Hamburg. Fallzahlen steigen rasant. Täter vernetzen und professionalisieren sich zunehmend. Aber auch Ermittler bekommen mehr Hinweise.
Der Fahrraddieb kennt den Treffpunkt genau, steuert mit seiner Beute ein Gewerbegebiet an. Dort wartet bereits ein Lastwagen auf ihn. Das gestohlene Fahrrad wird direkt gegen Bargeld getauscht und verschwindet auf der Ladefläche. Dort sind bereits andere gestohlene Modelle für den schnellen Abtransport aufgereiht.
Die Szene beschreibt laut den Spezialisten bei der Hamburger Polizei ein neues Phänomen beim Fahrraddiebstahl, der mittlerweile auf Höchstniveau liegt. Bereits seit Ende des Corona-Lockdowns boomt der Fahrradklau in Hamburg. 1272 „Drahtesel“ wurden allein im Juli in der Stadt gestohlen gemeldet. Auch für den August werden in Auswertungen Höchstzahlen erwartet. Die Täter haben sich weiter professionalisiert. Und die Fahrradklauszene sei sehr gut vernetzt. „Wir haben es immer wieder mit denselben Tätern und Hehlern zu tun“, sagt Frank Fürst, Leiter „Arbeitsrate Fahrrad“, einer Art kleine Soko, die seit 2016 das Massenphänomen Fahrraddiebstahl bekämpft. Das hat zu einer Neuausrichtung der Ermittlungen in der Dienststelle geführt. „Unsere Arbeit dreht sich jetzt um die Vielfachtäter“, so Fürst.
Zahl der Fahrraddiebstähle sackte während des Lockdowns ab
Diese Richtung wurde schon Anfang des Jahres festgelegt. Dann kam Corona. Die Zahl der Fahrraddiebstähle sackte während des Lockdowns auf einen langjährigen Tiefststand ab. Danach ging es dafür umso rasanter nach oben. Statistisch wird aber bereits seit Jahren rund alle 30 Minuten in der Hansestadt ein Fahrrad geklaut.
Ein Grund für den Boom beim Fahrradklau ist die Beschaffungskriminalität. „Fahrräder sind das neue Autoradio“, so Fürst in Anspielung auf die frühen 1990er-Jahre, als in Hamburg rund 65.000 Autoaufbrüche angezeigt wurden, bei denen zumeist Autoradios verschwanden, mit deren Verkauf sich Drogensüchtige zu einem Spottpreis den nächsten Schuss Heroin verdienten.
"Täter versuchen, ein gestohlenes Fahrrad schnell loszuwerden"
Ähnlich ist ist es oft beim Fahrraddiebstahl. „Die Täter versuchen, ein gestohlenes Fahrrad schnell loszuwerden“, so Fürst. So wechselt ein Fahrrad, das einen Ladenpreis von über 2000 Euro hat, für um die 80 Euro den „Besitzer“. Gerade hochpreisigere Fahrräder werden dann ins Ausland verschoben. Dort sind sie in der Regel für einen Käufer ähnlich risikolos zu erwerben wie in einem Fachgeschäft. Denn während schon in Deutschland kaum ein gestohlenes Fahrrad einer Tat mangels individueller Kennzeichnung zugeordnet werden kann, ist es im Ausland nahezu unmöglich. Auch ein Zugriff an den neuen Lastwagen-Treffpunkten ist für die Ermittler schwierig: Die Hintermänner wechseln schnell und regelmäßig die Standorte für die Übergaben.
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Neben den Lastwagen in Gewerbegebieten, bei denen direkt auf der Ladenfläche „vertickt“ wird, wie Fürst es sagt, stehen auch bestimmte Gegenden, wie die Billstraße in Rothenburgsort, im Visier der Ermittler. Dort tummeln sich, Im- und Exportfirmen, von denen nach Erkenntnissen der Polizei einige auch gern gestohlene Fahrräder ankaufen. So gab es bereits drei Razzien durch Fürsts Truppe in der Gegend.
Aktuell sind wieder Fahrraddiebe in Hamburg unterwegs
Weiter gibt es auch die „klassischen“ Wege, auf denen gestohlene Fahrräder verkauft werden. Aktuell sind wieder Täter in Hamburg unterwegs, die Fahrräder direkt in Kleintransporter laden. Hier sind es in der Regel hochwertigere Räder, die gezielt ausgesucht werden. Auch sie verschwinden oft in Richtung Ost- oder Südosteuropa. Aber auch auf Flohmärkten und im Internet tauchen gestohlene Fahrräder immer wieder auf.
Viele der örtlichen Täter kämen zudem aus dem Umland der Hansestadt. Die Täter schätzen die Auswahl und die Anonymität, die ihnen die Fahrradstadt Hamburg bietet. Besonders viele Fahrräder kommen im Bereich von Bahnhöfen weg. Aber auch Schulen, Einkaufscenter sowie Sport- und Freizeiteinrichtungen sind immer wieder Anlaufpunkte für Fahrraddiebe.
Fahrraddiebstähle: Ermittler setzen Hoffnung auf GPS-Tracker
Fürst und seine Mitarbeiter bekommen auf der anderen Seite immer mehr Hilfe von den Hamburgern. „Das Thema ist in der Bevölkerung angekommen. Die Leute sind sensibilisiert“, so Fürst. „Aufmerksame Bürger spielen für uns immer mehr eine wesentliche Rolle. Selbst verdächtige Beobachtungen, die aus fahrenden Autos gemacht werden, werden der Polizei gemeldet.
Große Hoffnungen setzen die Ermittler auch auf GPS-Tracker, die in Fahrrädern versteckt sind. Sie zeigen ständig den aktuellen Standort an. „So können wir nicht nur sehen, wo ein gestohlenes Fahrrad ist“, so Fürst. „Wir können den ganzen Weg, den es etwa in einem Kleintransporter bewegt wurde, nachverfolgen.“ So können Vertriebswege erkannt, Zwischenlager und Hehler lokalisiert werden. Genau das ist es, was die Ermittler wollen.