Hamburg. Sie liefern Essen an Kinder, bringen Senioren zum Strahlen – wie unsere Helfer mit Herz in der Corona-Zeit anpacken.
Nicht lange schnacken, sondern in die Hände spucken und anpacken. Beseelt von diesem Credo gaben viele Norddeutsche Gas – als es darauf ankam und Handeln Trumpf war. Hilfsbereitschaft im Großraum Hamburg hatte einen Namen: Mutmacher. Unter dieser Rubrik stellte das Abendblatt im März und April nach und nach 20 beispielhafte Initiativen unter vielen Hilfsaktionen vor, die Hoffnung machten. Einige haben ihr Ziel erreicht, andere legen weiter los. Unsere Aktion „Seid nett zueinander“ ist der passende Anlass für eine Zwischenbilanz.
Ihrem Namen alle Ehre machte die am 30. März 2020 gezündete „Mittagsrakete“. Praktisch von einem Tag auf den anderen stellten zehn Juristen und Unternehmer aus der Hansestadt in ihrer Freizeit ein Angebot für Kinder aus belasteten Familiensituationen auf die Beine. Coronabedingt waren viele Kitas und Schulen geschlossen, es mangelte vielfach an nahrhaften, gekochten Mahlzeiten – nicht nur an sozialen Brennpunkten. In privater Organisation ging diese Hilfsrakete schnell und unbürokratisch an den Start.
Zahlen beweisen den Bedarf: Wurden am 2. April 193 Kinder mit Speisen beliefert, waren es am 6. April bereits 671 und am 7. April sogar 972 bedürftige Minderjährige. Die Flut der Anfragen verlangte von den Initiatoren und ihren Unterstützern enorme Einsatzfreude bis ans Limit. Insgesamt wurden binnen eines Monats von fast 100 ehrenamtlichen Fahrern 42.000 Mittagessen für 2000 Kinder ausgeliefert. Gemeinsam wurde ein kleines Wunder vollbracht. Anfang Mai war die Mission erfolgreich beendet: „Das Team der Mittagsrakete verabschiedet sich.“
Gratis-Snacks im Gesamtwert von 50.000 Euro ausgeliefert
Spender wurden informiert, dass die Versorgung nunmehr von staatlichen Einrichtungen übernommen werde. Voraussetzung war ein Beschluss, dass öffentliches Geld für bedürftige Kinder flexibler genutzt werden darf. Außerdem standen Schulküchen und Schulhöfe für die Fahrzeuge nach Wiedereröffnung nicht mehr zur Verfügung. Abgeschlossen ist ebenfalls eine starke Maßnahme der Firma Market Grounds aus der HafenCity. In nur 24 Stunden wurde das Angebot, Krankenhäuser und Arztpraxen mit kraftvollen Gratis-Snacks im Gesamtwert von 50.000 Euro zu beliefern, komplett ausgeschöpft.
Nachdem die meisten Restaurants und Geschäfte ihren Betrieb erneut aufnehmen durften, hatte das Netzwerk „Applaus für Helden“ seinen Zweck erfüllt. Mit Fantasie machte die Internetplattform auf Dienstleistungen in der Nachbarschaft aufmerksam. „Die Reaktionen waren derart motivierend, dass wir weiterhin online sind“, sagt Gründer Florian Hofmann.
Restaurantvielfalt in Hamburg erhalten
Mit der ehrenamtlichen Initiative „#PayNowEatLater“ konnten der Unternehmer Patrick Kosmala und Mitstreiter mehr als eine Million Euro für existenzbedrohte Gastronomen generieren. Die Gutscheinaktion wurde gleich zu Beginn der Schließungen ins Leben gerufen, um die Restaurantvielfalt in Hamburg zu erhalten. Seit der Wiederöffnung der Restaurants gehen die Gutscheinkäufe zurück. „Für viele kleinere Läden bedeuten weniger Tische allerdings ein Verlustgeschäft“, weiß Kosmala, „sodass wir in der kommenden Zeit noch weitermachen.“
Dass zwei Frauen mit Herz und Begeisterung eine Menge bewirken können, zeigten Beate Gauder und Claudia Seifert in Groß Flottbek. Unter dem Motto „Fülle in deine Töpfe“ kochten sie zum Selbstkostenpreis schmackhaftes Essen für Menschen in der Nachbarschaft. Wer Bedarf hatte, kam mit einem Behälter vorbei und versorgte sich. Bei sozialen Kontakten wie diesen ging es um mehr als Essen. Persönlicher Einsatz bringt große Wirkung: So verfahren die „Clowns im Einsatz“. Jenny Müske und Team sind in den Gärten von Seniorenheimen und Häusern für behinderte Mitmenschen unterwegs, um Freude zu bescheren. Durch die Veröffentlichung im Abendblatt konnten neue Mitglieder, Spenden sowie weitere Einsatzorte gewonnen werden. Hinzu kamen Fernsehauftritte, um den Grundgedanken zu verbreiten, der da lautet: Lachen kann Mut machen. Die Erkenntnis: Nett sein, kombiniert mit Tatkraft, hilft weiter.
Fantasie und Hilfsbereitschaft
Dass Fantasie und Hilfsbereitschaft Sinn haben, beweist auch die Hamburgerin Dagmar Hirche mit dem gemeinnützigen Verein „Wege aus der Einsamkeit“. Mit zwei Dutzend Ehrenamtlichen unterstützt sie ältere Menschen beim für diese nicht immer kinderleichten Umgang mit Smartphones und Tablets. Für viele waren und sind diese technischen Hilfsmittel bisweilen der einzige direkte Draht zur Außenwelt. In digitalen „Versilberer Runden“, so die offizielle Bezeichnung, bleibt die Generation „Ü 65“ in Kontakt. Diese Unterstützung kostet nichts, auch das Verleihen von Geräten an Mitbürger, die es nötig haben, ist gratis.
Coronavirus – die Fotos zur Krise
Dank der Lockerungen können Helfer mit Herz inzwischen wieder mindestens dreimal pro Woche am „Gabenzaun“ präsent sein und somit – trotz gebotenen Abstands– am Hauptbahnhof Nähe bieten. Der „Zaunsnack“ und eine Tasse Kaffee kommen gut an. „Auf Augenhöhe ins Gespräch kommen und Respekt zu erhalten“, weiß Jana Behrens aus Erfahrung, „ist ähnlich bedeutsam wie materielle Unterstützung.“ Wer sich davon überzeugen möchte, wird von den ehrenamtlichen Betreuern des „Gabenzauns“ zum Vorbeigucken eingeladen.
Einen anderen Weg in die Seele der Menschen fanden Susanne Jung und Bettina Ramos vom „ella-Kulturhaus“ in Langenhorn. Das Motto ist Programm: „Stille Post“. Die Umsetzung ist kinderleicht: Sehr junge Schüler schreiben Briefe an erheblich ältere, ihnen fremde, indes namentlich bekannte Mitmenschen. Unter dem Strich entwickelten sich Brieffreundschaften – generationsübergreifend. „Jung und Alt schreiben fleißig hin und her“, sagt Bettina Ramos vom Stadtteilzentrum am Käkenflur 30. Dabei soll es bleiben. Und irgendwann wollen sich die beteiligten Schüler und Senioren persönlich treffen. Wenn Corona hoffentlich Vergangenheit, Nettsein indes weiterhin zum guten Ton gehört.
Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde
- Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
- Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
- Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
- Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
- Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden