Hamburg. Der Anbau einer Kita der Stiftung Finkenau ist so marode, dass er nicht genutzt werden kann. Dabei wird der Platz dringend benötigt.

Die Kita Ratz und Rübe ist eine Institution in Wellingsbüttel. Seit 25 Jahren hat sie ihren Sitz in einer historischen Villa am Alstertal. Wer nun ein vornehmes Gebäude vor Augen hat, täuscht sich. Das denkmalgeschützte Haus aus der Gründerzeit, hellblau mit weißen Stuckelementen, könnte mal wieder einen neuen Anstrich vertragen. Und am Rande der Spielfläche hinter der Villa schützt ein Bauzaun die Kinder vor herabfallenden Teilen eines maroden Anbaus.

Um es vorweg zu sagen: Das Hauptgebäude ist gut in Schuss. Und auch ein Teil des in Fachwerkweise errichteten Anbaus präsentiert sich so, wie man es sich für eine Kita wünscht: Betritt man das Gebäude, liegt linker Hand ein in Gelb und Grün gehaltener Raum.

Holz ist an vielen Stellen morsch

Eine Wand ist mit den Tieren aus dem Dschungelbuch bemalt, der Fußboden schimmert in dunkler Holzoptik, und die großen Sprossenfenster lassen viel Licht hinein. Der Raum rechts vom Eingangsbereich ist dagegen eine Bruchbude. Das Holz der freigelegten Decke ist an vielen Stellen morsch, Kabel hängen wie Spaghetti von oben herab. In einer Ecke stapeln sich Waschbecken.

„Die Vermieterin hat den Anbau vor 15 Jahren renovieren lassen. Aber das wurde sehr dilettantisch gemacht“, sagt Konrad Mette, Vorstand der Stiftung Kindergärten Finkenau, die auch die Wellingsbüttler Kita betreibt. Schon bald sei der Fußboden hochgekommen, und an den Wänden hätten sich feuchte Stellen gebildet.

Feuchte Wände waren nur mit Rigipsplatten verkleidet

Da die Vermieterin aus Berlin, Frau K.-S., weder auf anwaltliche Schreiben noch auf Bittbriefe der Kinder reagierte, beauftragte die Stiftung die einer Mutter gehörenden Baufirma mit der Sanierung – und übernahm die Kosten erst mal selbst. Begonnen wurde mit dem linken Raum. Nach dessen Fertigstellung sollte es mit der anderen Gebäudehälfte weitergehen, in dem sich Sanitärräume sowie das „Restaurant“ der Kita befinden.

Im Zuge der Sanierung sollte noch ein Spielboden unter dem Dach hinzukommen. „Wir wollten alles von Grund auf instand setzen“, so Mette. Doch nachdem der Putz von den Wänden geklopft war, zeigte sich das Ausmaß des Pfuschs: Leitungen und Rohre waren kreuz und quer verlegt, feuchte Wände nur mit Rigipsplatten verkleidet. Toilette und Dusche hatten die Handwerker nicht an die Kanalisation angeschlossen – das Abwasser war in den Boden gesickert und hatte die Holzbalken der Konstruktion schwer beschädigt.

Im Dach hatte der Holzbock bereits schwere Schäden angerichtet. „Die von uns beauftragten Handwerker weigerten sich weiterzuarbeiten. Es wäre für sie zu gefährlich gewesen“, sagt Mette. Das war 2014. Seitdem hat sich nichts getan.

Grundstücke sind teuer und rar

„Wir haben das Bezirksamt eingeschaltet und das Denkmalschutzamt. Mehrfach waren Vertreter vor Ort und haben uns versichert, wie sehr sie die Angelegenheit bedauern – aber passiert ist nichts“, sagt Mette. Immer wieder fragt er nach, auch bei der Vermieterin. Das Bezirksamt bemühte sich ebenfalls, zur Eigentümerin Kontakt aufzunehmen. Ohne Erfolg.

„Wir benötigen den Anbau dringend als zusätzliche Fläche“, sagt Christine Jasinksi, Leiterin von Ratz und Rübe. 45 Kinder zwischen drei und sechs Jahren besuchen die Kita im Regelfall, 30 weitere könnten aufgenommen werden, wenn der Anbau zur Verfügung stände. Auch ein Krippenbereich wäre dann denkbar.

„Hier in Wellingsbüttel ist die Nachfrage riesig“, sagt Jasinski. Und Konrad Mette ergänzt: „Leider sind hier auch die Grundstücke teuer und rar. Wir können also nicht einfach eine weitere Fläche dazu mieten.“ Irgendwann zahlte die Stiftung keine Miete mehr für den Anbau. Auch auf das Ausbleiben der Zahlungen – rund 40 Prozent der Gesamtmiete – reagierte die Eigentümerin nicht. Auf Anfrage des Abendblatts erbat sich Frau K.-S. ein paar Tage Zeit, um zunächst mit der Kita-Leitung Rücksprache halten zu können. Das tat sie nicht.

Bezirksamt Wandsbek verweist auf „statische Mängel“

Das Denkmalschutzamt hatte den Zustand des Anbaus zuletzt im Sommer 2020 überprüft. Er sei zwar sanierungsbedürftig, der bauliche Zustand stelle jedoch keine Gefahr für die Kinder und Mitarbeiter der Kita dar: Er sei ja auf Anordnung des Bezirksamts vom Eigentümer gesichert und eingezäunt worden und werde nicht von der Kita genutzt.

Laut Konrad Mette ist dem Amt sehr wohl bekannt, dass die Dachkonstruktion durch den Holzbockbefall bereits schwer beschädigt wurde – und weiter in Gefahr ist. „Vor den Augen der Behörde verfällt hier ein denkmalgeschütztes Gebäude, das dringend für eine Kita-Nutzung benötigt wird“, sagt er. Sollte das Denkmalschutzamt feststellen, dass der Anbau unmittelbar gefährdet ist, werde der Erlass einer Sicherungsverfügung geprüft, welche die Eigentümer zu konkreten Sicherungs- und Reparaturmaßnahmen verpflichtet, um den Erhalt des Denkmals zu sichern, heißt es.

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Das Bezirksamt Wandsbek verweist auf „statische Mängel“, deretwegen der Anbau gesperrt wurde. Aber: „Auch wenn die Nutzung untersagt wurde, wird der Zustand des Gebäudes aber nicht als akut gefährdend bewertet.“ Das Bezirksamt habe keine rechtliche Handhabe. Ansprüche auf Beseitigung der Mängel wären nur privatrechtlich geltend zu machen. So weit will Mette es nicht kommen lassen. Die Stiftung hat Vermieterin K.-S. jetzt ein Kaufangebot gemacht.