Hamburg. Der 18-jährige William jobbt bei einem Sushi-Lieferservice. Mit den Corona-Auflagen nehmen es manche seiner Kunden nicht so genau.

Sechs, sieben, neun – die Zahl der Stäbchen, die mitgeliefert werden sollen, verrät es: Die Tour führt mal wieder zu Kunden, die es mit den Kontaktbeschränkungen nicht so genau nehmen. „Große Familien oder WGs lassen sich nur selten eher teures Sushi nach Hause kommen“, sagt William.

Der 18-Jährige spricht aus Erfahrung. Er jobbt seit geraumer Zeit für einen Sushi-Lieferservice. Dabei erlebt er fast bei jeder Schicht, dass in Privatwohnungen mehr als fünf Menschen gemütlich zusammensitzen und Essen bestellen, die offenkundig aus mehr als zwei Haushalten kommen. Sie versuchen noch nicht mal, vor ihm zu verbergen, dass sie ganz bewusst gegen die Allgemeinverfügung zur Eindämmung der Corona-Pandemie verstoßen. Und in Kauf nehmen, dass die Zahlen weiter steigen.

"Ich ärgere mich, wenn ich das bei anderen erlebe"

„Bei jeder Tour erlebe ich Regelverstöße“, berichtet der angehende Abiturient. Er betrachtet das Verhalten seiner Kunden zwiespältig. „Von Gruppen gibt es immer ein höheres Trinkgeld als bei Singles oder Paaren. Das finde ich natürlich gut“, sagt er. „Andererseits verzichten meine Freunde und ich komplett auf Partys oder gemeinsames Pizzaessen. Daher ärgere ich mich, wenn ich das bei anderen erlebe.“ Deshalb hat er sich entschieden, seine Beobachtungen dem Abendblatt zu erzählen.

Besonders krass sei die große Gruppe vermutlich osteuropäischer Frauen und Männer gewesen, die er in Rothenburgsort belieferte. „Die Musik war richtig laut, es wurde geraucht, und alle waren bester Stimmung“, erinnert sich William. Oder die reine Männerparty in Billstedt, vermutlich eher eine angehende Orgie. „Alle waren nur leicht bekleidet, teilweise geschminkt und saßen dicht beieinander.“

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Größere Gruppen wollen Boxen bis in die Küche geliefert haben

Dass William eine Wohnung betritt, sollte eher die Ausnahme sein. Normalerweise liefern er und seine Kollegen die Boxen mit dem Sushi an der Tür ab. Aber wenn eine größere Gruppe beliefert wird, kommt es schon mal vor, dass seine Kunden ihn bitten, die Lieferung in der Küche oder auf dem Esstisch abzustellen.

„Zwischen so vielen Menschen, die es ja offensichtlich mit den Regeln nicht so genau nehmen, fühle ich mich ziemlich unwohl“, so der Schüler. „Aber ich trage immer eine Maske und desinfiziere mir hinterher gründlich die Hände.“ Oft liefere er auch größere Mengen Sushi in Firmen und Büros – für die Mittagspause. Oder wenn die Kollegen nach Feierabend noch zusammensitzen möchten. Das ist, anders als im privaten Bereich, vielleicht befremdlich, aber wohl legal.

Generell sind Arbeitsstätten keine öffentlichen Orte im Sinne der Rechtsverordnung und das Zusammentreffen mehrerer Personen im Rahmen der Berufsausübung gestattet, heißt es aus der Gesundheitsbehörde. „Mittagspausen mit mehreren Kolleginnen und Kollegen sind mit dem aktuellen Infektionsgeschehen aber kaum vereinbar“, betont Sprecherin Anja Segert.

Gemeinsames Abendessen? Ohne dienstlichen Zweck verboten

In jedem Fall aber gelte die Pflicht zum Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung, solange kein fester Platz eingenommen wird und ein Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann. „Eine Mittagspause am Arbeitsplatz ist ohne eine Personenobergrenze möglich – aber nur von Personen, die sich arbeitsbedingt ohnehin gemeinsam aufhalten“, so Segert.

Gleiches gelte auch für ein Abendessen in der Arbeitsstätte. „Allerdings stellt sich dann schon die Frage, ob dies noch einen dienstlichen Zweck erfüllt.“ Dann wäre es nämlich verboten.

„Eigentlich“, gibt William zu bedenken, „dürfte ich mich über die Regelverstöße, die ich im Job erlebe, gar nicht aufregen.“ In der Schule säße er in den Pausen auch mit mehreren im Klassenraum, esse und trinke dabei. „Ansonsten machen wir ja genau das, was in der Freizeit verboten ist und ich beim Job so oft beobachte: Wir sitzen mit mehr als fünf Personen aus mehr als zwei Haushalten zusammen. Relativ dicht. Und ohne Maske.“ Laut Polizei handelt es sich bei verbotenen privaten Feiern, wie sie auch William erlebt, in Hamburg weiterhin um „Einzelfälle“.

In St. Georg löste die Polizei eine Party im Hochhaus auf

An der Lindenstraße in St. Georg löste die Polizei eine Party im 16. Stock eines Hochhauses auf. Dort hatten 33 Personen in der Wohnung eines 23 Jahre alten Mannes gefeiert. Derselbe Mann hatte bereits Bußgelder bekommen, weil in den vergangenen Monaten bereits zwei Partys in seiner Wohnung von der Polizei aufgelöst wurden.

Im November war es die Poolparty eines 22-Jährigen mit 13 Gästen in einem Mehrfamilienhaus, die aufgelöst werden musste. Dort attackierte der junge Mann sogar erbost die Polizisten mit erhobenen Fäusten. Das brachte ihm zusätzlich eine Strafanzeige ein. „Sicherlich wird es in kleinerem Umfang immer wieder Verstöße gegeben haben“, sagt ein Beamter. „Sie waren aber nie ein so großes Thema, dass sie zentral erfasst wurden.“

In Clubs und Kulturvereinen registrierte Polizei immer wieder Verstöße

Anders sah es bei Clubs und Kulturvereinen aus. Hier registrierte die Polizei immer wieder eklatante Verstöße. „Teilweise wurde von denselben Personen immer wieder gegen die Eindämmungsverordnung verstoßen“, so ein Polizist. Auf der Peute wurde mehrfach derselbe Kulturverein überprüft, wobei der Besitzer tönte, dass ihn Bußgelder nicht interessieren würden und er sie aus der „Portokasse“ zahlen würde.

In Tonndorf war es ein Sporttreff, in dem sich Freunde teurer Sportwagen und des Shisha-Rauchens illegal trafen. „Auffallend war, dass gerade in diesen Fällen die Beteiligten hoch konspirativ vorgingen“, sagt der Beamte. So gab es verdeckte Zugangsmöglichkeiten, „Gesichtskontrollen“ im Zugangsbereich. In einigen Fällen waren Anmeldungen via Handy nötig, um Einlass zu bekommen.

An diesem Wochenende wurde kein vergleichbarer Fall bekannt. Die Geldstrafen schrecken offenbar ab. „Das Bußgeld beginnt für den Veranstalter eines solchen Treffens oder Party mit mindestens 500 Euro und verdoppelt sich mit jedem weiteren Verstoß“, so der Polizist. „Das macht einen nachhaltigen Eindruck.“ Am Sonnabend wurde ein Gastronom auf St. Pauli dabei ertappt, wie er illegal Alkohol ausschenkte. Er bekam ein Verkaufsverbot und muss nun ebenfalls mit einer Geldbuße rechnen.