Hamburg. Marlene Schnoor änderte das Image der Volkshochschule. Nun geht die Chefin nach 35 Jahren in Rente, was sie so nicht erwartet hätte.
Was einmal eine Notlösung war, wurde für Marlene Schnoor eine Lebensaufgabe. Seit 35 Jahren arbeitet sie für die Hamburger Volkshochschule (VHS), zuletzt als deren Geschäftsführerin. Neun Schulsenatoren hat sie miterlebt, Krisen gemeistert und Impulse gegeben. Ende des Jahres geht die 64-Jährige in Rente. Vom Wandel der Volkshochschule.
Eigentlich wollte sie Lehrerin werden und landete bei der Hamburger Volkshochschule. Landete hört sich despektierlich an, aber tatsächlich war das nicht geplant, und was heute, in einer Zeit, in der dringend Pädagogen gesucht werden, kaum zu glauben ist: Als die gebürtige Soltauerin Anfang der 1980er-Jahre mit ihrem Lehramtsstudium in Deutsch und Politik und ihrem Zweiten Staatsexamen durch war, gab es keine Stelle für sie. Was damals Pech war, wurde im Laufe der Jahre zum Glücksfall.
VHS in Hamburg: Wunsch nach mehr politischer Wertschätzung
1985 bekam Marlene Schnoor in der VHS einen Job als wissenschaftliche Mitarbeiterin für „Deutsch als Fremdsprache“ – heute noch ihr Herzensbereich. „Organisatorische Abläufe, Programme planen und Kursleiter auswählen, das gefällt mir“, sagt sie. Im Laufe der Jahrzehnte wechselte sie die Aufgaben und bekam mehr Verantwortung, seit 2005 in der Geschäftsführung. Schnoor ist eine, die anpackt und vor neuen Aufgaben keine Scheu hat. „Und sie ist sehr beliebt, kennt sich in jedem Bereich aus“, sagt eine Mitarbeiterin.
Wer die sympathische Frau trifft, merkt sofort: Marlene Schnoor lebt die Volkshochschule. „Ich hätte nie gedacht, dass ich an der VHS einmal in Rente gehen werde“, sagt sie und lacht. Meilensteine gibt es viele: 1990 etwa, als aus der Volkshochschule ein Landesbetrieb wurde. „Das war das letzte Mal, dass sich die Bürgerschaft mit der VHS in dem Maße beschäftigt hat“, sagt sie. Ein bisschen mehr Wertschätzung gegenüber der VHS seitens der Politik wünscht sie sich und vor allem ihrer Nachfolge. Die Ausschreibung läuft derzeit.
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Mit ihrem früheren verstaubten Image hat die Volkshochschule nichts mehr zu tun. Es sind vor allem die Sprachkurse für Migranten, die so wichtig seien und die die VHS professionell betreibe. Während und nach der Flüchtlingskrise 2015 konnte die Volkshochschule ihre Kompetenz unter Beweis stellen. „Da sind wir richtig groß in dem Bereich Deutsch als Fremdsprache. Der Integrationsbereich macht fast die Hälfte unseres Umsatzes aus“, sagt Schnoor.
Apropos Umsatz. 1997 hatte der Landesbetrieb VHS die erste Krise wegen hoher Defizite (ein Minus von 3,7 Millionen). „Betriebswirtschaftliche Kompetenzen mussten erst entwickelt werden“, sagt Schnoor. Wenn es schwierig wurde, war sie immer sie da.
„Ich habe Analysevermögen, und mir geht es immer darum, Schaden von der VHS abzuwenden.“ Unter Schulsenatorin Alexandra Dinges-Diering wird der VHS ein massiver Sparkurs verordnet. „Das war keine schöne Zeit“, so Schnoor. Der Etat wurde um ein Drittel gekürzt. Worauf sie stolz ist, sind die Konzepte für deutschsprachige Alphabetisierungskurse für Migranten, der Ausbau der Gesundheitsangebote in den frühen 1990er-Jahren.
Norwegisch, Yoga, Entspannung: Selbst viele VHS-Kurse besucht
Natürlich hat sie selbst viele Kurse besucht. Sie hat Norwegisch gelernt, Yoga und Entspannungstechniken kennengelernt und war auf einer Bildungsreise zum Thema „Dialog mit dem Islam“ in Marokko. Jeder Kurs ist auch soziale Integration. „Die Menschen kommen aus ihrer Filterblase und lernen Andersdenkende kennen.“ Die demokratische Bildung liegt ihr besonders am Herzen.
Schulsenator Ties Rabe (SPD) würdigt ihre Verdienste: „Marlene Schnoor trägt einen großen Anteil daran, dass die Volkshochschule eine anerkannte, leistungsfähige und innovative Weiterbildungseinrichtung ist.“ Das Leben nach der VHS? Sie wird viel lesen, kochen, wandern, Rad fahren und Zeit mit ihrem Mann in Buchholz zu verbringen.