Hamburg. Wegen Corona besteht ein erhöhter Schutzbedarf – aber nicht einmal für jeden Dritten in Deutschland steht ein Serum zur Verfügung.

Noch im vergangenen Jahr mussten Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und seine damalige Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) öffentlichkeitswirksam für den Grippeschutz in Hamburg werben, indem sich beide selbst im Rathaus vor laufenden Kameras impfen ließen. In diesem Jahr dürfte das Interesse an der Grippeimpfung sehr viel größer sein – womöglich auch größer als der Impfstoffvorrat.

Angesichts der Corona-Pandemie ist eine Schutzimpfung in diesem Jahr für viele Menschen besonders wichtig. Denn das Gesundheitssystem könnte überlastet werden, wenn zu den Corona- auch noch zahlreiche Grippe-Patienten behandelt werden müssten.

Grippe-Impfstoff steht vermutlich nicht unbegrenzt zur Verfügung

Nach Angaben des Paul-Ehrlich-In­stituts wurden für ganz Deutschland von Ärzten und dem Bundesgesundheitsministerium zusammen 25 bis 26 Millionen Impfdosen geordert – deutlich mehr als 2019. Dennoch steht damit nicht einmal für jeden dritten der 83 Millionen Menschen in Deutschland eine Schutzimpfung zur Verfügung.

„Wir können nicht sagen, ob der Impfstoff ausreicht, weil wir nicht wissen, wie viele Menschen sich impfen lassen wollen“, sagt Jochen Kriens, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVHH). In Umfragen haben allerdings mehr als die Hälfte bis sogar zwei Drittel der Befragten den Wunsch geäußert, sich gegen Grippe schützen zu lassen. Kinderärzte raten in diesem Herbst sogar zu einer Grippeimpfung für Kinder, da bekannt sei, dass sie das Influenza-Virus maßgeblich übertrügen.

Hamburg rechnet mit deutlich größerem Interesse an Impfung

Auch die Hamburger Gesundheitsbehörde rechnet mit einem deutlich größeren Interesse an der Schutzimpfung als in den Vorjahren. „Es wird vermutlich nicht unbegrenzt Impfstoff zur Verfügung stehen“, sagt deren Sprecher Martin Helfrich. Seine Behörde orientiert sich an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut, wonach vordringlich Risikogruppen geimpft werden sollten – also Menschen über 60 Jahren sowie vorerkrankte Personen und medizinisches Personal.

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„Es ist ratsam, jetzt schon einen Termin beim Hausarzt zu vereinbaren für die Zeit von Ende September an, wenn der Impfstoff eintrifft“, sagt Helfrich. Gerade bei älteren Menschen seien oft schwere Verläufe einer Corona-Erkrankung zu beobachten. Bekämen sie auch noch die „normale“ Grippe, werde ihr Körper doppelt belastet.

Aber selbst, wenn nicht: Treten bei ihnen schwere Grippesymptome auf, würden sie mit dem Verdacht konfrontiert, es könne sich um Corona handeln – mit allen Belastungen bis zu einem negativen Testergebnis. Und die Ärzte stünden im Herbst vor der Herausforderung, Grippe, Covid-19 und banale Erkältungen schnell voneinander unterscheiden zu müssen, wenn Menschen Symptome wie Husten zeigten. Die Grippesaison beginnt üblicherweise im Oktober.

Das sind die Risikogruppen

Zu den Risikogruppen zählt die Ständige Impfkommission (STIKO) alle Personen ab 60 Jahren und Schwangere sowie Menschen mit chronischen Vorerkrankungen der Atmungsorgane (inklusive Asthma), von Herz und Kreislauf, Leber und Nieren, ebenso Diabetiker und Menschen mit Multipler Sklerose, Immundefekten und HIV. Auch für Bewohner in Alters- oder Pflegeheimen sowie für Personen, die als mögliche Infektionsquelle im selben Haushalt lebende Risikopersonen gefährden können, wird die jährliche Grippeimpfung empfohlen.

Zudem medizinischem Personal, Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr sowie Menschen, die beruflich viel mit Geflügel und Wildvögeln zu tun haben. Von den Risikopatienten ließen sich im vergangenen Jahr 35 Prozent schützen, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt hier in diesem Jahr eine Impfrate von mindestens 75 Prozent.

Bei Risikopatienten bezahlt die Krankenkasse die Impfung

Wer zur Risikogruppe gehört, hat Anspruch darauf, dass die gesetzliche Krankenkasse die Kosten für die Impfung übernimmt, heißt es bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVHH). Das bedeutet aber nicht, dass die übrigen Menschen sich nicht ebenfalls impfen lassen können – gegebenenfalls auf eigene Rechnung.

Die KVHH rät, zum Hausarzt zu gehen und mit ihm abzustimmen, ob eine Impfung sinnvoll ist. Einen Vorrang für Risikopatienten in dem Sinne, dass sie innerhalb einer bestimmten Frist zuerst geimpft werden, gibt es laut KVHH nicht.

Wie viele Impfdosen in Hamburg verfügbar sein werden, kann die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg nicht sagen, da die Ärzte diesen über die Apotheken vorbestellen. Wie es auf Anfrage des Abendblatts beim Bundesgesundheitsministerium heißt, hat das Haus zusätzlich zur Regelversorgung – die Ärztinnen und Ärzte haben bundesweit etwa 20 Millionen Dosen beschafft – für die kommende Influenzasaison weitere sechs Millionen Dosen Impfstoffe eingekauft.

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Bundesweit mehr als 13 Millionen Impfdosen freigegeben

Diese Impfstoffe seien zum Teil nicht in deutscher Sprache gekennzeichnet. Wie viele dieser Dosen nach Hamburg­ gehen, steht nach den Worten eines Sprechers noch nicht fest. „Das Bundesgesundheitsministerium arbeitet gegenwärtig an einem Verteilkonzept für diese zusätzlich beschafften Impfstoffe“, heißt es.

Laut dem für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Institut sind bundesweit bereits mehr als 13 Millionen Impfdosen freigegeben worden. Ihre Auslieferung hat nach Kenntnis der KVHH begonnen. Größere Chargen erwartet die Gesundheitsbehörde für Hamburg Ende September.

Dann will sie eine Impfkampagne starten und insbesondere bei den Risikogruppen dafür werben, sich schützen zu lassen. Die Stadt Hamburg selbst beschafft Impfstoffe für den arbeitsmedizinischen Dienst sowie die Beschäftigten in den Gesundheitsämtern.

Sicher ist nur: Impfstoff reicht nicht für gesamte Bevölkerung

Wird das Vakzin für alle Hamburger reichen, die sich in diesem Winter gegen Influenza immunisieren lassen wollen? „Da nicht abzusehen ist, wie sehr sich die Bevölkerung impfen lässt, kann auf diese Frage keine seriöse Antwort gegeben werden“, heißt es dazu bei der KVHH.

„Sicher ist nur, dass der Impfstoff nicht für die gesamte Bevölkerung reichen würde – aber es nicht davon auszugehen, dass die Impfquote bei 100 Prozent liegen wird. Ob eine Impfung empfehlenswert ist, sollte jeder, der diese Frage beantwortet haben möchte, mit seinem Arzt abstimmen.“

Die Auslieferung der ersten Impfstoffdosen hat nach Angaben der KVHH bereits begonnen. Größere Chargen werden laut Gesundheitsbehörde für Ende September erwartet.