Hamburg. Peer Petersen hat sich mit Restaurants und Weinbars ein kleines Imperium aufgebaut – dabei bleibt er jedoch meist im Hintergrund.

Goldener Herbst im Alstertal. Der Blick aus dem lichtdurchfluteten Wintergarten des reetgedeckten Hauses fällt auf die Bäume mit ihren bunten Blättern. Idylle pur. Willkommen im Restaurant The Locks an der Poppenbüttler Schleuse. Hausherr Peer Petersen hat auf einem mit petrolfarbenen Samt bezogenen Stuhl Platz genommen und nimmt einen Schluck Cappuccino. „Wir haben vor Kurzem das Mobiliar in diesem Raum erneuert und den Holzfußboden ausgetauscht. Jetzt ist hier alles schön, aber wir befinden uns in der zweiten Corona-Zwangspause in diesem Jahr. Und inzwischen fällt es einem wirklich schwer, sich zu motivieren. Wir haben alle Vorschriften eingehalten, haben ein Hygienekonzept entwickelt und deutlich weniger Tische wegen des Mindestabstands in unseren Lokalen aufgestellt. Jetzt werden wir wieder bestraft“, sagt der 52-Jährige.

Von März bis Mai mussten bereits alle Restaurants und Bars in Hamburg schließen, und seit dem 2. November gilt wieder diese coronabedingte Regelung. Zunächst bis Ende November. „Natürlich wünsche ich mir, dass wir im Dezember wieder öffnen dürfen. Aber man muss realistisch bleiben, und deshalb glaube ich nicht, dass in ein paar Wochen die Gastronomie wieder regulär läuft. Das was einen wirklich zermürbt, ist diese Ungewissheit.“

Petersen hält einen Moment inne und sagt dann. „Dieses Jahr ist wirklich eine große Herausforderung, und wir haben schon viel Geld verloren. Ich bin auch mal gespannt, ob wir tatsächlich die 75 Prozent unserer Einnahmen vom vergangenen November für die Zwangsschließung in diesem Monat erhalten.“

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Er habe seit März 70 von 250 Mitarbeitern, das meiste seien Aushilfen gewesen, entlassen müssen. Jetzt sind fast alle verbliebenen Angestellten wieder in Kurzarbeit. „In der Gastronomie macht das Trinkgeld einen großen Bestandteil des Gehalts aus. Das fällt jetzt alles weg, und was bleibt, ist das Kurzarbeitergeld, mit dem viele finanziell nicht über die Runden kommen.“

Peer Petersen hat sich ein eigenes kleines Imperium aufgebaut

In der Branche kennt sich Peer Petersen bestens aus. Er hat sich ein eigenes kleines Imperium aufgebaut. Dazu gehören sieben Lokale und ein florierender Weinhandel. Das sind im Alstertal das The Locks mit benachbartem Kanuverleih, das Mellinghus mit eigener Kochschule und das Grill-Restaurant Wellingten.

Seit 15 Jahren gehört auch das auf Pasta und Pizza spezialisierte Balducci im Alstertal-Einkaufszentrum (AEZ) dazu. Hier wird für alle Betriebe gebacken. Der Teig dafür wird extra in Italien hergestellt. Ein weiteres Balducci gibt es am Bahnhof Barmbek. Und zur Gastrofamilie gehören die Neumann’s Weinbistros an der Langen Reihe und am Grindelhof. Neumann ist der Mädchenname seiner Mutter, und die heute 81-Jährige führte einst die Bäckerei und Konditorei Neumann am Grindelhof. Wie organisiert Petersen sein Portfolio?

„Ich sehe mich nicht als klassischer Gastronom, sondern als mittelständischer Unternehmer. Ich mache die Konzepte. Ich schaue über jede neue Speisekarte und bin natürlich auch regelmäßig in meinen Lokalen, um zu sehen, ob alles läuft. Aber das Wichtigste sind meine Mitarbeiter vor Ort, die perfekte Gastgeber sind.“ Der Geschäftsmann agiert eher im Hintergrund. „Ich bin kein Wirt, der die Gäste begrüßt und von Tisch zu Tisch geht. Viele wissen gar nicht, dass mir die Restaurants gehören. Die Gäste sollen ja nicht zu uns kommen, um den Peer zu sehen, sondern um lecker zu Essen, gute Weine zu trinken und einfach einen tollen Abend zu haben.“

Corona in Deutschland und weltweit – die interaktive Karte

Aufgewachsen ist er in Hummelsbüttel. „In der Schule war ich kein Ass“, sagt Petersen lächelnd. Aber da war schon immer ein gewisser Ehrgeiz. Nach zwei Schulpraktika in Restaurants machte er eine Ausbildung zum Koch im traditionsreichen Europäischen Hof an der Kirchenallee. „Das war anstrengend, aber diese Zeit hat mich auch sehr geprägt, und ich habe viel gelernt. Ich habe zum Beispiel auch darauf bestanden, im Service eingesetzt zu werden, damit ich alle Bereiche kennenlerne.“

Nach der Ausbildung kochte Petersen im Zwei-Sterne-Restaurant Haerlin im Vier Jahreszeiten. Danach ging er nach London, und hier war die Küche vom Edwardian International am Flughafen Heathrow sein Arbeitsplatz. „Wir haben auch dort einen Michelin-Stern erkocht.“

Zu seinen weiteren Stationen gehörte die Hotelfachschule in Heidelberg, und „eine tolle Zeit hatte ich auf dem Weingut von Franz Keller im Kaiserstuhl mit dem bekannten Gourmetrestaurant Schwarzer Adler. Ich wollte da unbedingt ein längeres Praktikum machen, um noch mehr über das Thema Weinanbau zu lernen.“ Damals traf er übrigens auch auf den Junior Fritz Keller, der heute DFB-Präsident ist.

