Hamburg. Am 8. November startet der Hamburger bei der härtesten Regatta der Welt. Greta Thunberg hat Zeichnungen an Bord versteckt.
Den Heiligen Christophorus hat Boris Herrmann bereits im Koffer verstaut. Vor dem Start des Rennens wird der 39-Jährige die Plakette an den Kartentisch kleben. Der Profisegler kann die Dienste des Schutzpatrons der Reisenden wirklich gebrauchen. Am 8. November beginnt für den Hamburger im französischen Les Sables-d’Olonne das Abenteuer seines Lebens. Die Vendée Globe gilt als härteste Regatta der Welt: 33 Alleinsegler werden sich ein Rennen um den Globus liefern. Es darf kein Hafen angesteuert werden, jede fremde Hilfe ist verboten.
Gemessen an dieser Herausforderung wirkte Herrmann am Montag bei einer virtuellen Presserunde entspannt. „80 Prozent unseres Weges sind bereits erreicht, wenn wir am 8. November starten“, sagte Herrmann. Als erster deutscher Segler überhaupt hat er sich für das Rennen qualifiziert. Allein das millionenschwere Budget war eine Herausforderung, machbar dank der Unterstützung des Yacht Clubs Monaco und des Speditionsriesen Kühne + Nagel.
Tragflächen aus Carbon
Herrmann meidet den Begriff Sponsoren, spricht lieber von Partnern. Kein Wunder, mit dem Monegassen Pierre Casiraghi, Sohn von Caroline von Hannover, verbindet ihn eine enge Freundschaft. Casiraghi, selbst ein exzellenter Segler, ist zugleich sein Teamchef. Und Kühne + Nagel hat eine Plattform namens Seaexplorer („Seeforscher“) für nachhaltigere Schifffahrt entwickelt, so heißt jetzt auch die 2015 gebaute Yacht.
Das Boot, 18,28 Meter lang, 5,70 Meter breit, hat mit einer klassischen Yacht indes so viel gemein wie ein Formel-1-Bolide mit einem VW Golf. Gebaut ist das Schiff dafür, möglichst schnell und möglichst sicher über die Meere zu segeln. Dank Foils, Tragflächen aus Carbon, eingebaut in der Schiffsmitte, fliegt die Seaexplorer bei entsprechendem Wind förmlich über das Wasser und erreicht Spitzengeschwindigkeiten von über 60 km/h. Spätestens dann wird der Lärm ohrenbetäubend.
Kein Komfort
Von Komfort keine Spur. Als Toilette dient ein Eimer, als Proviant 80 abgepackte Beutel mit zwei Hauptmahlzeiten für jeden Tag, eine Portion gefriergetrocknet, eine Portion vorgekocht. Letzteres betrachtet Herrmann als „Luxus“. Denn die vorgekochte Portion wiegt durch die Flüssigkeit 350 bis 450 Gramm, die Trockennahrung nur 80 bis 100 Gramm. „Aber es tut einfach gut, eine Mahlzeit am Tag mit natürlicher Konsistenz essen zu können“, sagt Herrmann.
Weit mehr als die Nahrungsaufnahme wird den Teilnehmern der Schlafmangel zu schaffen machen. „Das Schlafen wird komplett vom Wetter diktiert“, sagt Herrmann. Bei rauer See ist höchstens ein Nickerchen über ein paar Minuten drin. Nur bei gleichmäßigen Passatwinden darf Herrmann mal eine Stunde am Stück schlafen, dann klingelt der Wecker. Weitgehend steuert zwar der Autopilot die Yacht, aber Herrmann muss dennoch ständig abwägen, wie er den Kurs an die Wetterbedingungen anpasst.
Kollisionen vermeiden
Gefahren lauern durch Kollisionen, etwa mit kleinen Fischerbooten. Installiert hat Herrmann das neue System Oscar. Zwei Wärmebild- und eine Tageslichtkamera entwerfen dreidimensionale Bilder. Über künstliche Intelligenz und Datenbanken gleicht Oscar das mögliche Kollisionsrisiko ab. „Bei einem vorbeifliegenden Vogel gibt es nur ein kurzes Piepen, da kann ich entspannt bleiben“, sagt Herrmann. Aber wenn das System Alarm schlägt, weiß er, dass er sofort reagieren muss.
Neben 170 Kilogramm Ersatzteilen hat Herrmann, der als extrem geschickter Bastler gilt, auch eine halbe Werkbank mit an Bord, um kleinere und größere Schäden reparieren zu können. Der Segler verfügt inzwischen auch über reichlich medizinisches Wissen, könnte im Notfall selbst eine Füllung in einem maladen Zahn wechseln: „Das habe ich an einem künstlichen Gebiss geprobt.“
Obwohl Herrmann alles versucht, um das Gewicht des Bootes zu reduzieren, ließ er ein 17 Kilogramm schweres Messgerät im Kiel montieren. Das Gerät misst den CO2-Gehalt des Wassers. Die Daten sind kostbar, liefern sie doch Aufschluss über den Klimawandel.
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Gerade dieses Engagement verhalf Herrmann 2019 zu seinem prominentesten Passagier. Er chauffierte die schwedische Klima-Ikone Greta Thunberg nach New York zum UN-Gipfel. Die Reise sorgte weltweit für Schlagzeilen. Greta schickte ihm jüngst ihre Wünsche für ein gutes Gelingen nach Hamburg. Mehr noch: Bei dem Trip in die Staaten versteckte sie in den Ecken des Schiffs kleine Zeichnungen, Herrmann hat vom 8. November an nun im Idealfall etwa 70 Tage Zeit, sie zu finden. Denn dann könnte er das Ziel wieder erreichen.
Vorher allerdings muss der Hamburger noch eine wichtige Prüfung überstehen. Zwei Tage vor dem Rennen wird er wie alle Teilnehmer auf Corona getestet. Ein positiver Test würde seinen Lebenstraum zerstören, entsprechend nimmt er sich in Acht. „Ich lebe jetzt in Hamburg fast in Quarantäne“, sagt Herrmann. Er kann es genießen. Töchterchen Marie-Louise machte am 13. Juni sein Glück mit Ehefrau Birte komplett.