Hamburg. Per Videoschalte stellt sich Weltumsegler Boris Herrmann den Fragen der Schüler am Gymnasium Grootmoor.

Es ist kurz vor elf Uhr. Seit einer Viertelstunde rutschen die Schüler der 7f am Gymnasium Grootmoor in Bramfeld unruhig auf ihren Stühlen herum. Klassenlehrerin Steffi Hupfer startet auf ihrem Laptop eine Zoom-Konferenz. In wenigen Minuten soll Einhand-Weltumsegler Boris Herrmann live von seinem Boot auf dem Indischen Ozean mit den Jungen und Mädchen sprechen. Noch ist er nicht zu sehen. Fünf Teilnehmer haben sich schon angemeldet – wegen Corona mussten sich die siebten Klassen, einige Schüler aus den Jahrgängen 5 bis 8 sowie Schüler des Lycée Antoine de Saint-Exupéry de Hambourg aus anderen Räumen zuschalten.

Auch die Frau des Profi-Seglers, Birte Lorenzen-Herrmann, ist zu dem digitalen Treffen eingeladen und begrüßt die Kinder. „Toll eure Gesichter trotz Corona zu sehen“, sagt sie. Dann bekommt Hupfer eine WhatsApp-Nachricht von Herrmanns Team. „Gleich geht es los! Ihr müsst jetzt ruhig sein“, sagt sie zu ihren Schülern. Die Jungs und Mädchen werden für eine kurze Zeit ganz still. Als Boris Herrmanns Gesicht dann aber auf dem Bildschirm erscheint, schreien sie auf.

Delfine, fliegende Fische und Albatrosse

Viereinhalb Wochen segelt der 39-Jährige mit seiner „Seaexplorer“ bereits über die Meere. An diesem Mittwochmorgen ist der Himmel bedeckt. Das Meer rauscht, ist auf dem etwas verpixelten Bild aber nur zu erahnen. Die Schüler müssen jetzt schnell sein – wer weiß, wie lange die Verbindung über Satellit hält. Keno und Marissa aus der 7f trauen sich zuerst vor das Mikrofon. „Sind Ihnen schon Tiere begegnet?“ Die Frage erreicht Herrmann etwas verzögert.

Dann nickt er. Delfine, fliegende Fische und Albatrosse habe er unter anderem schon gesehen. Vor dem Laptop findet derweil ein fliegender Wechsel statt. Stella und Leah fragen, was das Schlimmste sei, das auf dieser Reise passieren könnte. „Das Schlimmste wäre, dass das Boot kaputtgeht und ich die Reise nicht beenden kann“, sagt Boris Herrmann. Prompt wird der Bildschirm schwarz.

Dramatische Rettung

Bei der Vendée Globe auszuscheiden, ist gar nicht so unwahrscheinlich. Am 31. Tag nach Beginn des Regatta-Klassikers sind von den 33 gestarteten Einhand-Weltumseglern nur noch 28 im Rennen. Auch Boris Herrmann hat die harschen Bedingungen zu spüren bekommen. Hinter ihm liegt eine waghalsige Rettungsaktion von Segler Kevin Escoffier. Herrmann hält sich zwar über Wasser, auf seinem Boot sind jedoch die beiden Hydrogeneratoren kaputtgegangen, die einen Teil des Stroms liefern. An diesem Mittwoch ist aber tatsächlich nur die Verbindung abgebrochen. Wenige Sekunden später meldet sich Herrmann zurück. „Hast Du keine Angst so ganz allein?“, fragt ihn ein Schüler aus der fünften Klasse. „Natürlich habe ich Angst. Ich bin ja nicht Superman. Das ist keine einfache Fahrt, aber dann gibt es auch wieder schöne Tage“, sagt er.

Boris Herrman bei der Vendée Globe:

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Die Frage eines Schülers der 6. Jahrgangsstufe ist ganz pragmatisch: „Was würde passieren, wenn Sie über Bord gehen?“. Herrmann und auch einige Schüler der 7f fangen an zu lachen. „Über Bord zu gehen, ist nicht erlaubt!“, sagt Herrmann. An Deck sei er aber fast immer angeleint. Die Stimmung ist gelöst, die Schüler scheuen nicht davor zurück, auch ganz persönliche Fragen zu stellen. Wie ist das zum Beispiel mit den Toilettengängen? „Ganz einfach“, antwortet Herrmann, „ich habe wasserdichte Beutel und die schmeiß ich dann über Bord“. Diese Beutel sind aus kompostierbarem Material.

Projekttage mit verschiedenen Themenschwerpunkten

Der 39-Jährige steht jetzt kurz auf. Permanent muss er auf die Wind- und Wetterbedingungen reagieren. Über eine Kurbel ändert er die Segeleinstellungen. Die Schüler lehnen sich auf ihren Stühlen etwas nach vorne, lassen sich ansonsten aber nicht weiter beirren. Schließlich wollen sie alle ihre Fragen loswerden. Die haben sie schon im Vorfeld an Herrmann geschickt. Während der Konferenz kann er nur auf ungefähr zwölf Fragen eingehen, die restlichen hat er per Sprachnachricht beantwortet.

Organisiert hat die Live-Schalte in den Indischen Ozean Steffi Hupfer. Sie ist UNESCO-Beauftragte am Grootmoor-Gymnasium. Drei- bis viermal im Jahr gebe es Projekttage mit verschiedenen Themenschwerpunkten an dem Gymnasium, berichtet die Kunst- und Geografielehrerin. In dieser Woche war das Thema Klima- und Meeresschutz. Seit Dienstag bereiten sich die Schüler mit dem Bildungsprogramm „My Ocean Challenge“, das Boris Herrmann mit seiner Ehefrau entwickelt hat, auf die Fragerunde vor.

Hupfer ist früher selbst gesegelt

An der Neuauflage des Bildungsprogramms hat Hupfer selbst mitgearbeitet. Sie kennt Herrmann und seine Frau persönlich und ist früher selbst gesegelt. Schulkinder auf der ganzen Welt sollen mit dem Bildungsprogramm über das Segeln, den Ozean und Umweltbelastungen in den Meeren unterrichtet werden. „Alle Menschen haben ein positives Empfinden, wenn sie an Meere und Ozeane denken. Dass man versucht, das Thema Klimaschutz von dieser positiven Seite anzugehen und sagt, ,hey, das müssen wir schützen‘, finde ich besonders toll“, sagt Hupfer.

Wenn alles gut geht, können die Schüler am Gymnasium Grootmoor noch etwa 50 Tage mit Boris Herrmann mitfiebern. Auch Weihnachten verbringt er an Bord der „Seaexplorer“. Darauf freue er sich schon. „Meine Frau hat mir eine Lichterkette und Fotos von der Familie geschickt“.

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Auch eine besondere Schokolade werde er an Weihnachten naschen, verrät der Profi-Segler. Nach 20 Minuten muss sich Herrmann verabschieden. „Nehmt eure Träume ernst“, sagt er noch und winkt. In dem Klassenzimmer der 7f wird es jetzt wieder laut. Die Schüler rufen und winken aufgeregt. Auch Birte Lorenzen-Herrmann verabschiedet sich kurze Zeit später mit einem Kompliment. „Seid froh, dass ihr eine so tolle Lehrerin habt!“