Hamburg. Die Hamburger Professoren fürchten, dass die Hochschule ihren Aufgaben nicht mehr gerecht werden kann. Es fehlt an Geld.

Vertreter des Akademischen Senats der Universität Hamburg haben einen Brandbrief an Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und den Senat geschrieben. Darin warnen alle 20 Professoren, die die Lehrenden in diesem hohen Gremium der Universität vertreten, vor einer langfristigen Unterfinanzierung der Hochschule.

„Die Universität Hamburg zeichnet sich durch eine exzellente Wissenschaft und Bildung aus. Das haben auch die Erfolge in den Exzellenzwettbewerben eindrucksvoll belegt“, heißt es in dem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt.

Unterzeichner des Brandbriefs in Sorge

„Die Universität in unserer Hansestadt ist aber mehr als nur ein Ort, an dem Wissen generiert und vermittelt wird. Hier kommen auch verschiedene Kulturen zusammen, es wird kritisch diskutiert, und kreative Prozesse entstehen", heißt es weiter." In den Universitäten entstehen Netzwerke unserer künftigen Führungsgenerationen. Unsere international anerkannten Absolvent/-innen müssen Lösungen für die globalen Herausforderungen der Zukunft finden. Die finanziellen Zuweisungen an die Universität Hamburg lassen allerdings weder für die grundständige Forschung noch für Reformen in der Lehre hinreichenden Spielraum.“

Die Unterzeichner treibe die Sorge, „dass wir unseren Aufgaben in Lehre, Forschung und gesellschaftlichem Transfer nicht mehr in vollem Umfang nachkommen können“, heißt es in dem Brief weiter. „Die Corona-Krise hat uns aber mehr als deutlich gezeigt, dass wir im Bereich der Lehre, insbesondere der digitalen Lehre, enorme Entwicklungsaufgaben zu bewältigen haben. Nicht nur die digitale Ausstattung ist unbefriedigend; es waren und sind auch völlig neue Lern- und Lehrformate zu etablieren.“

Pandemie "ohne Wissenschaft nicht zu bewältigen"

Angesichts der strukturellen Einsparungen könnten aber „nicht einmal alle guten Lehrkonzepte, die sich schon in der Vergangenheit bewährt haben“ über alle Fakultäten aufrechterhalten werden. „Die strukturelle Unterfinanzierung der Universität Hamburg verschärft sich aktuell noch einmal drastisch. Es ist uns bewusst, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie, die viele Menschen ganz unmittelbar in ihrer Existenz bedrohen, auch an den Hochschulen nicht spurlos vorbeigehen können. Dieser Appell ist daher auf die Zukunft gerichtet und soll die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Hochschulen aufzeigen, die auch in der aktuellen Krise so deutlich geworden ist.“

Schließlich sei die Pandemie „ohne wissenschaftliche Erkenntnisse überhaupt nicht zu bewältigen“. Jeden Tag gebe es neue Forschungsergebnisse, die ein gezielteres Vorgehen ermöglichten, so die 20 Unterzeichner, „und ohne die auf Basis langjähriger Forschung in Rekordzeit entwickelten Impfstoffe wäre ein Ende der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Krise gar nicht absehbar“.

"Ausreichende Finanzierung unabdingbar"

Auch die wirtschaftliche Bedeutung der Uni sei „gewaltig“, schreiben die Professoren unterschiedlichster Fachgebiete, zu denen Michel Clement, Dagmar Felix, Kerstin Lopatta, Robi Banerjee, Florian Grüner, Kai-Uwe Schnapp, Jörn Behrens, Peter Burger, Thomas Weber und Udo Schumacher und ihre jeweiligen Stellvertreter im Akademischen Senat gehören.

„Der Hamburger Senat, die Bürgerschaft und die Zivilgesellschaft sind gefordert, langfristig Prioritäten für eine zukunftsfähige Wissenschaft und Bildung zu setzen, die den Herausforderungen künftiger Generationen Rechnung trägt“, schließen sie ihren Appell. „Dafür ist eine ausreichende Finanzierung unabdingbar.“

Prof. Kai-Uwe Schnapp ist ein Unterzeichner des Briefs.
Prof. Kai-Uwe Schnapp ist ein Unterzeichner des Briefs. © Michael Rauhe | Unbekannt

Monatelanger Streit als Hintergrund des Briefs

Hintergrund des Briefs ist ein monatelanger Streit zwischen Wissenschaftsbehörde und staatlichen Hochschulen über deren künftige Grundfinanzierung. Die Haushalte von Uni Hamburg & Co. waren bis 2020 um nur 0,88 Prozent pro Jahr gewachsen – nicht ausreichend, um insbesondere Lohnsteigerungen zu kompensieren, hatten die Hochschulen oft erklärt.

In Verhandlungen über neue Hochschulvereinbarungen, die von 2021 bis 2027 gelten sollen, bot die Wissenschaftsbehörde nach eigenen Angaben einen Zuwachs von „deutlich über drei Prozent“ pro Jahr an. Eingerechnet seien erstens „ein bis zwei Prozent“ für Sanierungen und Digitalisierung.

Corona-Nothilfe für die Wissenschaft beschlossen

Zweitens sollten künftige Tarif- und Inflationssteigerungen „bis zu einer Höhe von zwei Prozent“ übernommen werden; drittens gebe es „Entwicklungsmittel für die individuelle Profilstärkung“ der Hochschulen von „durchschnittlich 0,5 Prozent“, wenn die Übernahme von maximal zwei Prozent für Tarif- und Preissteigerungen nicht überschritten werde.

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Von der Landeshochschulkonferenz, dem Zusammenschluss der Hochschulpräsidenten, hieß es dazu im November, mit den sogenannten Zukunftsverträgen berücksichtige Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) nicht die Altlasten der Hochschulen. Deshalb reiche ein Ausgleich von Tarif- und Inflationssteigerungen bis zwei Prozent „bei weitem nicht aus“.

Beispiel Uni Hamburg: Weil die Hochschule steigende Personalkosten von mehr als zwei Prozent pro Jahr habe schultern müssen, ihr Grundhaushalt aber nur um 0,88 Prozent pro Jahr stieg, sei eine „Finanzierungslücke“ entstanden, sagte Uni-Kanzler Martin Hecht. Zusätzliche Kosten in Höhe von 22 Millionen Euro pro Jahr seien nicht mehr vom Grundhaushalt abgedeckt. Auch die Präsidenten der HAW und der Technischen Universität erklärten, ihre Hochschulen seien von einer „Kostenschere“ betroffen.

Am Dienstag beschloss der Senat eine Corona-Nothilfe für die Wissenschaft.