Hamburg. Vor 25 Jahren wollte ein Investor zwei Neben-Pavillons am Jungfernstieg errichten – doch der Oberbaudirektor lehnte empört ab.

Max Dieter Altmann, Chef der Wein- und Sektkellerei Jakob Gerhardt, hatte im Frühsommer 1995 große Pläne. Nachdem der bisherige Betreiber des Alsterpavillons – das exponierte Gebäude am Jungfernstieg war erst Monate zuvor für rund elf Millionen D-Mark saniert worden – schon nach kurzer Zeit pleitegegangen war, wollte Altmann in die Bresche springen und die Pacht übernehmen. Allerdings nicht, ohne erneut kräftig Hand an das Gebäude anzulegen. Weil die Geschäfte auch aufgrund des missglückten Umbaus schlecht liefen, präsentierte der potenzielle Investor dem Senat ein neues Konzept, zu dem neben einer veränderten Innenarchitektur der Anbau zweier Verkaufs­pavillons gehörte.

Die Abendblatt-Leser nahmen damals an der Diskussion per Lesertelefon regen Anteil. „Der jetzige Alsterpavillon wirkt kalt, man hatte dort keine Lust zum Verweilen“, monierte Heinke Freund aus Bönningstedt. Helmuth Hartkopf aus Ohlsdorf wünschte sich, „dass die Wartesaalatmosphäre wegkommt und es wieder ein schönes Kaffeehaus wird“. Waltraud Wille aus Oststeinbek plädierte: „Ein Raum für die ältere Generation und ein Raum für die Jugendlichen wären ideal.“ Und Anne König aus Klein Flottbek kritisierte: „Es ist langsam ein Ärgernis, dass noch der Konkursverwalter regiert und keine klare Entscheidung für oder gegen den Interessenten ­gefallen ist.“

Besucher klagten über die kühle Atmosphäre

Altmanns Idee war, mit den beiden zusätzlichen Pavillons „auch dem eiligen Gast, der nur einen kleinen Imbiss nehmen will“, ein Angebot zu machen. Dem zentralen Alsterpavillon selbst wollte er weitgehend die alte Gemütlichkeit zurückgeben, einschließlich Palmen und Kaffeehaus-Musik. Doch anders als bei vielen Lesern kam Altmann mit seiner Idee bei Hamburgs Oberbaudirektor Egbert Kossak nicht gut an. Im Gegenteil: Mit den gläsernen Zusatz-Pavillons würde sich Hamburgs „berühmteste und bedeutendste Promenade zum städtebaulichen und architektonischen Schrottplatz entwickeln“. Der Plan sei „eine Leiche, die schon zu stinken“ anfange, zürnte der Stadtplaner.

Wäre es nach Kossak gegangen, hätte auch die vorherige Sanierung nicht mehr stattgefunden. Er wollte das 1953 nach Plänen des Architekten Ferdinand Streb errichtete Gebäude nach Ablauf der langjährigen Pacht und einem sichtlichen Verfall am liebsten abreißen und durch einen Neubau ersetzen lassen. Doch das Denkmalamt intervenierte und stellte den immerhin schon sechsten Pavillon in der Geschichte des Jungfernstiegs unter seinen Schutz.

Begonnen hatte die Ära der Alsterpavillons bereits im Jahr 1799. Der Franzose Vicomte Lancelot de Quatrebarbes, mutmaßlich vor Revolutionären aus der Heimat geflohen und schließlich an der Alster gelandet, ließ in schon damals bevorzugter Lage einen ersten Ort zur Einkehr errichten – der von den Hamburgern schnell angenommen wurde. Zwar war es untersagt, dort Tabak zu rauchen oder dem Karten- oder Würfelspiel zu frönen, doch gab es Getränke, Speisen und sogar Eis zur Erfrischung. Zur Eröffnung durften die geladenen Gäste mit Champagner, Rotwein und Gegrilltem feiern.

