Hamburg. Stefan Gwildis, Joja Wendt und Rolf Claussen spielen gegen Abholzung. Zum Wandsbeker Gehölz haben sie eine Verbindung.

Die Musikhalle bekam am Sonntagnachmittag Konkurrenz vom Wandsbeker Gehölz. Wo einst der Dichter Matthias Claudius, „Wandsbecker Bothe“ und Schöpfer des Liedes „Der Mond ist aufgegangen“, spazieren ging, lauschten rund 350 Zuhörer mit Masken und Abstand den „Söhnen Hamburgs“, kostenfrei und draußen, an der frischen Luft.

Allerdings: Die am Freitagnachmittag vom Senat verschärften Corona-Regeln lassen im Freien eigentlich nur 100 Teilnehmer bei Veranstaltungen zu, wenn es keine Sitzplätze gibt. So war die Polizei vor Ort und forderte die Zuschauer auf, mehr Abstand zu halten

Stefan Gwildis, Joja Wendt und Rolf Claussen spielen gegen Abholzung

Während die Mitglieder der beliebten „Best-Ager-Band“ Stefan Gwildis, Joja Wendt und Rolf Claussen Kostproben ihres Repertoires gaben, konnten die Zuhörer für kurze Zeit den eigentlichen Anlass ihres Konzertbesuches vergessen. Der Verein Lärm- und Umweltschutz Wandsbek-Marienthal hatte das inzwischen zweite Wandsbeker Waldkonzert organisiert.

Mit dieser Reihe will er auf die drohende Abholzung von Bäumen im Wandsbeker Gehölz und die geplanten Baumaßnahmen auf der Bahntrasse hinweisen. Die Deutsche Bahn AG will die Strecke von Hamburg Richtung Bad Oldesloe für die S 4 und gleichzeitig für den internationalen Güterverkehr ausbauen und dafür 1,8 Milliarden Euro investieren.

Anwohner fürchten pausenlosen Güterverkehr

Die Pläne zum S-4-Bau stoßen beim Verein und bei den Anwohnern keineswegs auf Kritik. Aber sie wehren sich gegen den geplanten pausenlosen Güterverkehr, sechs Meter hohe Lärmschutzwände, den Abriss des Bahnhofs und das Vorhaben, Dutzende teilweise 200 Jahre alte Bäume zu fällen. Spruchbänder zwischen den betagten Eichen, Buchen und Linden brachten Unmut und Forderungen sichtbar auf den Punkt: „Hände weg vom Wandsbeker Gehölz“ oder „Lasst uns leben“ war darauf zu lesen.

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Mit den Künstlern Stefan Gwildis und Rolf Claussen konnten die Veranstalter kaum bessere Unterstützer finden, denn beide hatten in den 1970er-Jahren als Schüler das Matthias-Claudius-Gymnasium Wandsbek besucht. Stefan Gwildis sagte dem Abendblatt am Rande des Konzerts: „Wir kennen aus dieser Zeit das wunderbare Gehölz und lieben die alten Bäume. Oft haben wir Exkursionen dorthin gemacht – auch im Rahmen des Biologieunterrichts.“ Der Baumbestand müsse erhalten werden, auch und gerade für die Enkelkinder.

Gwildis: Ein Baum ist ein Lebewesen, das es zu schützen gilt

Und dann erzählte er vor dem Konzertpublikum die Geschichte des beliebten Biologielehrers, den sie respektvoll „Affen-Meyer“ nannten. Bei einer winterlichen Exkursion wollte er vor einem Baum stehend wissen, was sie da gerade sähen. Die Jungs zuckten mit den Achseln. „Einen Baum!“, bekräftigte der Lehrer nach einer längeren Pause. Einen Baum – ein Lebewesen, das es zu schützen gilt, fügte Gwildis hinzu. Die Söhne Hamburgs forderten, bevor sie „Der Mond ist aufgegangen“ sangen, dass Alternativen für die Trassenführung geprüft werden müssten, um den Baumbestand zu retten.

Ähnlich äußerte sich der Vereinsvorsitzende Arnold Harmsen. Er kündigte an, dass am Montag vor dem Bundesverwaltungsgericht der zweite Eilantrag und eine Klage von acht teilweise betroffenen Eigentümern eingereicht werde. Derzeit sind die Bauarbeiten durch die jüngste Gerichtsentscheidung zunächst auf Eis gelegt.

Das Projekt S 4 umfasst den Ausbau der S-Bahn-Strecke vom Hauptbahnhof in Richtung Bad Oldesloe. Erwartet wird, dass der Güterverkehr zunimmt. Der Rahlstedter SPD-Abgeordnete Ole Thorben Buschhüter rechnet künftig mit 84 statt – wie heute – 30 Güterzügen pro Tag.

Das sind die Baupläne für die S4:

  • Während zwischen Altona und Hasselbrook sowie zwischen Ahrensburg-Gartenholz und Bad Oldesloe die vorhandene Infrastruktur genutzt wird, müssen auf der Strecke von Hamburg-Hasselbrook bis Ahrensburg-Gartenholz zwei neue S-Bahn-Gleise gebaut werden.
  • Auf Hamburger Gebiet werden vier neue Stationen gebaut: Zwischen Hasselbrook und Tonndorf sind die Stationen Claudiusstraße, Bovestraße, Holstenhofweg geplant und zwischen Tonndorf und Rahlstedt soll die Station Am Pulverhof entstehen. Auf Schleswig-Holsteiner Gebiet wird die S-Bahn-Station Ahrensburg-West gebaut.
  • Die gesamte Strecke wird mit elektrischen Oberleitungen beziehungsweise Gleichstrom-Schienen ausgestattet und erhält eine neue Leit- und Sicherungstechnik.
  • Rund 100 Millionen Euro sind für den Lärmschutz vorgesehen. In Hamburg werden davon fast zwei Drittel, in Schleswig-Holstein rund ein Drittel investiert.