Hamburg. Neues aus der Klimaforschung: Hamburger Verwaltungsrechtler hat die Vorschriften wissenschaftlich untersucht.
Als erstes Bundesland überhaupt gab sich Hamburg 1997 ein Klimaschutzgesetz – und galt damit als fortschrittlich. Doch das Gesetz war in die Jahre gekommen, die Stadt wurde von mehreren Ländern und dem Bund überholt. Seit Februar hat die Hansestadt nun ein neues Gesetz. Was bringt die Neuauflage?
Mich interessiert, wie die Klimagesetze des Bundes und der Länder wirken. Als Jurist für Verwaltungsrecht habe ich deshalb auch das neue Hamburger Gesetz genau untersucht und im Exzellenzcluster für Klimaforschung der Universität Hamburg diskutiert. Was wird sich ändern? Was möchte die Politik erreichen – und steht das im Text? Wie stark sind die Ziele formuliert? Und können sie ihre Wirkung entfalten?
Die wichtigste Neuerung sind konkrete Ziele, um Treibhausgase zu vermindern. Demnach soll der Ausstoß von Kohlendioxid, kurz CO2, stufenweise reduziert werden: bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent und bis zum Jahr 2050 um 95 Prozent – bezogen auf den Ausstoß von 1990. Bisher waren die Zahlen nur im Hamburger Klimaplan festgeschrieben. Die nächste Regierung hätte die Ziele wieder kippen können.
Vorgaben entfalten ihre Wirkung
Jetzt stehen die Ziele im Gesetz. Sie sind damit dauerhaft installiert und für den Senat, für die Verwaltung und die Gerichte bindend. Das heißt aber noch nicht, dass ein Bürger oder ein Verband im Jahr 2031 klagen könnten, sollte Hamburg die gesteckten Ziele nicht erreichen. Dazu müsste erst ein Klagerecht eingeführt werden. Das wird jedoch am ehesten auf europäischer Ebene geschehen.
Trotzdem entfalten die Vorgaben ihre Wirkung. Die gesamte Verwaltung soll den eigenen Betrieb bis 2030 klimaneutral gestalten. Verschiedene Bereiche wie etwa die Stadtentwicklung oder die Verkehrsplanung sind verpflichtet, sich in Zukunft stärker am Klimaschutz zu orientieren. Und auch die Gerichte werden dem mehr Gewicht geben.
Ein Beispiel: Würde beschlossen, dass Gebäude in einem Gebiet nicht mehr mit fossilen Brennstoffen wie Öl oder Gas beheizt werden dürfen, dann wäre das zunächst ein tiefer Eingriff in das Eigentumsrecht. Dagegen könnten die Eigentümer klagen. Doch ein Richter wird in Zukunft den Klimaschutz stärker berücksichtigen, da dieser nun ebenfalls gesetzlich verankert ist.
Alle zwei Jahre muss der Senat die aktuellen CO2-Einsparungen bekannt geben. Alle vier Jahre wird der Klimaplan angepasst, sollten die Fortschritte nicht ausreichen. Darüber hinaus hat Hamburg den Klimaschutz neu in die Präambel der Verfassung aufgenommen. Dort steht jetzt: „Insbesondere nimmt die Freie und Hansestadt Hamburg ihre Verantwortung für die Begrenzung der Erderwärmung wahr“ – damit ist Klimaschutz Staatsziel.
Es gibt auch Lücken
Allerdings gibt es auch Lücken. Ich habe lange gesucht, doch Hamburg hat tatsächlich nur CO2 als klimawirksames Gas erwähnt. In anderen Gesetzen werden meist weitere Treibhausgase wie Methan genannt. Zurzeit überwiegen die CO2-Emissionen deutlich. Aber langfristig müssen auch die anderen Treibhausgase reduziert werden.
Im Ganzen zielt das Gesetz darauf ab, den Klimawandel zu vermindern. Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen hätten jedoch ausführlicher geregelt werden können. Denn Hamburg kann mit Hochwasser, steigenden Temperaturen, Starkregen oder Trockenheit rechnen – und muss sich darauf vorbereiten. Deshalb sollten Anpassungen im Gesetz gleichberechtigt verankert sein.
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Insgesamt ist das Gesetz ein großer Gewinn. Doch nicht alles hat Hamburg selbst in der Hand. Es kann weder bestimmen, wie Autos betrieben werden, noch die gesamte Stromproduktion in der Stadt umstellen. Ob es die geplanten 55 oder 95 Prozent wirklich erreicht, hängt zu einem großen Teil von Bundesgesetzen oder europäischen Richtlinien ab. Wenn auch dort die richtigen Entschlüsse für den Klimaschutz gefasst werden, bleibe ich optimistisch.
Martin Wickel ist Professor für Verwaltungsrecht an der HafenCity Universität Hamburg und forscht im Exzellenzcluster CLICCS zu Klimaschutzgesetzen.