Hamburg. Ob Essen für Obdachlose und Kinder oder Briefe für einsame Senioren: Viele engagierte Bürger handeln – und das ohne viel Gerede.

Die Coronakrise war noch jung, als Angelika Graumann die Nase voll hatte. Das Schicksal furchtvoll zu bejammern passte nicht ins Weltbild der Altenpflegerin. Sie handelte. Kurzentschlossen. „Teilen ist mehr“, sagte sich die couragierte Hanseatin, kaufte beim Discounter reichlich ein, schmierte Stullen, portionierte Obst und brauste mit ihrem Citroën C2 Richtung Reeperbahn und Hamburger Berg. Ihr Motto schrieb sie mit Filzstift auf ihre grellgelbe Warnweste: „Gemeinsam kriegen wir das hin!“

Angelika Graumann ging mit bestem Beispiel voran. Sie verteilte belegte Brote, Bananen und Wasserflaschen an Bedürftige. Die 63-Jährige kümmerte sich nicht penibel um Auflagen – sie handelte. Andere machten spontan mit. Polizisten gewöhnten sich an die mutig auftretende Frau mit dem Mundschutz und dem herzerfrischenden Naturell. Falsch parken? Ist doch egal, wenn man den Kofferraum voller Hilfsgüter hat.

Geharnischter Brief an den Bürgermeister

Und nach einem Artikel im Abendblatt wurde aus der Einzelkämpferin „Angy“ eine Aktivistin mit gut einem Dutzend Mitstreitern an der Seite. Geld nahm sie nicht an, Waren und Transporthilfe durchaus. Trotz der Unterstützung brachte die verzweifelte Lage der Obdachlosen Frau Graumann dermaßen in Brass, dass sie einen geharnischten Brief an den Bürgermeister schrieb.

Auch andere nahmen ihr Herz in die Hand. Viele Mitbürger hatten eine Idee, unternahmen etwas, handelten ohne viel Gerede. Kreativer Geist und die Entschlossenheit, schwächere Mitmenschen nicht in Stich zu lassen, macht Hamburg in diesen Tagen so stark. Wer kann, tut was. In den vergangenen Wochen stellte das Abendblatt 20 Mutmacher mit beispielhaftem Charakter vor – stellvertretend für so viele Initiativen, die Hoffnung bereiten. Die gute Nachricht vorweg: Diese ehrenamtlichen Aktivitäten haben sich weiterentwickelt. Eine Hand ergriff die nächste. Die Zutaten echter Solidarität: Freizeit und Spenden. Das wohl bedeutendste Kapital: Herzblut.

Ein kleines Wunder

Auch das Projekt „Mittagsrakete“ schaffte ein kleines Wunder. Zehn Hamburger Juristen und Unternehmer wollten nicht zusehen, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien in Zeiten geschlossener Kitas und Schulen beim Mittagessen leer ausgingen. Der enorme Unterstützungsbedarf beweist die Not. Wurden anfangs 200 Kinder mit vorgekochten Mahlzeiten für zwei Tage, Gemüse und Obst beliefert, stehen momentan rund 2000 junge Hamburger auf der Liste. Erforderlich ist eine ausgeklügelte Logistik mit 40 Touren und 60 Fahrern, um das Essen an die Haustür zu liefern.

Maskenpflicht in Hamburg: Bürgermeister beantwortet Fragen
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    Der griffige Name „Mittagsrakete“ stammt übrigens nicht von irgendwelchen Marketingprofis, sondern von den fünf und neun Jahre alten Kindern von zwei Mitbegründerinnen der Initiative. „Die Hilfsbereitschaft ist für uns schlicht überwältigend und unfassbar“, sagt eine ehrenamtlich aktive Richterin im Namen ihrer Mitstreiter. So schrieb eine 84 Jahre alte Hamburgerin: „Ich könnte beim Kochen helfen. Ich bin eine rüstige Oma, und mein Essen kommt bei den Enkelkindern gut an.“

    Eine Erfolgsmeldung folgt der nächsten

    Eine Erfolgsmeldung folgt der nächsten. Unter www.applaus-fuer-helden.de haben Saskia und Florian Hofmann aus Bahrenfeld 130 zumeist kleine Betriebe aus der Nachbarschaft auf ihrer Internetplattform verzeichnet. Zehntausende Zugriffe auf den Seiten tragen dazu bei, Existenzen vor Ort zu sichern. Susanne Preiss, Business-Coach aus Blankenese, und Unternehmensberaterin Nathalie Schröder aus Winterhude beraten unter der Hotline 069/247 54 347-0 kostenlos mittelständische Firmen, die Informationen über Homeoffice benötigen. Der Andrang ist erstaunlich.

    Das Projekt „Mittagsrakete“ liefert mit 40 Touren und 60 Fahrern Essen für Kinder aus sozial benachteiligten Familien.
    Das Projekt „Mittagsrakete“ liefert mit 40 Touren und 60 Fahrern Essen für Kinder aus sozial benachteiligten Familien. © Mittagsrakete | Mittagsrakete

    Die Diakonie-Stiftung MitMenschlichkeit brachte mehr als 3000 „Hoffnungsbriefe“ in die Postkästen älterer Mitmenschen in Heimen, die derzeit sehr einsam sind. Jana und die anderen Mutmacher des „Gabenzauns“ am Hauptbahnhof erhielten viele Spenden für ihre „Zaungäste“. Parallel sind Helfer mit Bollerwagen auf Achse, um jene zu versorgen, die es gut gebrauchen können.

    Budni-Spendenaktion wurde verlängert

    Maren Töbermann und Mitstreiterinnen des Projekts „Die Insel liest“ des Bürgerhauses Wilhelmsburg freuten sich über weitere sinnvoll gefüllte Bücherbeutel, die Kindern aus benachteiligten Familien zugutekommen. Und die ursprünglich nur bis Ostern geplante Corona-Nothilfe in den Budni-Filialen erbrachte 170.000 Euro. Die Spendenaktion wurde bis Mai verlängert.

    Das SOS-Kinderdorf Hamburg erhielt Geld- und Sachspenden, um Schüler aus benachteiligten Familien mit gebrauchten Laptops auszustatten. Diese hätten sonst nicht am Online-Unterricht teilnehmen können. Beate Gauder und Claudia Seifert haben mehr denn je alle Hände voll zu tun, ihre Nachbarschaftsaktion „Fülle in deine Töpfe“ in Groß Flottbek in die Tat umzusetzen. Und Gabriele Franz sagt im Namen des gemeinnützigen Vereins Hilfspunkt: „Uns allen tut es gut zu spüren, dass die Armen nicht vergessen werden.“

    Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

    • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
    • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
    • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
    • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
    • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden

    „Angy“ Graumann sieht es ebenso. Sie schmiert weiter emsig belegte Brote für Obdachlose und startet eine Aktion, nachweislich Bedürftige nun auch zu Hause zu versorgen. Und den Obdachlosen müsse nicht nur vorübergehend geholfen werden. In einem Brief an Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) regt sie eine Unterbringung in vorhandenen Containerdörfern an. „Mal sehen, ob er antwortet“, sagt sie.