Hamburg. Stefanie von Berg (Die Grünen) ärgert sich über zunehmende Rücksichtslosigkeit der Hamburger: „Das Wirgefühl nimmt ab.“

Kaffeebecher, Chipstüten, Einweggrills – nach lauen Sommerabenden stapelt sich der Abfall am Elbstrand in Altona. Aber auch in den Parks gibt es ein Müllproblem. Altonas Bezirksamtschefin Stefanie von Berg (Grüne) nervt dies sehr, zumal die Beseitigung des Unrats viel Geld kostet. Aber auch über lärmende Partygänger und rücksichtslose Fahrradfahrer ärgert sie sich sehr.

Hamburger Abendblatt: Frau von Berg, Sie beklagen fehlenden Gemeinsinn. Woran machen Sie das fest?

Stefanie von Berg: Es sind oft die vermeintlich kleinen Dinge, die mich ärgern. Nehmen wir unser Standesamt. Für das Brautpaar regnet es Plastik­konfetti, Verwandte und Freunde lassen Luftballons steigen. Öfters bin ich runtergerannt, um freundlich, aber energisch zu bitten, dass der Müll beseitigt wird.

Na ja, für die Brautleute ist es der schönste Tag des Jahres. Kann man da nicht mal ein Auge zudrücken?

Stefanie von Berg: Nein, genau das kann man nicht. Es ist nicht zu viel verlangt, dass man nach der Zeremonie einen Besen in die Hand nimmt und den Dreck beseitigt. Niemand würde auf den Gedanken kommen, einfach seinen Aschenbecher vor dem Standesamt zu entleeren. Warum soll dann Konfetti liegen bleiben? Um Luftballons aus den Bäumen zu holen, müssen wir mitunter Hochsteiger engagieren. Das kostet Geld, das wir lieber für andere Zwecke einsetzen würden.

Sie können die Rechnung dem Brautpaar schicken.

Stefanie von Berg: Wir hatten das mal erwogen, es dann aber verworfen. Wir setzen auf Einsicht, in aller Regel ist es ja schlicht Gedankenlosigkeit. Aber ich kann nicht begreifen, warum der Elbstrand in einer warmen Sommernacht regelmäßig zugemüllt wird. Warum nehmen die Leute nicht ihre Flaschen, ihr Besteck, ihre Teller wieder mit? Es kann nicht sein, dass immer nach dem Bezirk gerufen wird, wenn es darum geht, Altona sauber zu halten.

Worüber ärgern Sie sich noch?

Stefanie von Berg: Nehmen wir den Lutherpark und die Parks am Elbufer. Wir haben dort Wege geschaffen, die sich wunderbar zum Fahrradfahren eignen. Leider fahren manche mit ihren Mountainbikes querbeet, zerstören Grasnarben und beschädigen Bäume. Ähnliche Probleme haben wir in den Parks mit den Slacklines …

… also mit Balancieren auf Gurtbändern …

Stefanie von Berg: … die in aller Regel zwischen zwei Bäumen gespannt werden. Dies sorgt in unseren Parks für Schäden an den Baumrinden, die am Ende dazu führen können, dass der Baum stirbt. Dabei gibt es leicht einzuhaltende Vorsichtsmaßnahmen. Etwa nicht immer den gleichen Baum nehmen, nie einen Baum nutzen, der schon Schäden an der Rinde hat und vor allem auf ausreichend dicke Bäume achten. Zudem kann man Filzmatten oder Teppichstreifen unter die Gurte legen.

Viele Bürger klagen über Lärm.

