatisierung des Alstervorlands, die es schon damals gab, verschwanden schnell wieder in irgendwelchen Schreibtischschubladen.

Erst 1955 wurde das Alstervorland zu einem Park für alle. Auch die Pläne für den Wiederaufbau des im Krieg zerstörten Uhlenhorster Fährhauses an der Ecke Fährhausstraße/Schöne Aussicht verliefen im Sande. Dort entstand, wie originell, ein weiterer Park.