Im nächsten Jahr feiert das The Locks seinen 25. Geburtstag

Wahrscheinlich hätte sich Petersen danach noch weiter in der Welt umgeschaut. Aber es zog in zurück nach Hamburg. Seine Großmutter, die ihn mit aufgezogen hatte – weil seine Mutter die Geschicke der Bäckerei leiten musste -, war schwer krank. „Da bin ich in Anfang der 90er-Jahre nach Hamburg zurückgekommen. Sie war damals im Krankenhaus, ich habe sie nach Hause geholt und die Pflege organisiert. Meine Oma ist friedlich in gewohnter Umgebung verstorben.“

Schließlich eröffnete Petersen in Schwerin mit einem Partner das Mr. Jones. „Ich hatte Lust auf die Selbstständigkeit. Wir haben dort Burger und Bier serviert. Das wurde gut angenommen.“ Aber wie es das Schicksal wollte, stand Mitte der 90er-Jahre die Poppenbüttler Schleuse – so steht es bis heute in goldenen Lettern über dem Eingang des ehemaligen Schleusenwärterhauses – frei. „Meine Mutter hat mich angerufen und davon berichtet. Da war früher mal eine Kneipe drin, da haben wir häufig gefeiert. Schließlich haben wir dem Vermieter unser Konzept vorgestellt, einen Businessplan gemacht, weil wir ja auch noch einen Bankkredit brauchten.“ Es hat alles geklappt.

Im nächsten Jahr feiert das The Locks seinen 25. Geburtstag. Bis heute sei der New Zealand Lamb Salad der Renner, ebenso wie der The Locks Hamburger und Cheeseburger. Seine Philosophie: „Wir legen Wert auf höchste Qualität bei den Zutaten. Wir setzen natürlich in erster Linie auf regionale Produkte, und ganz wichtig, wir kennen die Händler, bei denen wir kaufen. Natürlich machen wir so viel wie möglich selber, deshalb haben wir auch eine eigene Bäckerei und eine Pâtisserie.“

Workaholic mit ausgeprägtem Sinn für den Sport

Wie viele Stunden Petersen pro Woche arbeitet? „Ich zähle das nicht, aber ich habe schon ein ordentliches Pensum. Die Kunst ist, dass man alle Abläufe perfekt organisiert und delegiert.“ Sich selber beschreibt Petersen als „strukturiert und ehrgeizig.“ Er sei ein konsequenter Mensch, auch als Chef. „Ich kommuniziere viel mit meinen Mitarbeitern, die natürlich auch ihre eigenen Ideen umsetzen sollen. Aber es muss laufen, ansonsten greife ich durch.“ Früher sei er impulsiv gewesen und auch mal laut geworden, wenn ihn etwas geärgert habe. Petersen lächelt wieder. „Heute bin ich ruhiger geworden.“

Dass dieser Mann ein Workaholic ist, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber es gibt da noch etwas, was immer einen festen Bestandteil in seinem Tagesablauf hat. Er muss sich bewegen. „Sport begleitet mein Leben.“ In seiner Jugend hat Petersen beim Hummelsbütteler SV Fußball gespielt. Seit 17 Jahren ist Golfen seine Leidenschaft. „Ich kann dabei wunderbar abschalten.“ Fit hält er sich auch mit Joggen. Er lebt in Harvestehude, und da ist die Außenalster sein bevorzugtes Laufrevier, manchmal hängt er danach aber auch noch eine Runde durch den Stadtpark dran. Er kümmert sich natürlich auch um seine drei Kinder, zwei 18 und 19 Jahre alte Jungs und die zehnjährige Tochter. Gemeinsame Sylt-Urlaube gehören zum Familienprogramm.

In Zeiten des Lockdowns hat Petersen wieder das Kochen zu Hause für sich entdeck

In Zeiten des Lockdowns hat Petersen wieder das Kochen zu Hause für sich entdeckt. „Ich probiere immer neue Kreationen aus.“ Und vor Kurzem ist ihm eine Idee gekommen. „Wenn die Gastronomie wieder öffnen darf und die Vorschriften gelockert werden, würde ich gerne in der Kochschule vom Mellinghus für einen kleinen Kreis von Gästen ein Menü zubereiten. Vielleicht einmal die Woche, und natürlich würde ich dann etwas zu den Produkten erzählen, und die Gäste können live dabei sein bei der Zubereitung.“ Pläne hat Petersen viele. Nächstes Jahr will er wieder nach Südafrika reisen. Er liebt das Land, die Menschen dort, und „in Südafrika gibt es immer wieder neue kreative Gastrokonzepte, von denen ich mich inspirieren lasse. Außerdem gibt es dort hervorragende Weine, vor allem in Stellenbosch und Umgebung.“ Dort wird Petersen die Güter besuchen, von denen er im großen Stil Weine importiert.

Und dann gibt es da noch diesen Traum: „Ich habe einen Bauernhof im Auge. Dort würde ich französische Limousin-Rinder züchten. Einen Hofladen und ein kleines Restaurant eröffnen, wo es dann alles das zu essen gibt, was wir selber anbauen.“ Wo dieses Anwesen liegt, soll noch nicht in der Zeitung stehen. Aber so viel sei schon mal verraten – das Alstertal lässt ihn nicht los.

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