Hamburg. Sonntagsfrieden mit Gewerkschaften und Kirchen soll gekippt werden. Ver.di: Verkaufsoffenen Sonntag nicht in Adventszeit nachholen.

Die Handelskammer Hamburg fordert vom Senat konkrete Maßnahmen gegen die Auswirkungen der Corona-Krise für den Einzelhandel in der Hamburger City und in den Stadtteilen. Die Einschränkungen des Betriebs von Geschäften und Gastronomie hätten zu massiven finanziellen Einbußen geführt und den Strukturwandel beschleunigt, sagte Handelskammer-Präses Norbert Aust bei der Vorstellung des Papier „Mehr Qualität fürs Quartier“ am Dienstagvormittag. Um weitere Insolvenzen und Leerstände zu verhindern, müssten Stadt und Bürgerschaft jetzt handeln.

Der Maßnahmenkatalog sieht ein Investitionsprogramm in Höhe von mindestens 100 Millionen Euro für die Aufwertung der Innenstadt und der Quartiere in den nächsten fünf Jahren vor. Für die Ausgestaltung solle ein Runder Tisch mit Vertretern von Behörden, Bezirksämtern und Handels- und Handwerkskammer gebildet werden.

Handelskammer will verkaufsoffenen Sonntag am 6. Dezember

Zentraler Punkt sind aus Sicht der Handelskammer die weitere Unterstützungsmaßnahmen für den Einzelhandel. Auch jetzt, knapp zwei Monate nach der Wiedereröffnung aller Verkaufsflächen Mitte Mai, liegen die Umsätze in der Innenstadt immer noch 40 Prozent unter den Vorjahreszahlen. Der Index für das Geschäftsklima ist so schlecht wie seit fast 50 Jahren nicht mehr. „Es fehlen die Touristen, die Tagesgäste und die Menschen, die wegen des Homeoffices nicht in die Innenstadt kommen“, sagte Citymanagerin Brigitte Engler.

Als Ausgleich für den ausgefallenen verkaufsoffenen Sonntag in der Corona-Schließzeit im April wollen die Wirtschaftsvertreter eine Sonntagsöffnung am 6. Dezember. „Wir halten diese Ausnahme vom Ladenöffnungsgesetz für gerechtfertigt, da sie die wirtschaftlichen Einbußen des Einzelhandels wenigstens teilweise kompensiert“, sagte Aust.

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Sonntagsfrieden im Einzelhandel soll beendet werden

Man habe Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) gebeten, eine Novellierung des Ladenöffnungsgesetzes vorzubereiten, so Engler. Dabei will der Handel auch die Regelung des sogenannten Sonntagsfriedens mit Kirchen und Gewerkschaften, der eine Sonntagsöffnung nur in Verbindung mit Veranstaltungen erlaubt, kippen. Und zwar schon für den verkaufsoffenen Sonntag am 27. September. Ob es dazu kommt, ist unklar. Zudem fordern die Händler in der Innenstadt und in den Quartieren für die Zeit der Einschränkungen während der Corona-Krise weitere Erleichterungen wie etwa die Reduzierung von Gebühren für Parkhäuser und Sondernutzungsflächen.

Besonders wichtig ist aus Sicht der Handelskammer ein weiterer Punkt. „Von der Krise sind nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch die Quartiersinitiativen betroffen, die mit Hilfe von Mitgliedsbeiträgen ihr Quartier als Einzelhandels- und Gastronomiestandorte gestalten und voranbringen“, sagte Aust. Die wirtschaftliche Basis vieler Quartiersinitiativen werde aber deutlich schwächer werden. Die Stadt müsse sich stärker finanziell engagieren. Konkret soll die öffentliche Hand ein Drittel der laufenden Kosten übernehmen.

Aus fordert Investitionen in Quartiere von der Stadt

Handelskammer-Präses Norbert Aust (Archivbild).
Handelskammer-Präses Norbert Aust (Archivbild). © HA | Michael Rauhe

Laut Aust geht es dabei um eine Summe von 450.000 Euro im Jahr für je ein Quartier in den sieben Bezirken Hamburg. Beim sogenannten Digitalbonus, mit dem die digitale Transformation in kleinen und mittleren Unternehmen gefördert werden soll, mahnt die Handelskammer zur Eile. Die Zuschüsse müssten noch im Laufe dieses Jahre fließen.

Nach Angaben von Handelskammer-Präses Norbert Aust ist Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) bereits über die Vorstellungen der Wirtschaft informiert. „Er hat aufmerksam zu gehört und muss jetzt klären, was möglich ist.“

Gewerkschaft strikt gegen Sonntagsöffnung im Advent

Einspruch dagegen kam schon von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. „Es spricht erstmal nichts dagegen, den verkaufsoffenen Sonntag nachzuholen – aber nicht in der Vorweihnachtszeit“, sagte Heike Lattekamp, Hamburger Fachbereichsleiterin Handel. Die Beschäftigten brauchten gerade in der sehr arbeitsintensiven Adventszeit den freien Sonntag, um mit ihren Familien zusammensein zu können.

Völlig unklar sei zudem, wie die in dem früheren Kompromiss ausgehandelte und gerichtlich bestätigte Kombination aus Ladenöffnungen und Veranstaltungen in Corona-Zeiten geregelt werden könne. Auch die Nordkirche lehnt den Vorstoß ab. „Der Sonntag ist durch das Grundgesetz besonders geschützt. Das Hamburger Ladenöffnungsgesetz trägt dem Rechnung und erlaubt zum Beispiel keine Öffnungen in der Adventszeit“, sagte eine Sprecherin. Dieses Gesetz habe sich bewährt und sollte aus Sicht der Kirche nicht wegen eines Einzelfalls verändert werden.