Hamburg. Beispielsloses Verfahren: Im Streit zwischen den beiden Hamburger Topanklägern um Kompetenz klärt jetzt die Staatsrätin den Fall.

Der Vorgang ist in der üblicherweise auf Diskretion bedachten hiesigen Justiz ohne Beispiel: Die beiden Topankläger haben sich in einem monatelangen Kompetenzkonflikt so zerstritten, dass am Ende Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich – die Nummer eins in der Hierarchie – ein Disziplinarverfahren gegen den Leitenden Oberstaatsanwalt Ralf Peter Anders – die Nummer zwei – einleitete.

Drei Monate, nachdem die Bombe bei der Anklagebehörde platzte und die tägliche Arbeit seitdem beeinträchtigt, hat die Justizbehörde nun ein Machtwort gesprochen.

Nach Abendblatt-Info war Erlass der übergeordneten Instanz nötig

Nach Informationen des Abendblatts hat Justizstaatsrätin Katja Günther Fröhlich und Anders ein Schreiben zukommen lassen, das die Verteilung von Kompetenzen und Befugnissen abschließend regeln soll. Die sogenannte Allgemeinverfügung, die in anderen Ländern üblich ist, hat den Charakter eines Erlasses der übergeordneten Instanz – sie ist also bindend.

Im Mittelpunkt des in kleinste Verästelungen des Behördenapparats reichenden Streits zwischen den beiden Staatsanwälten steht das brisante Thema Personal. Formal ist die große Staatsanwaltschaft unter der Regie von Anders mit rund 600 Mitarbeitern der kleinen Generalstaatsanwaltschaft mit nur 50 Mitarbeitern unterstellt. Fröhlich ist als „General“ aber allen Staatsanwälten gegenüber weisungsbefugt. Daraus hat er auch ein umfassendes Vorschlagsrecht bei Personalentscheidungen abgeleitet.

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Anfang des Jahres hatten sich die beiden Topjuristen schriftlich auf eine Art Burgfrieden verständigt: Das Werk trug den etwas sperrigen Titel „Restrukturierung und Optimierung der Zuständigkeitsregelungen für die Bearbeitung von Verwaltungssachen bei der Hamburger Staatsanwaltschaft“ und verlagerte das Personalgeschäft weitgehend auf die Generalstaatsanwaltschaft.

Der Frieden hielt nicht lange. In der Frage, wer Stellvertreter von Anders in der Staatsanwaltschaft werden sollte, gerieten die beiden erneut heftig aneinander. Fröhlich favorisierte Oberstaatsanwältin Kathrin Hiersemenzel, eine seiner Mitarbeiterinnen, Anders hingegen Oberstaatsanwältin Mona Rickert aus seinem Bereich. Auf dem Höhepunkt des Streits kündigte Anders die gemeinsame Vereinbarung. Die Antwort folgte wenige Tage später: Fröhlich leitete das Disziplinarverfahren gegen Anders ein.

Kontrahenten werden gewissermaßen zur Kooperation gezwungen

Die von Günther erlassene Allgemeinverfügung will die beiden nun gewissermaßen zur Kooperation zwingen. Nach Informationen des Abendblatts aus Justizkreisen bleibt es bei dem Vorschlagsrecht des Generalstaatsanwalts für alle Posten des höheren Dienstes, also der Staatsanwälte, sowie deren Beförderungen. Allerdings soll sich Fröhlich eng mit seinem Kontrahenten Anders abstimmen, in dessen Bereich die meisten Einstellungen und Beförderungen schließlich fallen.

Dagegen soll der Leitende Oberstaatsanwalt für die Besetzung der Amtsanwälte, Rechtspfleger und weiteren Justizmitarbeiter ein Vorschlagsrecht erhalten. Auch hier wäre Anders’ Position danach gestärkt, denn Fröhlich hatte das Vorschlagsrecht für die Amtsanwälte für sich reklamiert.

Streit um Anders’ Stellvertretung ist nun ein Fall für die Gerichte

Der Streit um Anders’ Stellvertretung ist nun ein Fall für die Gerichte. Die Justizbehörde hatte Rickert berufen, die unterlegene Kandidatin Hiersemenzel zog mit einer Konkurrentinnenklage vor das Verwaltungsgericht. In erster In­stanz setzte sich die Behörde durch. Das Oberverwaltungsgericht muss abschließend entscheiden.

Der Ausgang des Disziplinarverfahrens gegen Anders ist ebenfalls noch offen. Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) hatte Ex-Justizstaatsrat Nikolas Hill als „Ermittlungsführer“ eingesetzt. Dessen Analyse des Sachverhalts ist Grundlage für die Entscheidung der Staatsrätin, die das Verfahren übernommen hat. Die Entscheidung soll angeblich noch in diesem Jahr erfolgen.