Hamburg. Die Ökonomin Jetta Frost sagt, Fachkräfte arbeiteten mehr und besser im Homeoffice. Welche Regeln man beachten muss.

Die Corona-Pandemie hat einen Modernisierungsschub für unsere Arbeitswelt mit sich gebracht. Die Frage ist, was davon bleiben wird. Laut einer Studie des Deutschen Instituts der Wirtschaft (DIW) könnten 40 Prozent aller Aufgaben von zu Hause aus erledigt werden, bei Arbeitnehmern mit hohen Bildungsabschlüssen sogar 75 Prozent. Vor der Pandemie gab nur einer von acht Beschäftigten in Deutschland an, dass er oder sie manchmal von zu Hause arbeitet; lediglich einer von 25 tat dies regelmäßig.

Die Ökonomin Jetta Frost, Professorin für Organisation und Unternehmensführung an der Universität Hamburg, ist überzeugt, dass künftig Mischformen an der Tagesordnung sein werden mit Zwei-zu-drei-Varianten – also drei Tage im Büro und zwei zu Hause oder umgekehrt, je nach Aufgabenzuschnitt.

Wie man Homeoffice und Büroarbeit verbinden kann

Es gibt aber auch Studien, die durch den Trend zur Heimarbeit Milliardenverluste für die Volkswirtschaften befürchten – ganze Wertschöpfungsketten von Vermietern über Bauunternehmen, Reinigungsfirmen, Gastronomie und Verkehrsunternehmen litten unter dem neuen Arbeiten.

Im Interview erklärt Jetta Frost, wie sich Arbeiten zu Hause und im Büro verbinden lässt, welche Fallen es gibt und warum das Führen von Teams anspruchsvoller wird.

Werden wir nach der Pandemie alle zu Hause arbeiten?

Prof. Jetta Frost: Wir werden weiterhin auch im Homeoffice arbeiten. Es wird kein „Entweder-oder“ geben. Wir müssen jetzt ausprobieren, wie wir Homeoffice-Elemente mit Präsenz im Büro kombinieren. Die Ausgestaltung der Mischformen – also von Hybridmodellen sollte sich an den jeweiligen Aufgabenzuschnitten orientieren.

Wie viel Homeoffice ist denn möglich?

Eine Studie des Deutschen Instituts der Wirtschaft (DIW) hat herausgefunden, dass in Deutschland vor der Pandemie weniger Angestellte als in anderen wirtschaftsstarken EU-Ländern zu Hause gearbeitet haben. Damals gaben einer von acht Beschäftigten an, dass er oder sie manchmal von zu Hause arbeitet; nur einer von 25 tat dies regelmäßig. Es gibt aber viel mehr Aufgabenzuschnitte, die sich für Homeoffice eignen würden. Die Studie spricht von rund 40 Prozent der Jobs und sogar von bis zu 75 Prozent für solche mit hohen Bildungsabschlüssen, weil hier der Wissensanteil besonders hoch ist. Eine andere Studie mit Daten aus den USA zeigt, dass sich Arbeitsplätze in Städten einfacher ins Homeoffice verlagern lassen als solche in ländlichen Regionen.

Manchen Mitarbeitern fällt zu Hause allerdings die Decke auf den Kopf, oder das Arbeiten im Familienumfeld ist schwierig.

Der Corona-Stillstand war eine Ausnahmesituation. Für die einen gab es sicherlich das Gefühl der sozialen und professionellen Isolation. Dazu gehört auch das Gefühl, einem falle die Decke auf den Kopf. Für andere funktionierten während des Corona-Stillstands sonst verlässliche Betreuungslösungen nicht mehr und deshalb war zu Hause viel los. Eine Balance zu finden fiel schwer. Das ruckelt sich ja jetzt wieder besser zurecht. Und dann kommen auch die Vorteile von Homeoffice zum Tragen, nämlich mit weniger Unterbrechungen, in Ruhe am Stück arbeiten zu können. Das empfinden viele Leute als effektiver und produktiver. Sie sind zufriedener und motivierter. Außerdem haben sie weniger Dichtestress, wenn sie nicht in der Rushhour unterwegs sein müssen.

Sind Menschen im Homeoffice produktiver?

