Hamburg. Der Tag im Überblick: Outdoor-Ausrüstung stark nachgefragt. Tschentscher kritisiert rechtsradikale Parolen. Firmen planen Jobabbau.
Hamburgs Party-Hotspots gelten zunehmend weniger als Corona-Brennpunkte: Das Alkoholverkaufsverbot auf St. Pauli, im Schanzenviertel und in Teilen Ottensens und Eimsbüttel zeigt weiterhin Wirkung. Der polizeiliche Lagedienst fasst die Situation am Wochenende mit "alles ruhig" zusammen. Schleswig-Holstein meldet am Sonntagmorgen nur sieben Neuinfektionen, Hamburg dagegen 23.
Die aktuellen Entwicklungen zur Covid-19-Pandemie im Norden lesen Sie in unserem täglichen Corona-Newsblog.
Die Lage der Hamburger Industrie ist nach einer Umfrage der Handelskammer weiterhin angespannt. Fast vier von zehn Unternehmen bewerten ihre aktuelle Geschäftslage als schlecht.
Lesen Sie hier alle Nachrichten zu Corona am Sonntag, 30. August:
- Lieferengpässe bei Globetrotter wegen Corona
- Tschentscher kritisiert rechtsradikale Parolen bei Demo
- Wegen Corona: 36 Jugendliche in Kieler Stadion konfirmiert
- Corona: 23 Neuinfektionen in Hamburg
- Hamburger Firmen planen Jobabbau
- Sieben neue Corona-Infektionen in Schleswig-Holstein
- Ruhige Nächte in Hamburgs Szenevierteln
- UKE zu Onkologie-Ausbruch: "Regelkonform"
Interaktive Karte: Das Coronavirus in Deutschland und weltweit:
Lieferengpässe bei Globetrotter wegen Corona
Sylt statt Mallorca, Ostsee statt Mittelmeer: In der Corona-Pandemie verbringen viele Menschen ihren Urlaub in Deutschland. Bei Händlern von Outdoor-Artikeln wie etwa Wanderschuhen, Zelten und Zubehör macht sich dieses geänderte Reiseverhalten jetzt deutlich bemerkbar. Die Reisebeschränkungen haben bei ihnen zu einer größeren Nachfrage nach einzelnen Produkten geführt.
Beim Hamburger Outdoor-Händler Globetrotter ist gar von Lieferengpässen die Rede. Fast alle Produkte in den Bereichen Camping, Boot sowie Fahrrad haben sich „hoher Nachfrage erfreut und erfreuliche Umsätze erreicht“, sagte Globetrotter-Geschäftsführer Andreas Bartmann. Der Händler muss Kunden nun teilweise auf eine sehr lange Zeit vertrösten. „Durch Produktionsengpässe und lange Vorläufe in der Herstellung sind hier viele Artikel für dieses Jahr ausverkauft“, sagt Bartmann.
Viele andere Händler berichten ebenfalls von stark gestiegenen Verkaufszahlen in einzelnen Produktsegmenten. „Bedingt durch den Reisestopp und den Drang, sich in näherer Umgebung aktiv zu betätigen, gab es vor allem bei Outdoor-Schuhen eine sehr starke Nachfrage“, sagt Thomas Maier von Deutschlands größter Sporthändlergruppe Intersport. Zwischen Anfang Mai und Ende Juli habe das Unternehmen in diesem Bereich ein Plus von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Bei der gesamten Outdoor-Sparte liege der Zuwachs im oberen einstelligen Prozentbereich, so Maier.
Outdoor-Schuhe, Lauf- und Radausrüstung sind sehr gefragt
Beim Konkurrenten Sport 2000 sind seit Mai ebenfalls Multifunktionsschuhe gefragt. Outdoor-Artikel gehörten nach Lauf- und Radausrüstung zu den Kategorien, die sich nach dem Lockdown schnell positiv entwickelt hätten, sagte Katrin Voss von Sport 2000. Ähnlich wie Intersport registriert das Unternehmen Sport eine bessere Entwicklung in Süddeutschland: „Im Norden werden weniger funktionale Outdoor-Artikel gekauft, die im Süden fast zum normalen Tagesoutfit gehören“, sagt Katrin Voss.
