Hamburg. Die umstrittene Software diente den Ermittlungen zu den Ausschreitungen beim G-20-Gipfel. Datenschutzbeauftragter Caspar warnt.

Fast drei Jahre nach dem folgenschweren G-20-Gipfel in Hamburg und zahlreichen Ermittlungsverfahren später hat die Polizei die biometrische Datenbank zur Gesichtserkennung gelöscht.

Darüber habe die Behörde den Hamburgischen Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar in Kenntnis gesetzt, hieß es am Donnerstag vom Senat. Laut Polizei bestehe "keine strafrechtliche Erforderlichkeit mehr für die Datenbank hinsichtlich der G-20-Verfahren".

Der G-20-Gipfel und die Ausschreitungen

„Die jüngst erfolgte Löschung der biometrischen Datenbank durch die Polizei Hamburg ist nachdrücklich zu begrüßen", so Caspar am Donnerstag. "Ob sie allerdings einen Schlussstrich unter das seit 2018 kontrovers diskutierte Verfahren zieht, bleibt fraglich."

Nach den Ausschreitungen in den Nächten Anfang Juli 2017, bei denen Straßen rund um den Ort des Gipfels im Schanzenviertel zerstört, Geschäfte geplündert und Pkw in Altona angezündet worden waren, hat für die Polizei ein Ermittlungsmarathon begonnen. Um die Verantwortlichen der Krawalle ausfindig zu machen, schaffte die Behörde kurze Zeit später die Software "Videmo 360" an.

"Welcome to Hell" – die Krawallnacht in Hamburg

Die Polizei bringt die Sternschanze unter Kontrolle – im Hintergrund die Rote Flora
Die Polizei bringt die Sternschanze unter Kontrolle – im Hintergrund die Rote Flora © Reuters | Fabian Bimmer
Polizisten stürmen die Sternschanze, während es vor der Roten Flora brennt
Polizisten stürmen die Sternschanze, während es vor der Roten Flora brennt © Reuters
Ein Wasserwerfer unter der Sternbrücke
Ein Wasserwerfer unter der Sternbrücke © HA | Alexander Josefowicz
Demonstranten zünden Barrikaden vor der Roten Flora auf dem Schulterblatt an
Demonstranten zünden Barrikaden vor der Roten Flora auf dem Schulterblatt an © Michael Arning
Polizisten und Wasserwerfer sichern die Davidwache auf der Reeperbahn
Polizisten und Wasserwerfer sichern die Davidwache auf der Reeperbahn © dpa
Man könnte es beinahe für ein gemütliches Lagerfeuer halten
Man könnte es beinahe für ein gemütliches Lagerfeuer halten © Michael Arning
Randale am Schlump: Ordnungskräfte sperren den Eingang des U-Bahnhofs
Randale am Schlump: Ordnungskräfte sperren den Eingang des U-Bahnhofs © dpa | Axel Heimken
Bei Einbruch der Dunkelheit ist noch kein Ende der Krawalle in Sicht
Bei Einbruch der Dunkelheit ist noch kein Ende der Krawalle in Sicht © dpa | Daniel Bockwoldt
Nachdem die Demo
Nachdem die Demo "Welcome to Hell" schon lange beendet wurde, formierten sich wiederholt Protestzüge im Bereich der Reeperbahn. Hier wird der Neue Pferdemarkt in der Sternschanze geräumt © HA/Alexander Josefowicz
Demonstranten ziehen durch St. Pauli. Die Proteste dauern nun schon mehr als sechs Stunden an
Demonstranten ziehen durch St. Pauli. Die Proteste dauern nun schon mehr als sechs Stunden an © Reuters | Pawel Kopczynski
Demonstranten marschieren über die Reeperbahn
Demonstranten marschieren über die Reeperbahn © Reuters
Eine Demonstrantin hilft einem Mann, nachdem dieser Prügel eingesteckt hatte
Eine Demonstrantin hilft einem Mann, nachdem dieser Prügel eingesteckt hatte © Getty Images
Demonstranten vor einem Wasserwerfer
Demonstranten vor einem Wasserwerfer © Leon Neal/Getty Images
Brennende Barrikaden bei der Demo
Brennende Barrikaden bei der Demo © HA | Michael Arning
Farbbeutelattacke auf Polizisten
Farbbeutelattacke auf Polizisten © dpa
Ein Auto brennt am Rande der Demo
Ein Auto brennt am Rande der Demo © dpa
Einige Demonstranten plädieren für Liebe
Einige Demonstranten plädieren für Liebe © dpa
Klare Geste im Vordergrund, klare Botschaft im Hintergrund
Klare Geste im Vordergrund, klare Botschaft im Hintergrund © Getty Images
Rettungskräfte eskortieren Verletzte
Rettungskräfte eskortieren Verletzte © Reuters
Demonstranten haben in der Louise-Schröder-Straße einen Müllcontainer angezündet
Demonstranten haben in der Louise-Schröder-Straße einen Müllcontainer angezündet © HA | Alexander Josefowicz
Polizisten bei der Demonstration
Polizisten bei der Demonstration © Reuters
Ein Demonstrant spielt Flöte
Ein Demonstrant spielt Flöte © dpa
Polizisten sichern die Sternschanze
Polizisten sichern die Sternschanze © Getty Images
Andere nutzen das Tohuwabohu ganz anders: Einige Leute spielen Frisbee auf der gesperrten Holstenstraße
Andere nutzen das Tohuwabohu ganz anders: Einige Leute spielen Frisbee auf der gesperrten Holstenstraße © HA | Alexander Josefowicz
Die Lage eskaliert
Die Lage eskaliert © Reuters
Die Polizei will den schwarzen Block auseinander treiben
Die Polizei will den schwarzen Block auseinander treiben © dpa
Feuer im Schwarzen Block
Feuer im Schwarzen Block © dpa
Ein Demonstrant protestiert mit Seifenblasen
Ein Demonstrant protestiert mit Seifenblasen © HA | Alexander Josefowicz
Wasserwerfer machen sich auf St. Pauli bereit
Wasserwerfer machen sich auf St. Pauli bereit © HA | Roland Magunia
Einsatzleiter der Polizei diskutieren mit Organisatoren bei der Demo
Einsatzleiter der Polizei diskutieren mit Organisatoren bei der Demo "Welcome to Hell" © HA | Christian Unger
Ein Wasserwerfer positioniert sich an den Landungsbrücken während der Demo
Ein Wasserwerfer positioniert sich an den Landungsbrücken während der Demo "Welcome to Hell" © HA | Christoph Heinemann
Die Goldenen Zitronen spielen bei der Auftaktkundgebung der
Die Goldenen Zitronen spielen bei der Auftaktkundgebung der "Welcome to hell"-Demo © HA | Alexander Josefowicz
Die ersten Demonstranten sammeln sich vor der Auftaktkundgebung am Fischmarkt
Die ersten Demonstranten sammeln sich vor der Auftaktkundgebung am Fischmarkt © HA | Alexander Josefowicz
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Gesichtserkennung: So funktioniert "Videmo 360"

