Hamburg. Der frühere Zweite Bürgermeister Ingo von Münch veröffentlicht „Die Krise der Medien“ – ein streitbares Buch gegen Bevormundung.
Um Ingo von Münch, von 1987 bis 1991 Senator für Wissenschaft und Kultur sowie Zweiter Bürgermeister der Hansestadt, war es zuletzt etwas stiller geworden. Nun hat der 87-Jährige streitbare Geist ein Büchlein herausgegeben, das Liebeserklärung und Mahnung zugleich ist.
Münch schreibt über„Die Krise der Medien“. Dabei verbindet der renommierte emeritierte Professor für Staatsrecht und Völkerrecht sein Wissen um die Bedeutung der Medien für die freiheitliche demokratische Ordnung mit der Berichterstattung.
Münch: Vertrauen in Medien „weitgehend verloren gegangen“
Vieles davon sieht er kritisch, gerade „seine“ Zeitung, die FAZ, wird in vielen Punkten kritisch analysiert. „Existenzgrundlage der Medien ist das Vertrauen der Rezipienten in die Berichterstattung“, schreibt Münch zu Recht, sieht dieses Vertrauen aber „weitgehend verloren gegangen“.
Scharfer Tobak, aber Münch liefert Beispiele – angefangen von der (Nicht-)Berichterstattung über die Ereignisse der Kölner Silvesternacht 2015 bis hin zu Verirrungen. Er zitiert eine NDR-Mitarbeiterin, die das AfD-Ergebnis von 23,4 Prozent bei der Thüringen-Wahl 2019 bei Twitter so kommentierte: „In Thüringen werde ich ab morgen bedenkenlos jedem fünften Menschen, der mir begegnet, einfach eine reinhauen.“
„Journalisten sind nicht die Oberlehrer der Nation“
Oder die hämischen Zuschreibungen, wann immer es um AfD geht. Der FDP-Politiker Münch verteidigt nicht die AfD, aber wünscht sich mehr Distanz und weniger „Meinungsjournalismus“: „Journalisten sind nicht die Oberlehrer der Nation.“ Er kritisiert die „inflationär verteilte Visitenkarte Nazi“ in den Medien und fügt hinzu: „,Nazis raus‘ erinnert übrigens – wenn auch mit umgekehrter politischer Zielrichtung – an die früher an Linke gerichtete Aufforderung „Geht doch in die DDR“.
Dem begeisterten Zeitungsleser Münch, von dem seine Frau sagt, er lese „noch das Einwickelpapier des Salatkopfes“ ärgern die von ihm empfundene Verengung des Meinungskorridors, die politische Korrektheit, die Bevormundung. Er zitiert Bernhard Schlink mit dessen Kritik an der Enge des Mainstreams: „Als er weit, offen, vielfältig war, war er lebendig. Je enger er wurde, desto moralischer anmaßender und intellektuell langweiliger wurde er.“
Wollen deutsche Journalisten erziehen?
Münch, der sich einst als Mitherausgeber des Grundgesetzkommentars einen Namen gemacht hat, geht es um Klarheit der Sprache und Vielfalt der Positionen. Mal legt er dar, warum der Begriff „Heide-Mörder“ im Zusammenhang mit der Simonis-Abwahl ein Fehlgriff war und warum politische Gewalttäter keine „Aktivisten“ sind.
Und er zitiert einen Satz von Max Weber, wonach angelsächsische Journalisten Fakten berichteten, die deutschen Kollegen aber erziehen wollten.
Wer austeilt, muss auch einstecken können
Manches an seiner Kritik liest sich überspitzt, manche Kritik an der Einseitigkeit ist selbst einseitig und mitunter schwingt ein sentimentales „Früher war alles besser“ durch.
Trotzdem ist gerade für Journalisten diese Kritik des Politikers und Verfassungsrechtlers hochinteressant – wer täglich in der Öffentlichkeit austeilt, muss auch einstecken können. Und schließlich sollte es beiden Seiten darum gehen, die Entfremdung zwischen Medienmachern und Publikum zu überwinden.