Hamburg. Senat gründet neue zentrale Corona-Einheit. 422 Neuinfektionen am Dienstag – schon 56 Fälle an der Ida-Ehre-Schule.

Angesichts der unverminderten Zunahme der Corona-Infektionen und der schieren Masse an Infizierten, richtet der Senat einen neuen „zen­tralen Leitstand“ ein, in dem das gesamte „Kontaktpersonen-Nachverfolgungsgeschäft“ gebündelt werden soll, wie Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) am Dienstag sagte.

Die Einrichtung, die am Bezirksamt Wandsbek angesiedelt werde, habe bereits 20 Mitarbeiter und solle schrittweise auf 250 Beschäftigte anwachsen. Sie kämen aus allen Bereichen der Verwaltung, unter anderem vom Polizeiorchester, und hätten die Aufgabe, hauptsächlich telefonisch die Kontakte von Infizierten zu ermitteln und zu informieren. Ziel sei es, dass die Gesundheitsämter „von diesem Massengeschäft zu entlasten“, sagte Leonhard. Die Betreuung von Infizierten solle dagegen weiter in den örtlichen Gesundheitsämtern erfolgen.

Die neue zentrale Einheit soll auch einen „Arbeitgeber-Service“ anbieten, an den sich Unternehmen vor allem aus dem Medizin- und Pflegebereich wenden können, um Fragen im Umgang mit Mitarbeitern in Quarantäne klären zu können. Für Beschäftigte in Pflegeheimen, Krankenhäusern und Arztpraxen werde eigens eine neue „Kategorie drei“ (K3) innerhalb der „Kontaktpersonen ersten Grades“ (K1) geschaffen – das sind Menschen, die direkten Kontakt zu einem Infizierten hatten. Für diese „K3“-Personen soll es künftig leichter sein, die Quarantäne durch einen negativen Test vorzeitig aufzuheben, kündigte die Sozialsenatorin an.

Altona hat derzeit die höchste Inzidenz aller Bezirke

Aufgrund angepasster Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) solle bei der Kontaktverfolgung außerdem „die Bearbeitung bekannter Ausbruchsgeschehen“ absoluten Vorrang vor Einzelfällen haben, sagte Leonhard. Ob in Schulen, Kitas oder Pflegeheimen zusätzlich eine Reihentestung vorgenommen werde, werde danach priorisiert, wie gefährdet die betroffenen Personen sind. Krankenhäuser, Pflegeheime und Wohnunterkünfte hätten dabei Priorität, grundsätzlich gelte aber: „Wir wollen in Hamburg weiterhin so viele Reihentestungen wie möglich machen.“

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Die Neuregelungen kämen nicht von ungefähr, sagte Leonhard: „Der Druck auf unsere Testkapazitäten steigt bei der hohen Anzahl an Infizierten täglich.“ Am Dienstag wurden 422 Neuinfektionen vermeldet. Wie das zu bewerten ist, nachdem in der Vorwoche zum Teil höhere Werte erreicht wurden, am Montag aber „nur“ 298, müsse man abwarten, so Leonhard. Erst in drei bis vier Tagen könne man verlässlich sagen, ob der seit dem 2. November geltende Lockdown light etwas bewirke. Klar sei aber: „Die Lage ist nach wie vor sehr angespannt.“

Das zeigt auch ein Blick in die Krankenhäuser: Dort werden 264 Covid-19-Patienten behandelt – 24 mehr als am Wochenende. Unter ihnen sind 209 Hamburger, von denen 54 auf einer Intensivstation liegen. 55 Patienten kommen aus dem Umland, 14 von ihnen werden intensivmedizinisch betreut. Die Zahl der Todesfälle infolge einer Corona-Infektion liegt unverändert bei 256.

So sieht die Corona-Ausbreitung in den Bezirken aus

Betrachtet man die Virus-Ausbreitung nach Bezirken, fällt auf, dass Altona derzeit die unrühmliche Spitzenposition einnimmt. Dort gab es in der Zeit vom 2. bis 9. November 562 Neuinfektionen, was einer Inzidenz (Infektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen) von 204,4 entspricht – weit über dem aktuellen Wert für Gesamt-Hamburg von 164,1. Ebenfalls über dem Schnitt liegen die Bezirke Harburg (336 Fälle, Sieben-Tage-Inzidenz: 198,8), Hamburg-Mitte (584 / 193,4) und Wandsbek (767 / 173,9).

Etwas besser steht Eimsbüttel da (408 / 152,8), sogar deutlich besser Bergedorf (152 / 116,9) und Hamburg-Nord (342 / 108,6). Bemerkenswert daran: Noch vor zwei Wochen hatten Altona (88,4) und Nord (89,2) bei der Sieben-Tage-Inzidenz nahezu gleichauf gelegen. Damals lag Hamburg-Mitte mit einem Wert von 143,0 noch weit vor allen anderen Bezirken.

Auch auf lange Sicht bleiben die Unterschiede enorm, die Reihenfolge ist jedoch eine etwas andere: Während es in Bergedorf seit Beginn der Pandemie bislang „nur“ 692 Infektionen pro 100.000 Einwohnern gab (insgesamt 900), waren es in Mitte 1112 (insgesamt 3359). Dazwischen liegen Harburg (985 pro 100.000 Einwohner / 1665 insgesamt), Wandsbek (964 / 4251), Altona (952 / 2619), Eimsbüttel (809 / 2159) und Hamburg-Nord (789 / 2484).