Anders als Intersport verzeichnen Sport 2000 und Globetrotter jedoch insgesamt noch kein Wachstum in diesem Jahr. „Man kann nicht grundsätzlich sagen, dass es einen Outdoor-Boom gegeben hat“, sagt ein Sprecher des Verbands Deutscher Sportfachhandel. Globetrotter-Geschäftsführer Bartmann berichtet, andere Bereiche des Sortiments hätten bei der Nachfrage stark verloren. Insgesamt hätten sich der Zuwachs auf der einen und der Rückgang auf der anderen Seite in etwa ausgeglichen.
Tschentscher kritisiert rechtsradikale Parolen bei Demo
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hat sich kritisch zu der Demonstration in Berlin gegen die Corona-Politik geäußert. „Verfassungsfeindliche Symbole, rechtsradikale Parolen, Angriffe auf Polizisten und Journalisten – vor, mit und nach Corona hat dies auf unseren Straßen nichts zu suchen“, erklärte Tschentscher am Sonntag.
Berlin sei bekannt für Vielfalt und Toleranz. Die Hauptstadt sei aber auch ein Ort der historischen Verantwortung, für die Demokratie einzutreten. „Die Corona-Regeln sind ungewohnt, aber nicht unzumutbar. Alle können ihre Meinung dazu auf demokratische Weise kundtun“, sagte der Bürgermeister. Er sprach allen, die sich für den Zusammenhalt in schwierigen Zeiten starkmachten, seinen Dank aus.
Eine Gruppe von Demonstranten hatte am Sonnabend eine Absperrung am Reichstagsgebäude durchbrochen und war auf die Reichstagstreppe gestürmt. Polizeibeamte drängten die Menschen zurück. Bei einigen Demonstranten in Berlin waren auch die von Reichsbürgern verwendeten schwarz-weiß-roten Reichsflaggen zu sehen.
Behörde verlängert Förderprogramm für Kulturschaffende
Für die von den Pandemiebeschränkungen besonders betroffenen Künstlerinnen, Künstler und Kreativen hat Hamburg ein eigenes Förderprogramm aufgelegt, damit diese für das gesellschaftliche und kulturelle Leben in Hamburg unverzichtbare Gruppe möglichst gut durch diese schwierige Zeit kommt. Mit der Neustartprämie soll den Künstlerinnen, Künstlern und Kreativen vor allem geholfen werden, die eigene kreative Tätigkeit auch unter Corona-Bedingungen wieder ins Laufen zu bringen, beziehungsweise die Wiederaufnahme der Tätigkeit vorzubereiten.
Die Kulturbehörde hat das Programm, das zum 31. August 2020 auslaufen sollten, nun verlängert: "Für alle, die mit ihrer künstlerischen und kreativen Arbeit wieder durchstarten wollen, haben wir die Antragsfrist bis zum 31.12.2020 verlängert", twitterte die Behörde am Sonntag. Infos gibt es unter https://www.hamburg.de/neustartpraemie
Polizei löst Corona-Party in Bullenhausen auf
Polizisten haben in der Nacht zu Sonnabend in Seevetaler Ortsteil Bullenhausen (Landkreis Harburg) eine Corona-Party aufgelöst. Wie die Polizei mitteilte feierten 35 überwiegende Minderjährige am Elbufer. Hierzu hätten sie ein Zelt und eine generatorbetriebene Musikanlage aufgebaut. Wegen der Lautstärke und diverser Verstöße gegen die niedersächsische Corona-Verordnung sei die Feier durch Beamte beendet worden. Zudem mussten die Partygäste die Örtlichkeit aufräumen. Hierbei hätten sich einige der jungen Verursacher äußerst uneinsichtig und unkooperativ gezeigt. Sie müssem nun mit Bußgeldern wegen Verstoßes gegen die niedersächsische Corona-Verordnung rechnen.
Wegen Corona: 36 Jugendliche in Kieler Stadion konfirmiert
Stadion statt Kirche: Zu ihrer Konfirmation sind 36 Kieler Jugendliche wegen der Corona-Pandemie am Sonntag in das Stadion ausgewichen, in dem sonst die Zweitliga-Profis von Holstein Kiel ihre Heimspiele austragen. Die Emmaus-Gemeinde habe die Familien besucht und gefragt, wie sie sich in dieser Zeit die Konfirmation am ehesten vorstellen können, sagte Jugendmitarbeiterin Stefanie Niß. Der Tenor sei gewesen, sie gemeinsam zu machen. Daraufhin habe die Gemeinde beim Holstein-Stadion angefragt.
