Hamburg. Neue Daten zeigen, wie sich Homeoffice und die Angst vor Infektionen auf die Stausituation in Hamburg auswirken.
Weniger Staus in den bisherigen Stoßzeiten, aber insgesamt eine Zunahme des Autoverkehrs – die Corona-Pandemie verändert das Verhalten der Verkehrsteilnehmer auch in Hamburg deutlich. Das zeigen aktuelle Daten des Navigationsunternehmens TomTom (siehe Seite 1).
Rushhour bleibt aus, Verkehr verteilt sich
„Die Spitzen, die wir üblicherweise zur Rushhour sehen, bleiben weitestgehend aus, und der Verkehr verteilt sich konstanter über den Tag“, sagte Ralf-Peter Schäfer, Head of Traffic and Travel Information bei TomTom, dem Abendblatt.
„Eine zukünftige Entwicklung könnte kurzfristig so aussehen, dass der individuelle Verkehr zunächst ansteigt. Die Menschen werden vorerst Fahrten mit dem ÖPNV sowie längere Reisen mit der Bahn oder im Flugzeug meiden. Langfristig gesehen bedeuten flexibles Arbeiten, gestaffelte Arbeitszeiten und das Arbeiten von zu Hause allerdings weniger Verkehr und damit weniger Staus auf den Straßen.“
Hamburg ist "deutscher Staumeister"
TomTom errechnet mit Nutzerdaten das „Congestion Level“ (Stauniveau). Es zeigt an, wie viel Prozent länger eine Fahrt tatsächlich im Verhältnis zu einer Fahrt ohne jede Behinderung dauert. 2019 lag das Stauniveau in Hamburg bei 34 Prozent, das bedeutet, dass Autofahrer für eine Strecke, die bei freier Fahrt 30 Minuten dauern würde, durchschnittlich etwas mehr als 40 Minuten brauchten.
Damit war Hamburg nach der TomTom-Systematik die deutsche Stadt mit den größten Verkehrsbehinderungen, oder wie die Opposition es gerne formuliert: „deutscher Staumeister“.
Stauniveau ging in Hamburg von 40 auf 17 Prozent zurück
In der letzten Februarwoche 2020 lag das Stauniveau in Hamburg nach den TomTom-Daten sogar bei 40 Prozent. Schon in den ersten beiden Märzwochen ging die Belastung zurück. Nach Einführung der pandemiebedingten Einschränkungen sank das Stauniveau erst auf 20 und dann auf 17 Prozent.
Erst seit 20. April nimmt der Verkehr laut Datenauswertung wieder sichtbar zu. Seit 25. Mai liegt das Stauniveau mit 33 Prozent jetzt nur noch leicht unter dem Vorjahresniveau dieser Jahreszeit. Am Mittwoch, 20. Mai, lag es mit 43 Prozent sogar über dem des gleichen Datums im Vorjahr – ebenso wie am Freitag, 29. Mai, mit 46 und am Dienstag, 2. Juni, mit 48 Prozent.
HVV-Nutzer fahren mit dem Auto
Insgesamt sei zu beobachten, „dass sich das Verkehrsaufkommen in Hamburg seit Mitte Mai wieder deutlich dem Niveau des Vorjahres annähert“, so Schäfer.
„Gleichzeitig zeigen die Daten, dass sich die Uhrzeiten, zu denen Menschen mit dem Auto unterwegs sind, verändern: Während der sonst üblichen Stoßzeiten am Morgen und Abend ist das Verkehrsaufkommen aktuell noch nicht wieder auf dem Niveau des Vorjahres – in der Zeit zwischen 10 Uhr und 15 Uhr hingegen verzeichnen wir aktuell sogar ein höheres Stau-Niveau als üblich.“
Hintergrund dieser Entwicklung dürfte laut TomTom die Flexibilisierung der Arbeitsorte und -zeiten auch durch Homeoffice sein. Langfristig führe mehr Homeoffice zu „weniger Verkehr und damit weniger Staus auf den Straßen“.
Wissenswertes zum HVV:
- Der Hamburger Verkehrsverbund wurde 1965 gegründet und nahm ein Jahr später seine Tätigkeit auf
- Im 8616 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet des HVV leben 3,5 Millionen Menschen
- Neben dem Hamburger Stadtgebiet gehören die Schleswig-Holsteiner Kreise Pinneberg, Segeberg, Stormarn und Herzogtum Lauenburg sowie die niedersächsischen Landkreise Stade, Harburg und Lüneburg zum HVV
- An jedem Werktag befördert der HVV rund 2,6 Millionen Fahrgäste
- 4454 Fahrzeuge gehören zum HVV: 2093 Bahnen, 2335 Busse und 26 Fähren
- Im HVV sind 23 Verkehrsunternehmen organisiert
- Neben den vier U-Bahn- und sechs S-Bahn-Linien gehören die drei AKN-Linien und mehr als 700 Buslinien zum HVV
- Dazu kommen diverse Regionalbahn-Linien verschiedener Betreiber
- Außerdem gehören die Fährlinien der Hadag zum HVV
- Insgesamt sind 10.184 Haltestellen im HVV verzeichnet – der weitaus größte Teil sind Bushaltestellen (9869)
- Das Tarifgebiet des HVV ist in fünf Tarifringe unterteilt, die wiederum aus 130 Tarifzonen bestehen
Die CDU hat kürzlich in einem Bürgerschaftsantrag einen Plan für die Steuerung des Verkehrs in und nach der Corona-Krise vorgelegt. Darin forderte sie vom Senat ein „umfassendes Konzept, um die Belastungsspitzen in den Hauptverkehrszeiten abzuflachen“.
Flexible Arbeitszeiten könnten Verkehr entspannen
Dafür sollten „die dank Homeoffice geschaffenen Möglichkeiten einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten in einer konzertierten Aktion von städtischen und privaten Arbeitgebern, wo möglich, bis auf Weiteres aufrechterhalten bleiben, um das morgendliche Verkehrschaos zu entspannen“.
Der neue grüne Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) hatte im Abendblatt-Interview betont, dass der HVV jetzt eine zusätzliche Reinigung der Kontaktflächen eingeführt habe. „Wir werden demnächst eine PR-Kampagne aufsetzen, die klarmacht: Es ist sicher, im HVV zu fahren“, so Tjarks. „Irgendwann wird es einen Impfstoff geben, dann wird sich das alles normalisieren.“