Zahl der Corona-Infektionen an der Ida-Ehre-Schule steigt weiter

Die Ida-Ehre-Schule in Hamburg
Die Ida-Ehre-Schule in Hamburg © Roland Magunia

Die Zahl der Corona-Infektionen an der Ida-Ehre-Schule steigt derweil immer weiter. Mittlerweile gibt es 56 bekannte Infektionsfälle an der Schule. 51 Schüler und fünf Lehrer sind laut Auskunft der Gesundheitsbehörde betroffen. Der Großteil der Fälle wurde durch einen Massentest entdeckt, bei dem rund 1200 Menschen an der Schule auf das Virus untersucht wurden. Die Schulbehörde sprach, anders als die Gesundheitsbehörde, von nur 55 Fällen.

„Bei 22 Personen war die Infektion bereits bekannt, unter den 1200 getesteten Personen wurden jetzt weitere 33 Corona-Fälle ermittelt“, sagte Schulbehördensprecher Peter Albrecht dem Abendblatt. „Die betroffenen Schülerinnen und Schüler stammen aus insgesamt 25 Schulklassen, die jetzt komplett vom zuständigen Gesundheitsamt in Quarantäne geschickt worden sind.“ Die bisherigen Erkenntnisse ließen darauf schließen, „dass die Quellen der Infektionen sowohl außerhalb als auch innerhalb der Schule zu verorten sind“, so Albrecht. Mithin: Einige Infektionen wurden eingeschleppt, es gab aber offenbar auch Ansteckungen an der Schule selbst.

111 Neuinfektionen an 66 Schulen in Hamburg

„Vor diesem Hintergrund empfiehlt das Gesundheitsamt, dass alle Schülerinnen und Schüler der Schule sich bis zum Ablauf der Quarantänezeit in freiwillige Selbstisolation begeben“, so der Behördensprecher. „Die Schulbehörde hat deshalb nach Rücksprache mit dem Gesundheitsamt entschieden, an der Ida-Ehre-Schule bis Ende der Quarantänezeit am 20. November ausschließlich Distanzunterricht durchzuführen.“ Der Unterricht werde „über digitale Medien durch die Schule organisiert“, so Albrecht.

Die Schulbehörde meldete am Dienstag insgesamt 111 Neuinfektionen an 66 Schulen. Damit sind Schüler und Lehrer – wie bereits in der vergangenen Woche – erneut deutlich überdurchschnittlich von Corona betroffen. Obwohl ihr Anteil an der Hamburger Bevölkerung nur etwas mehr als 15 Prozent ausmacht, lag ihr Anteil an den Neuinfektionen am Dienstag bei mehr als 26 Prozent. Bereits in der vergangenen Woche waren Schüler und Lehrer an jedem Schultag bei den Neuinfektionen überdurchschnittlich stark vertreten.

Corona-Krise: Wo noch Intensivbetten frei sind

600 Millionen Euro zusätzlich für Corona-Bekämpfung

Höhere Zahlen von Infizierten sind laut Schulbehörde gemeldet worden von der Beruflichen Schule für Sozialpädagogik - Anna-Warburg-Schule (sechs Fälle), der Beruflichen Schule Hamburg-Harburg (neun Fälle) und der Grund- und Stadtteilschule Eppendorf (neun Fälle). Es wurden laut Behörde für neun weitere Klassen und für 14 Schulbeschäftigte Quarantänemaßnahmen veranlasst. Insgesamt gibt es derzeit laut Senat 730 akute Infektionen an 220 Schulen. Betroffen sind 585 Schülerinnen und Schüler sowie 145 Schulbeschäftigte. Derzeit sind 81 Klassen und 285 Schulbeschäftigte in Quarantäne. Seit Ende der Herbstferien hat die Behörde 1242 Neuinfektionen im Schulumfeld registriert, davon 982 bei Schülerinnen und Schülern und 260 bei Schulbeschäftigten.

Der Senat hat beschlossen, im laufenden Haushaltsjahr zusätzliche 600 Millionen Euro zur Bekämpfung der Corona-Pandemie aufzuwenden – damit steigen die Ausgaben in diesem Bereich auf 1,6 Milliarden Euro. Von dem Geld würden etwa pandemiebedingte Mehrkosten finanziert sowie der Hamburger Schutzschirm für Wirtschaft, Kultur und Sport, so die Finanzbehörde. Da der Bund die Länder unterstützt, könne die geplante „notsituationsbedingte Kreditaufnahme“ für 2020 aber sogar um 85 Millionen Euro auf nunmehr 915 Millionen Euro abgesenkt werden.

Eilantrag von Fitnessstudios stattgegeben

„Wir schaffen weiter die notwendigen finanziellen Voraussetzungen, um Hamburg bestmöglich durch die Corona-Krise zu führen“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Die Bundeshilfe sei eine erfreuliche Nachricht, aber: „Die Anzeichen für die kommenden Jahre mehren sich, dass wir ähnliche Bundeshilfen auch in den Jahren 2021/2022 brauchen.“ Der Steuerschätzung zufolge könnte Hamburg bis 2024 bis zu fünf Milliarden Euro weniger an Steuern einnehmen.

Das Verwaltungsgericht hat dem Eilantrag der Betreiberin mehrerer Fitnessstudios stattgegeben, die gegen die coronabedingte Schließung vorgegangen war. Die Stadt legte dagegen sofort Beschwerde beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht ein – Entscheidung offen.

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