Das ist vielfach untersucht worden. Homeoffice fördert die Leistungsanstrengung und verbessert die Produktivität. Im Durchschnitt arbeiten Menschen zu Hause sogar ungefähr fünf Stunden mehr als in der Firma. Sie arbeiten dort selbstbestimmter und selbst organisiert – das motiviert, weil es das Bedürfnis nach Autonomie erhöht. Außerdem führt die Arbeit zu Hause dazu, dass die Beschäftigten eine größere Verantwortung für ihre Arbeitsergebnisse übernehmen. Das kann das Gefühl von Kompetenzerleben stärken. Das ist unmittelbar nachvollziehbar. Es reicht nun nicht mehr aus, einfach am Arbeitsplatz anwesend zu sein, regelmäßig in der Teeküche rumzustehen oder einen hohen Redeanteil in der Morgenrunde zu haben. Stattdessen muss man ja präsentieren oder rückmelden, was man geleistet hat. Oft wird solche Arbeit dann von den Beschäftigten auch als bedeutsamer erlebt. Zweischneidiger kann Arbeiten im Homeoffice beim Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit ausfallen, was ebenfalls für die Motivation wichtig ist. Hier geht es um das Gefühl, mit anderen verbunden zu sein, sich auch im Homeoffice der eigenen Organisation zugehörig zu fühlen.

Wie kann eine gute Mischform aus Heimarbeit und Büroarbeit aussehen?

Ideal sind Modelle, bei denen die Beschäftigten im Homeoffice all das erledigen, was sie in Ruhe möglichst ohne Störungen tun müssen. Und wer Austausch braucht, etwas abstimmen muss oder gemeinsam an einer neuen Idee tüfteln will, macht das dann besser vor Ort im Büro. Da muss man für jedes Unternehmen und vielleicht sogar für jeden Arbeitnehmer anschauen, welche Anteile diese Tätigkeiten haben. Das ist übrigens umso praktikabler, wenn es Vertrauensarbeitszeit und flexible Arbeitszeitarrangements gibt und nicht mit der Stechuhr abgerechnet wird.

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  • Wie sollte das Verhältnis sein?

    Die erste Regel muss lauten, dass man deshalb zu Hause arbeitet, weil man dort bestimmte Aufgaben besser erledigen kann – und nicht, weil man so Kinderbetreuung organisieren will. Das ist genau das Problem: Oft möchten Beschäftigte Homeoffice an bestimmten, festgelegten Tagen vereinbaren, weil sie da ihre Kinder betreuen müssen, dann aber auch nicht erreichbar sind. Das ist dann schwierig, wenn eben sie just an diesem Tag für wichtige Absprachen erforderlich sind. Einfacher ist es, wenn man flexible Regelungen mit verlässlicher Erreichbarkeit hinbekommt.

    Sind Präsenztage im Büro sinnvoll?

    Ja, aber es hängt davon ab, was dann dort passiert. Ein Präsenztag um der Präsenz willen macht wenig Sinn. Inzwischen haben viele während des Corona-Stillstands das Arbeiten im Homeoffice schätzen gelernt und akzeptieren jetzt weniger langweilige Sitzungen und betrieblichen Leerlauf. Nicht umsonst hat es der legendäre Satz „da machen wir dann mal ein Meeting zu“ unter die nervigsten Bürosprüche geschafft. So sollten Präsenztage also nicht aussehen. Schließlich wird gemeinsame Zeit mit den Kollegen kostbarer. Regelmäßiger direkter Austausch, vor allem auch informeller Art, stärkt das wechselseitige Vertrauen. Das ist in virtuellen Umgebungen, also online vor dem Computer aus dem Homeoffice heraus, schon etwas schwieriger zu erzeugen.

    Wie viel Prozent wird Homeoffice Ihrer Erwartung nach ausmachen?

    Vermehrt beobachten wir die Drei-zu-zwei- und Zwei-zu-drei-Varianten, also drei Tage im Büro und zwei zu Hause oder umgekehrt, je nach Aufgabenzuschnitt. Klar ist: Hohe Präsenz bedeutet nicht automatisch hohe Performanz. Und das wissen auch immer mehr Führungskräfte.

    Damit werden Absprachen wichtiger.