Das Stadion liege auch auf dem Gebiet der Gemeinde, sagte Niß. Jeder Konfirmand durfte zehn Gäste mitbringen. Insgesamt kamen rund 250 Besucher. Die Corona-Vorgaben des Landes erlauben für Veranstaltungen im Freien maximal 500 Teilnehmer. Unter Einhaltung großer Abstände sangen die Teilnehmer Lieder. Eine Blaskapelle begleitete den Gottesdienst und spielte auch die Hymne des Vereins Holstein Kiel.
Corona: Hamburg meldet am Wochenende 23 Neuinfektionen
Die Zahl der nachgewiesenen Corona-Infizierten ist in Hamburg im Vergleich zum Vortag um 23 gestiegen. Damit ist die Zahl der bestätigten Fälle auf 6249 angestiegen. Laut Statistik handelt es sich bei der aktuell gemeldeten Zahl der Neuinfektionen um die höchste seit Ende April an einem Sonntag. Zuletzt waren am Sonntag, 26. April, 47 Neuinfektionen gemeldet worden.
Seitdem lag die Zahl der an Sonntagen registrierten neuen Infektionen meist im einstelligen Bereich, nur Ende Juli und Anfang August im niedrigen zweistelligen Bereich. An Wochenenden fallen die gemeldeten Zahlen meist niedriger aus als an Wochentagen, da sich die Meldevorgänge an den Wochenenden verzögern.
Am Sonnabend waren in Hamburg 35 neue Fälle hinzugekommen. Von den seit Beginn der Pandemie positiv auf das Virus getesteten Menschen können nach Schätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) inzwischen rund 5500 als genesen angesehen werden. Unverändert sind bislang 235 Menschen an Covid-19 in Hamburg gestorben. Das haben Untersuchungen im Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Eppendorf ergeben. In Hamburger Krankenhäusern wurden Stand Sonntag 18 Covid-19-Patienten behandelt. Sieben von ihnen lagen demnach auf Intensivstationen (Vortag: sechs).
Beträgt die Anzahl der Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen mehr als 50 pro 100.000 Einwohner, muss der Senat über Beschränkungen beraten. Zurzeit liegt dieser Wert bei 11,0. Am Sonnabend betrug der Wert 10,2. Am Freitag lag der Wert noch bei 9,7.
Lesen Sie das große Abendblatt-Dossier: Der Corona-Ausbruch – was im UKE geschah
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Hamburger Firmen planen Jobabbau
Die Lage der Hamburger Industrie ist nach einer Umfrage der Handelskammer weiterhin angespannt. Fast vier von zehn Unternehmen bewerten ihre aktuelle Geschäftslage als schlecht. Die Ertragslage hat sich im Sommer für 60,3 Prozent der Befragten im Vergleich zum Frühling noch einmal verschlechtert.
Stand die Industrie in der Frühjahrsbefragung noch vergleichsweise gut da, ist die Situation nun ähnlich angespannt wie bei der gesamten Hamburger Wirtschaft. „Die Hamburger Industrieunternehmen leiden unter der schlechten Auftragslage“, sagt Wilfried Baur, Kammer-Vizepräses. „Die niedrige Nachfrage aus dem In- und Ausland ist aktuell das größte Geschäftsrisiko der Unternehmen. Die eingebrochenen Umsätze führen zu Personalabbau und schränken den Spielraum der Betriebe für Investitionen erheblich ein. Diese werden in der Branche jedoch dringend benötigt.“ Nur 3,4 Prozent der befragten Industrieunternehmen planen Personal einzustellen, dagegen geht knapp ein Drittel (31,4 Prozent) von einer Personalreduzierung aus. Etwa die Hälfte der Industrieunternehmen (50,5 Prozent) plant geringere Investitionsausgaben.
Auch von den weltweiten Handelseinschränkungen ist die Hamburger Industrie erheblich betroffen: 42,9 Prozent der exportierenden Unternehmen erwarten in den kommenden zwölf Monaten eine Verringerung ihrer Exporte. Nur 21,7 Prozent rechnen mit einer Verbesserung. „Die derzeitige Krise hat deutlich gemacht, welche Bedeutung nachhaltige und resiliente Lieferketten für unsere Wirtschaft und Produktionsverhältnisse haben“, so Baur.