Seit März 2018 wurde damit durch die inzwischen aufgelöste Soko "Schwarzer Block" umfangreiches Video- und Bildmaterial – etwa von Überwachungskameras auf S-Bahnhöfen, Medienberichten und von Zeugen auf dem G-20-Hinweisportal hochgeladene Dateien – automatisch ausgewertet.

Aus den Daten wurden per Software Gesichter aller im Material feststellbarer Personen ausgemessen und damit manschinenlesbare Templates erstellt. Diese biometrischen Profile Tausender Bürger wurden in der nun gelöschten Datenbank vorgehalten und mit Templates einzelner Tatverdächtiger immer wieder abgeglichen.

Software zur Gesichtserkennung hoch umstritten

Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar wollte der Polizei die Nutzung der Gesichtserkennungssoftware untersagen.
Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar wollte der Polizei die Nutzung der Gesichtserkennungssoftware untersagen. © dpa | Maja Hitij

Die Nutzung der Software war und bleibt hoch umstritten: Kurz nachdem die Polizei den Einsatz des Programms begonnen hatte, kam Hamburgs Datenschutzbeauftragter Caspar zu dem Schluss, dass für die Erstellung und Speicherung biometrischer Gesichtsabdrücke Tausender verdachtslos erfasster Bürger die Rechtsgrundlage fehle.

In der Folge ordnete Caspar gegenüber Innensenator Andy Grote (SPD) die Löschung der biometrischen Referenzdatenbank. Die Innenbehörde ließ es auf ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ankommen – und bekam am 23. Oktober 2019 Recht.

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Insgesamt hat die Ermittlungsgruppe „Schwarzer Block“, nach Angaben der Polizei, bisher mehr als 3580 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den G-20-Ausschreitungen geführt. Dabei seien weit mehr als 200 Durchsuchungen erfolgt. Etliche Randalierer der G-20-Nächte sind inzwischen vor Gericht gestellt und verurteilt worden.

Caspar fordert gesetzliche Vorgaben zur Gesichtserkennung

"Nach derzeitigem Stand haben die Strafverfolgungsbehörden in Hamburg faktisch und nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg auch rechtlich die Möglichkeit, die Technologie der automatisierten Gesichtserkennung regelhaft einzusetzen", sagt Caspar. Die Polizei habe wiederholt geäußert, dass deren Einsatz auch für andere Großereignisse in Hamburg in Betracht komme.

Angesichts der "erheblichen Gefährdungen der automatisierten Gesichtserkennung für eine freie Gesellschaft und die Privatsphäre" fordert Caspar als Mindestmaß besondere gesetzliche Vorgaben zum Einsatz der Technologie – "um Rechte und Freiheiten von Menschen, die ganz überwiegend zu keinem Zeitpunkt tatverdächtig sind, wirksam zu schützen".