    Die Frage, wie wir unsere Zusammenarbeit gestalten wollen, tarieren wir mit der hybriden Arbeitssituation gerade neu aus. Traditionelle Abstimmungsformate passen nicht mehr immer richtig. Meetings können ein kraftvolles Organisationsinstrument sein, weil sie helfen, das Unternehmen über Abteilungsgrenzen und Hierarchieebenen hinweg zusammenzuhalten. Aber ein Kalender voll mit Sitzungen, die dann schlecht vorbereitet sind und gefühlt endlos dauern, ist nicht sinnvoll. Ein bekannter Meeting-Forscher empfiehlt, Sitzungen einfach mal 15 Minuten kürzer zu machen, als man es sonst immer macht. Gerade bei virtuellen Meetings merken wir: Wir kommen besser zurecht mit kurzen, prägnanten Impulsen, statt lange Präsentationen einzuplanen. Die Chatfunktionen in den virtuellen Meetings können gezielt als weiterer kondensierter Informationskanal genutzt werden. Es gibt eine neue Dynamik, auch weil die Konzentrationsspanne bei Videokonferenzen kürzer ist.

    Gibt es Tipps für Homeoffice oder hybrides Arbeiten?

    Man muss sich Routinen schaffen, diese gut organisieren und dann auch durchhalten. Was nehme ich mir für heute vor? Habe ich alle Informationen dafür zusammen? Habe ich noch Abstimmungsbedarf? Wann bin ich dazu verbindlich erreichbar? Das bedeutet: Wenn man an einem größeren Thema arbeitet, sollte man eben nicht dauernd E-Mails checken oder Hausarbeit nebenbei erledigen. Irgendeine Pflanze ist immer schlapp, könnte gegossen und bei Gelegenheit vielleicht auch gerade noch mal gedüngt werden. Man muss sich im Home­office mehr fokussieren. Und es ist ganz wichtig, sich eine Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Wer Kinder hat und seinen Arbeitsplatz mitten im Wohnzimmer aufbaut, muss sich nicht wundern, wenn es nicht klappt. Last but not least, schon fast banal, gehört auch eine verlässliche Infrastruktur samt stabiler Internetverbindung dazu.

    Wie verändern sich Führungsaufgaben, wenn mehr Beschäftigte zu Hause arbeiten?

    Die Führungsaufgabe wird anspruchsvoller, weil die Chefs selbst besser planen und auch sich besser organisieren müssen. Sie müssen mehr Anstrengung in die Bemühung stecken, dass sich das Team auch wie ein Team fühlt. Wichtig ist auch, sich darüber zu verständigen, was man wechselseitig voneinander erwartet, und Spielregeln zu erarbeiten. Das Führen von Teams im Homeoffice ist einfacher, wenn es sich um Kollegen handelt, die schon lange zusammenarbeiten und eine Bindung haben. Neue Teams zusammenzubauen ist deutlich schwieriger. Generell gilt: Man muss mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zu Hause arbeiten, Aufgaben klarer vereinbaren und immer wieder sicherstellen, dass alle am selben Strang ziehen. Haben wir ein gemeinsames Ziel? Ist allen klar, woran wir jetzt arbeiten? Haben wir denselben Subtext? Dazu gehört auch in einer virtuellen Arbeitsumgebung eine regelmäßige Rückmeldung über die Qualität der Ergebnisse.

    Das ist für beide Seiten anspruchsvoll.

    Wie erhält man den Teamgeist, und wie lassen sich neue Kollegen – im Homeoffice – integrieren?

    Neue Kollegen virtuell einzubinden ist nicht ganz leicht. Da muss man mit den neuen digitalen Formaten spielen und auch für traditionelle Formen des Austauschs eine Entsprechung in der virtuellen Welt finden, wenn das kurze Gespräch auf dem Weg zur Kantine wegfällt. In letzter Zeit habe ich öfter die Empfehlung gelesen, auch virtuell genau solche Momente zu kreieren, zum Beispiel ein virtuelles Café einzurichten, in dem es eben keine formale Tagesordnung gibt. Insgesamt ist virtuelle Teamarbeit erfolgreicher, wenn es Interaktionserfahrungen aus Face-to-face-Meetings gibt, weil dann schon eine gewisse Vertrautheit besteht.

    Wie steht es mit der Kreativität von Teams, die im Homeoffice wenig Austausch haben?

    Das kann sogar produktiv sein, weil Teammitglieder zunächst mal für sich etwas erarbeiten und dann mit konkreten Ideen oder Thesen zusammenkommen. Allerdings gibt es aus Face-to-face-Meetings auch bewährte Interaktionsmuster, die man für virtuelle Teammeetings neu einüben muss. In einem eigenen Projekt in der öffentlichen Verwaltung haben wir noch kurz vor dem Corona-Lockdown die Gelegenheit gehabt, Face-to-face-Teamsitzungen aufzuzeichnen, bei denen es darum ging herauszufinden, wie neue Ideen entstehen. Bei der Analyse der einzelnen Gesprächssequenzen haben wir etwas ganz Erstaunliches festgestellt: Es gibt ganz kleine Überlappungen beim Sprechen: Der eine redet noch, und die andere greift schon den roten Faden auf: „Ach ja, genau – da fällt mir auch etwas zu ein.“ Und kleine, ganz feine Rückmeldungen wie ein zustimmendes, fast murmelndes „mmh“ tragen zum Weiterspinnen einer Idee bei. Die Frage ist nun, wie solche Interaktionsmuster auch in einer virtuellen Umgebung funktionieren. Da machen wir ja bisher eher die Erfahrung, dass alle auf die kleinen Personen-Kacheln auf Bildschirm starren und es immer etwas dauert, bis die nächste Person das Wort ergreift.

    Steht Homeoffice Karriere im Weg?

    Diese Befürchtung wird von Beschäftigten in Befragungen immer wieder geäußert. Sie haben Sorge, sie fallen aus dem Diskurs in der Firma heraus oder ihre vorgesetzte Führungskraft unterstütze sie nicht genügend in ihrer Karriereentwicklung. Die Daten geben das aber nicht unbedingt her. Die größte Nachfrage nach Homeoffice wird von Beschäftigten mit sehr qualifizierten Vollzeitstellen geäußert. Das ist interessant, weil viele ja das Gefühl haben, der Wunsch nach Home­office kommt vor allem von teilzeitarbeitenden Menschen mit Familienverpflichtungen. Wenn Homeoffice mit Teilzeitarbeit einhergeht, ist es eher die Teilzeit, die der Karriere im Weg steht. Gerade das Top-Management war auch schon vor Corona viel unterwegs und nicht immer im Büro präsent.

    Dann ist Homeoffice also gerade in Führungspositionen möglich?

    Wenn die digitale Technik tatsächlich die unzähligen Dienstreisen teilweise ersetzt – dann ja. Wenn Führungskräfte viel auf Dienstreisen sind, daneben aber auch noch viel von zu Hause aus arbeiten und kaum noch ansprechbar sind – dann wird es schwierig.

    Für wen eignet sich Homeoffice überhaupt?

    Homeoffice eignet sich besonders für alle, die wissensintensiv arbeiten. Eine amerikanische Studie hat in einem Laborexperiment herausgefunden, dass bei solchen Aufgaben die Arbeitsproduktivität steigt, während bei langweiligen, repetitiven Aufgaben Homeoffice negative Auswirkungen auf die Arbeitsproduktivität hat.

    Wollen Firmen durch ein Mehr an Heimarbeit auch Geld sparen?

    Sicherlich spielt der Kostenaspekt für viele Unternehmen eine Rolle. Sie überlegen, Fläche abzumieten. Der Trend ist, dass Mitarbeiter keine festen, sondern wechselnde Arbeitsplätze nutzen. Dafür werden in den Unternehmen aber dann auch mehr Orte gebraucht, an denen man zum „Co-Working“ zusammenkommen kann.

    Werden Arbeitgeber attraktiver, wenn sie großzügige Homeoffice-Reglungen anbieten?

    Ja, unbedingt. Gerade die jüngere Generation möchte sinnvolle, inhaltlich herausfordernde Aufgaben übernehmen, hat aber weniger Interesse an klassischen Statussymbolen wie dem großen Eckbüro. Hier können sich Arbeitgeber mit großzügigen Homeoffice-Angeboten für gut qualifizierte Fachkräfte interessant machen.

    Wie sehr wird sich die Arbeitswelt in der Zukunft verändern?

    Die Pandemie verändert die Arbeitswelt nachhaltig. Meine Tochter hat sich in der Schule gerade mit der Industriellen Revolution befasst. Damals war es genau umgekehrt: Es sind immer mehr Menschen zum Arbeiten von zu Hause in die Fabriken gegangen. Die extreme Arbeitsteilung an den Maschinen hat Massenproduktion und -konsum möglich gemacht. Jetzt haben wir die gegenläufige Bewegung: Als „Wissensarbeitende“ gehen wir vermehrt wieder nach Hause zum Arbeiten.