Alsterpavillon Nummer vier entstand 1900

Mit etwas mehr als 80 Quadratmetern Grundfläche war das Gebäude zwar eher klein, dennoch entwickelte sich der „Franzosen-Pavillon“ im Laufe der Jahre zur Institution – und das, obwohl der Vicomte nur zwei Jahre lang die Geschäfte führte und den Logenplatz an der Alster dann an den Schweizer Konditor Richard Ruben weiterreichte. Der Bau selbst hielt sich bis 1835 und wurde dann durch den deutlich größeren Pavillon Nummer zwei ersetzt. Dieser bestand in seiner klassizistischen Form bis 1874 und bot bereits eine Veranda.

Martin Haller schließlich, Sohn des Hamburger Bürgermeisters Nicolaus Ferdinand Haller und einer der bekanntesten Architekten dieser Stadt, baute den Pavillon dann bis 1876 elementar um und erweiterte ihn deutlich. Ein leichtes, luftiges Gebäude sei es danach gewesen, notierten Zeitzeugen.

Pavillon Nummer vier entstand 1900 – ein Neubau aus Granit, entworfen von Wilhelm Hauer. Das „Kachelofen“ genannte Gebäude ersetzte seinen beliebten Vorgänger, weil die Stadtoberen den Jungfernstieg mal wieder aufmöbeln wollten. Und dazu gehörte ein zeitgemäßer Prachtbau, der nun einem „romanischen Stil älterer italienischer Auffassung“ entsprach. Stammgäste dort bekamen eigene Tassen, alle nummeriert.

Schaut man sich heute in Hamburg um, stößt man noch auf viele Gebäude aus der Wende vom 19. aufs 20. Jahrhundert. Der Alsterpavillon Nummer vier hingegen überlebte nicht einmal den Ersten Weltkrieg, schon 1914 hatte ihn ein noch pompöser wirkender Nachfolger ersetzt. Dieser habe „die Pracht einer Schlossgalerie“ gehabt und würde vielleicht heute noch existieren, hätten ihm nicht 1943 die Bombenangriffe der „Operation Gomorrha“ den Garaus gemacht.

Auch der fünfte Umbau löst Debatte aus

Es dauerte bis 1953, bis der in seinen Grundzügen heute noch existierende Pavillon Nummer sechs öffnete. Doch auch mit ihm ging es auf und ab, wie die Abendblatt-Leserdebatte vor 25 Jahren zeigt. Investor Altmann kam mit seiner Idee der zusätzlichen seitlichen Pavillons letztlich nicht zum Zuge, selbst ohne die diskutierten Anbauten mochte ihm die Stadt als Eigentümerin der Immobilie die Pacht nicht überlassen. Stattdessen übernahm die Firma ­Brunckhorst, die Geschäfte führte fünf Jahre lang Dirk Harms.

Von einer Rückkehr zur plüschigen Kaffeehaus-Gemütlichkeit, die sich mancher noch vor 25 Jahren versprochen hat, ist inzwischen keine Rede mehr. Seit dem Jahr 2001 heißt der Pavillon nun ALEX. Die britische Bass PLC (heute Mitchells & Butlers) hatte übernommen und noch einmal fünf Millionen D-Mark in den Umbau gesteckt. Ein lohnendes Investment, freute man sich alsbald doch darüber, dass die hochgesteckten Erwartungen übertroffen wurden.

Allein die letzte Juli-Woche nach Eröffnung habe dank des „bombastischen Sommerwetters“ Nettoerlöse von 350.000 D-Mark gebracht, notierte ein Branchendienst. Das Denkmalschutzamt hatte den neuen Betreibern übrigens den Einbau riesiger Glaswände erlaubt. Entstanden waren dadurch 124 Quadratmeter gewölbte Glaselemente zur Wasserfront und 178 Quadratmeter zum Jungfernstieg. Bis zu 7000 Gäste pro Tag haben im ALEX am Jungfernstieg Platz. Es gilt noch heute als Flaggschiff der expandierenden Restaurant-Marke.

Doch was wäre der Jungfernstieg ohne die Pläne der Politik? Gerade erst hat Rot-Grün für die neue Legislaturperiode vereinbart, den Boulevard von Autos komplett zu befreien und ihn wieder den Fußgängern zurückzugeben. So, wie es schon in den Anfängen des Alsterpavillons war.