Stefanie von Berg: In der Tat. Und dies müssen wir als Bezirk auch bei allen Genehmigungen für die Außengastronomie im Blick haben. Ich weiß sehr wohl, dass viele Gastronomen in dieser Corona-Zeit auf Plätze im Freien angewiesen sind, da diese nun besonders begehrt sind. Aber es kann auf der anderen Seite nicht sein, dass Anwohner in ihrer Nachtruhe gestört werden. Die Wirte müssen dafür sorgen, dass Ruhezeiten respektiert werden, aber auch die Gäste müssen verantwortungsvoll handeln. Und wenn wir Anträge auf Ausweitung der Gastronomie ablehnen, weil die Gehwegbreiten nicht eingehalten werden, hat dies nichts zu tun mit kleinlicher Bürokratie. Denken Sie an Rollstuhlfahrer, an Väter oder Mütter mit kleinen Kindern, an Senioren, die auf einen Rollator angewiesen sind. Sie brauchen den Platz.

Ihre Parteifreundin und Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank hat angesichts des zunehmenden Cornerns die Ballermannisierung der Schanze beklagt.

Stefanie von Berg: Und damit hat Katharina recht. Auch in Ottensen beobachten wir mit Sorge die Entwicklung beim Cornern etwa am Alma­-Wartenberg-Platz. Leider werden dort die Corona-Abstandsgebote bei den nächtlichen Feiern beharrlich ignoriert, was für große Ansteckungsgefahr sorgt. Doch unabhängig von der Pandemie können wir nicht dulden, dass es dort zu Alkoholexzessen kommt.

Für Ärger sorgen auch Radfahrer, die mitten am Tag durch die Fußgängerzone der Ottenser Hauptstraße fahren.

Stefanie von Berg: Auch das geht nicht. Wir dürfen nicht akzeptieren, dass es zu Unfällen kommt. Es ist zumutbar, diese paar Meter zu schieben. Wir brauchen mehr Gemeinsinn.

Lesen Sie auch:

Hamburger picken Müll von St. Paulis Straßen auf

"Hamburg räumt auf": Stadt motiviert zum Frühjahrsputz

Es gibt ja die „WasteWatcher“ der Stadtreinigung, die Müllsünder auf frischer Tat ertappen sollen. Sie verhängen auch Ordnungsstrafen.

Stefanie von Berg: Ja, das ist eine sinnvolle Einrichtung. Aber die können ja auch nicht überall sein. Das ist mehr ein Tropfen auf dem heißen Stein. Richtig wirkungsvoll ist allerdings die App der Stadtreinigung. Die sind oft in kürzester Zeit da und beseitigen den gemeldeten Müll.

Haben sich die Probleme in den vergangenen Jahren verschärft?

Stefanie von Berg: Nach den Beobachtungen der Kolleginnen und Kollegen, die zum Teil seit mehr als 20 Jahren in den zuständigen Ämtern tätig sind, ist dies leider so. Es gibt in der gesamten Gesellschaft bedauerlicherweise einen Trend zum eigenen Ich. Hauptsache, mir geht es gut. Das Wir­gefühl nimmt ab. Und bei Problemen wird dann nach dem Staat gerufen, der es richten soll.

Wie kann man das ändern?

Stefanie von Berg: Wer sich einmal für die Gesellschaft engagiert hat, ist für solche Dinge in aller Regel stärker sensibilisiert. Daher finde ich Angebote des Freiwilligendienstes auch so gut.

Machen Sie mit!

Mit der Sauberkeit in der Stadt ist es während der Corona-Pandemie leider nicht besser geworden. Der Drang der Menschen, sich im Freien aufzuhalten, ist größer denn je. Und längst nicht jeder nimmt seine Hinterlassenschaften wieder mit, wenn er nach Hause geht.

Ebenso häufig ist zu beobachten, dass Menschen ihren Müll neben die Container der Stadtreinigung kippen. Da liegen dann Kartons neben ausgemusterten Matratzen.

Liebe Leser, wo in Ihrem Stadtteil haben Sie ähnliche Beobachtungen gemacht? Welche Schandflecken ärgern Sie besonders? Wo in Hamburg ist es dreckiger oder gar verwahrloster geworden? Schreiben Sie uns bitte eine Mail mit dem Stichwort „Müll“, und schicken Sie auch gern Fotos mit: lokales@abendblatt.de