Sieben neue Corona-Infektionen in Schleswig-Holstein
Die Zahl der nachgewiesenen Corona-Infektionen in Schleswig-Holstein ist am Sonnabend um 7 auf 4021 gestiegen. Am Tag zuvor waren 15 Neuinfektionen gezählt worden, wie die Landesregierung im Internet mitteilte. Die Zahl der Menschen, die im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben sind, blieb (Stand Sonnabendabend) bei 160.
In Krankenhäusern wurden am Sonnabend unverändert sechs Corona-Patienten behandelt. Von allen seit Beginn der Pandemie in Schleswig-Holstein nachweislich mit Sars-CoV-2 Infizierten gelten nach unveränderter Schätzung des Robert Koch-Instituts rund 3600 als genesen.
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Ruhige Nächte in Hamburgs Szenevierteln
In Hamburgs Szenevierteln ist es in den Nächten zum Sonnabend und Sonntag ruhig geblieben. Bei einem Routineeinsatz von Polizei, Zoll und Bezirksamt Mitte seien in der Nacht zum Sonnabend keine Verstöße gegen Corona-Regeln registriert worden, wie ein Sprecher des polizeilichen Lagedienstes dem Abendblatt mitteilte. Auch die vergangene Nacht verlief in den Party-Hotspots auf St. Pauli, im Schanzenviertel und in Ottensen ruhig. "Keine besonderen Vorkommnisse", hieß es am Sonntag aus dem Lagezentrum der Polizei.
Mit Beginn des Außer-Haus-Verkaufsverbots von Alkohol ab 22 Uhr hätten sich zunehmend weniger Menschen auf den Straßen in St. Pauli und Schanzenviertel aufgehalten. Mit den Schließzeiten der gastronomischen Betriebe um 24 Uhr sei dann noch einmal weniger los gewesen.
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Damit setze sich ein Trend fort, der sich seit der Einführung des Alkohol-Verkaufsverbots vor fünf Wochen abzeichnet: Hamburgs Party-Hotspots gelten zunehmend weniger als Corona-Brennpunkte.
An diesem Wochenende war Kiosken, Tankstellen, dem Einzelhandel sowie Bars und Gaststätten auf St. Pauli und der Schanze sowie in Teilen Ottensens und Eimsbüttels untersagt, zwischen 22 und 6 Uhr alkoholische Getränke zu verkaufen. Ausgenommen vom Verbot ist der Alkoholausschank in der Außengastronomie.
UKE zu Onkologie-Ausbruch: "Regelkonform"
Die Verantwortlichen am Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) haben erneut betont, im Fall des Corona-Ausbruchs auf der Krebsstation im Frühjahr mit am Ende elf nachweislich an Covid-19 verstorbenen Patienten richtig gehandelt zu haben.
„Die bisherige Prüfung und Aufarbeitung hat gezeigt, dass das UKE sich regelkonform verhalten hat und die getroffenen Maßnahmen trotz der sich beständig ändernden Rahmenbedingungen aufgrund des wachsenden Erkenntnisgewinns zum Sars-CoV-2 und der hieraus resultierenden Prozessumstellungen zielgerichtet und effektiv waren"; heißt es in einer Stellungnahme nach einer Abendblatt-Anfrage.
Und weiter: "Der im Rahmen einer Pandemie durch einen Virus wie Sars-CoV-2 leider nie lückenlos auszuschließende Ausbruch konnte aufgrund der im Vorwege getroffenen Vorbereitungen und der weiteren im Anschluss an den Ausbruch veranlassten Maßnahmen bestmöglich und letztlich erfolgreich kontrolliert worden.“
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Zur Aufarbeitung der Geschehnisse schreibt das UKE, dass es mithilfe der „Sequenzierung der genetischen Information“ versuche, den Weg des Virus nachzuvollziehen. Das sei allerdings bisher nicht gelungen: „Aus den bisher durchgeführten Genom-Analysen lassen sich aus epidemiologischer Sicht eindeutige Übertragungswege nicht ableiten.“