Hamburg. Beschäftigte von Hochbahn und VHH legten Arbeit nieder. Fahrgäste nahmen es gelassen. So lief der Tag in Hamburg ab.

Der 24-stündige Warnstreik bei der Hamburger Hochbahn und den Verkehrsbetrieben Hamburg Holstein (VHH) hat am Donnerstagmorgen den öffentlichen Nahverkehr in und um Hamburg lahmgelegt.

Busse und Bahnen ausgefallen: Streik bei Hochbahn und VHH

Ab 3 Uhr morgens blieben sämtliche U-Bahnen und Busse in den Depots, lediglich zwei Tochterunternehmen der VHH in Rahlstedt und Ahrensburg waren im Einsatz.

Die Beschäftigen der VHH nahmen um 15 Uhr die Arbeit wieder auf, sodass ab nachmittags in Hamburgs Osten und Westen wieder Busse verkehrten. Tagsüber fuhren nur S- und Regionalbahnen. Trotz des Streiks herrschte laut Polizei und Deutscher Bahn auf den Straßen und in den S-Bahnen eine „Alltagslage“.

Hochbahn entschied sich gegen Notbetrieb

Der Einsatzstab der Hochbahn hatte am frühen Donnerstagmorgen entschieden, nicht einmal einen Notbetrieb aufzunehmen. Das könne dazu führen, dass es eine Überfüllung gebe, hatte das Unternehmen schon zuvor angekündigt.

Obwohl die Medien seit Tagen über den Streik berichtet hatten, sah man an U-und Umsteige-Bahnhöfen vereinzelte Fahrgäste, die verwirrt die Streikhinweise auf den Anzeigetafeln lasen.

Touristen und Reisende in Hamburg von Streik überrascht

Am Hauptbahnhof waren es vor allem Touristen und Reisende, die nichts von dem Streik mitbekommen hatten. Viele wollten dort in die U-Bahn umsteigen. So wie die beiden Freundinnen Vanessa und Katharina aus Münster, die eine Woche Urlaub in Hamburg machen wollen und auf dem Weg zum Hotel am Hauptbahnhof strandeten.

Verärgert waren sie nicht über den Streik. „Klar stört das ein bisschen, aber ich finde es verständlich“, so Katharina. Sie würden versuchen, mit der S-Bahn ans Ziel zu kommen.

Vom Dammtor im Taxi Richtung Hoheluft

Auch am Dammtor-Bahnhof kam das Fahrtende für manche überraschend – etwa für Hanne-Lore Pantermähl, die mit der S-Bahn aus Wedel gekommen war, und für Werner Böss aus dem hessischen Bad Arolsen, der gerade aus dem Zug gestiegen war.

Beide wollten mit der Buslinie 5 weiterfahren: die Seniorin in eine Praxis an der Hoheluftchaussee, Böss ins UKE. „Die Deutsche Bahn hat mich zwar über eine Änderung des Sitzplatzes informiert, nicht aber darüber, dass in Hamburg gestreikt wird“, sagte der Hesse. Spontan beschlossen die beiden, sich ein Taxi zu teilen.

Hamburger steigen – wenn möglich aufs Rad um

An der U-Bahn-Station Hoheluftchaussee wollte sich Matthias Klink, Sänger an der Staatsoper, gerade ein Ticket kaufen, als er von dem Streik erfuhr. „Sonst fahre ich immer mit dem Rad, aber das wurde heute Nacht geklaut“, so der Stuttgarter, der dann zu Fuß zur Probe ging.

Auch Roya Loggmann hätte sich fast ein Ticket gezogen. „Ich habe zwar von dem Streik im Radio gehört, aber nicht mehr dran gedacht“, sagte sie – und nahm ein StadtRad, um zur Arbeit zu fahren. Die Kölner Annika H. und Niklas S., die für einen Kurztrip in Hamburg sind und im Schanzenviertel frühstücken wollten, beschlossen, durch den Eppendorfer Weg dorthin zu bummeln.

Große Schwierigkeiten für Fahrgäste bei Weg zur Arbeit

Ärger oder Unverständnis über den Streik äußerte keiner der befragten Fahrgäste. Auch der Fahrgastverband Pro Bahn gab sich verständnisvoll. Das Recht auf Streik sei ein wichtiges Grundrecht, um Arbeitnehmern Möglichkeiten zu geben, ihre Forderungen durchzusetzen, hieß es in einer Pressemitteilung. „Es ist im Sinn der Fahrgäste, wenn das Personal anständig bezahlt wird. Das erhöht die Motivation auf der Arbeit und das nehmen wir als Fahrgäste auch wahr.“

Es sei aber nicht notwendig, den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gleich völlig lahmzulegen, was besonders Fahrgäste auf dem Weg zur Arbeit in große Schwierigkeiten bringe. Hans-Uwe Kolle, Vorsitzender des Pro-Bahn-Regionalverbandes Hamburg und Umgebung, fordert Regelungen für einen Notbetrieb.

„Wir verweisen darauf, dass es in anderen Branchen entsprechende Regelungen für einen Notbetrieb gibt – warum nicht auch im öffentlichen Verkehr? Wir Fahrgäste wollen anständig bezahltes und motiviertes Personal, aber wir müssen eben auch fahren können.“

Buchholz übt Kritik am Warnstreik – wegen Corona

Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz kritisierte den Warnstreik, der sich auch in den Randgebieten in Schleswig-Holstein bemerkbar machte. „Die Corona-Zahlen haben heute einen Rekordwert erreicht“, so der FDP-Politiker.

Angesichts dessen sollte Ver.di darüber nachdenken, ob ein Streik im ÖPNV „eine gute Idee sei.“ Menschen würden gezwungen, dicht gedrängt die Verkehrsmittel anderer Betriebe zu nutzen – „was für den Gesundheitsschutz und für das Eindämmen des Infektionsgeschehens kontraproduktiv ist“.

Ver.di weißt Kritik am Streik zurück

Bei Ver.di will man sich diesen Vorwurf nicht gefallen lassen. „Die Unannehmlichkeiten für die Fahrgäste tun uns leid, aber es geht uns um die Beschäftigten“, sagte Natale Fontana vom Landesverband Hamburg. Bei der Hochbahn sei seit 1994 nicht mehr gestreikt worden.

Der dort geltende Haustarifvertrag enthalte viele der bundesweiten Forderungen der Gewerkschaft noch nicht. So litten viele Beschäftigte unter den geteilten Diensten, die ihren Arbeitstag zerrissen, Fehlzeiten würden sanktioniert und Teilzeitkräfte wären bei der Überstundenregelung benachteiligt.

Kein erhöhtes Verkehrsaufkommen trotz ÖPNV-Streik

Zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen kam es durch den Streik weder in den S-Bahnen noch auf den Straßen. Die Polizei sprach von einer „Alltagslage“, die Deutsche Bahn von einem „ruhigen S-Bahn-Betrieb“.

Nach Angaben des an den Umsteigebahnhöfen Barmbek und Ohlsdorf eingesetzten Servicepersonals waren die meisten Fahrgäste gut informiert und gelassen.