Hamburg. Ein Experte gibt Tipps, wie das Arbeiten zu Hause gelingt. So klappt der Austausch mit Chef und Kollegen besser.

Küchentisch statt Großraum, Videokonferenz statt Besprechung im Büro: Homeoffice, da ist sich die Politik ungewohnt einig, soll noch bis mindestens Mitte März „überall, wo es möglich ist“ umgesetzt werden. Doch was bedeutet das für Mitarbeiter und Chefs, die coronabedingt nun von heute auf morgen ganz anders arbeiten müssen? Wie führt man eigentlich ein „virtuelles Team“, und wie motiviert man sich zu Hause, zwischen Hausarbeit und Kinderbetreuung?

Ralf Friedrich, promovierter Psychologe mit Schwerpunkt Organisationsentwicklung, der seit 15 Jahren bundesweit große Unternehmen und jeden Monat etwa 25 Privatkunden berät und in diesen Tagen sein Coaching Center Direct an der Blumenau eröffnet, gibt Tipps. Das sagt der Experte, der virtuelles Arbeiten – lange vor der Pandemie – für seine Doktorarbeit erforscht hat, über

... den perfekten Arbeitsplatz zu Hause
„Bitte möglichst nicht im Schlafzimmer arbeiten, das tut der Psyche nicht gut.“ Es müsse im Homeoffice eine räumliche Grenze geben zwischen Arbeits- und Privatleben. „Sonst rollt man sich im Pyjama mal eben rüber zum Laptop, und es fällt ganz schwer, eine Struktur in den Arbeitstag zu bringen“, sagt Ralf Friedrich. Für den Arbeitsplatz solle man sich eine „ruhige Ecke“ in der Wohnung suchen. „Aber nicht heute am Küchentresen den Laptop aufklappen und morgen im Kinderzimmer: ein fester Ort ist wichtig.“

... Jogginghosen im Homeoffice
„Man muss jetzt nicht mit der Krawatte vorm Computer sitzen“, sagt der Coach, „aber einigermaßen vernünftig kleiden, das sollte man sich schon.“ Zu oft hätten wir doch alle schon Zoom-Konferenzen gesehen, in denen ein Kollege aufstand und alle feststellen durften: Der trägt zwar obenrum Hemd, aber untenrum noch Boxershorts. „Ich halte Rituale grundsätzlich für hilfreich, und angemessene Kleidung unterstützt eben den Arbeitsmodus.“

... fehlende Rückmeldung vom Chef und mangelnden Zusammenhalt
„Lob und Anerkennung sind wichtig und im Homeoffice umso mehr. Sonst fühlt man sich schnell einsam und vergessen“, sagt Ralf Friedrich. Allerdings sollte vorab ein „Feedback-Rhythmus“ vereinbart werden. „Ich hatte kürzlich einen Fall, da wurde der Mitarbeiter dreimal am Tag zu Hause von der Führungskraft angerufen. Sie meinte das ganz lieb, aber er fühlte sich fast gestalkt.“ Dass der Teamgeist im Homeoffice leide, sei oft spürbar, sagt der Experte: „Ist ja auch logisch, jeder sitzt allein vorm Rechner. Es gibt keinen direkten Sozialkontakt wie in der Teeküche oder am Kopierer.“ Er rate daher dazu, sich im Kollegenkreis virtuell zu verabreden, zum Beispiel alle zwei Wochen zu einer Cocktail-Runde am Feierabend. „Es gibt auch schon technische Anwendungen für After-Work-Partys. Dabei ist es fast egal, was man macht. Wichtig ist der Austausch jenseits der reinen Informationsübermittlung.“

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

... Tipps für Führungskräfte
„Ich glaube, sie müssen jetzt ergebnisorientiert führen. Also nicht kontrollieren wollen, ob jemand die exakte Stundenzahl ableistet, sondern darauf achten, ob ein Projekt in der vereinbarten Zeit erfolgreich abgeschlossen wird.“ Übrigens sei es schon erwiesen, dass Homeoffice in der Regel die Produktivität eher steigere und die Mitarbeiter eher mehr als weniger arbeiteten. „Viele fangen beispielsweise um acht Uhr an, weil sie immer um acht Uhr das Haus verlassen haben. Nur sitzen sie ja jetzt sofort am Rechner und fahren nicht mehr eine Stunde mit dem Auto oder der Bahn in die Firma.“

... Tipps für Mitarbeiter
Es sei gut, die eigenen Motivatoren sowie die eigenen Ablenkungen zu kennen. Von Apps wie „Focusme“, mit denen sich gezielt Ablenker wie YouTube blockieren lassen, hält der Psychologe wenig. Ebenso von Apps, die die Arbeitszeit erfassen. „Leuten, die gerne messen, mag das helfen, ansonsten rate ich dazu, einen persönlichen Rhythmus zu finden.“ Doch man müsse auch ehrlich sein: Wer sich grundsätzlich gut strukturieren könne, habe auch im Homeoffice meist kein Problem. „Aber es gibt sicherlich geschätzt bis zu 15 Prozent, für die Homeoffice einfach gar nichts ist, weil sie ein Korsett brauchen.“

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„Dazu wird ja schon viel geforscht“, sagt Ralf Friedrich. „Und natürlich kann man sich auch im Homeoffice überfordern, weil eben nie Feierabend ist.“ Für Kollegen, die ganz allein leben und vielleicht ein bisschen sensibler sind, empfiehlt der Experte einen „Notfall-Plan“: „Wenn jemand dann über den Tag verteilt zwei- oder dreimal nicht zu erreichen ist, keine Mails beantwortet, nicht zurückruft, dann kann es hilfreich sein, vielleicht bei einem Kollegen des Vertrauens die Telefonnummer des Nachbarn hinterlegt zu haben, der dann mal klingeln kann.“

Ralf Friedrich hat für seine Doktorarbeit - lange vor Corona - erforscht, was virtuelle Teams erfolgreich macht.
Ralf Friedrich hat für seine Doktorarbeit - lange vor Corona - erforscht, was virtuelle Teams erfolgreich macht. © Unbekannt | Ralf Friedrich

... grundsätzliche Organisation
„Ich empfehle eine Team-Charta“, sagt Ralf Friedrich. Natürlich habe das Homeoffice viele Branchen unerwartet erreicht, aber es sei auch jetzt noch nicht zu spät, gemeinsam festzulegen, welche technischen Anwendungen man für was nutzen wolle, welche Chatsysteme Sinn ergäben und wie man sich grundsätzlich austauschen wolle. „Mails sind toll, sind aber keine Echtzeit-Kommunikation. Manchmal also vielleicht einfach mal wieder zum Telefon greifen.“