Hamburg. Die umstrittene Software diente den Ermittlungen zu den Ausschreitungen beim G-20-Gipfel. Datenschutzbeauftragter Caspar warnt.
Fast drei Jahre nach dem folgenschweren G-20-Gipfel in Hamburg und zahlreichen Ermittlungsverfahren später hat die Polizei die biometrische Datenbank zur Gesichtserkennung gelöscht.
Darüber habe die Behörde den Hamburgischen Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar in Kenntnis gesetzt, hieß es am Donnerstag vom Senat. Laut Polizei bestehe "keine strafrechtliche Erforderlichkeit mehr für die Datenbank hinsichtlich der G-20-Verfahren".
Der G-20-Gipfel und die Ausschreitungen
„Die jüngst erfolgte Löschung der biometrischen Datenbank durch die Polizei Hamburg ist nachdrücklich zu begrüßen", so Caspar am Donnerstag. "Ob sie allerdings einen Schlussstrich unter das seit 2018 kontrovers diskutierte Verfahren zieht, bleibt fraglich."
Nach den Ausschreitungen in den Nächten Anfang Juli 2017, bei denen Straßen rund um den Ort des Gipfels im Schanzenviertel zerstört, Geschäfte geplündert und Pkw in Altona angezündet worden waren, hat für die Polizei ein Ermittlungsmarathon begonnen. Um die Verantwortlichen der Krawalle ausfindig zu machen, schaffte die Behörde kurze Zeit später die Software "Videmo 360" an.
"Welcome to Hell" – die Krawallnacht in Hamburg
Gesichtserkennung: So funktioniert "Videmo 360"
Seit März 2018 wurde damit durch die inzwischen aufgelöste Soko "Schwarzer Block" umfangreiches Video- und Bildmaterial – etwa von Überwachungskameras auf S-Bahnhöfen, Medienberichten und von Zeugen auf dem G-20-Hinweisportal hochgeladene Dateien – automatisch ausgewertet.
Aus den Daten wurden per Software Gesichter aller im Material feststellbarer Personen ausgemessen und damit manschinenlesbare Templates erstellt. Diese biometrischen Profile Tausender Bürger wurden in der nun gelöschten Datenbank vorgehalten und mit Templates einzelner Tatverdächtiger immer wieder abgeglichen.
Software zur Gesichtserkennung hoch umstritten
Die Nutzung der Software war und bleibt hoch umstritten: Kurz nachdem die Polizei den Einsatz des Programms begonnen hatte, kam Hamburgs Datenschutzbeauftragter Caspar zu dem Schluss, dass für die Erstellung und Speicherung biometrischer Gesichtsabdrücke Tausender verdachtslos erfasster Bürger die Rechtsgrundlage fehle.
In der Folge ordnete Caspar gegenüber Innensenator Andy Grote (SPD) die Löschung der biometrischen Referenzdatenbank. Die Innenbehörde ließ es auf ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ankommen – und bekam am 23. Oktober 2019 Recht.
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Insgesamt hat die Ermittlungsgruppe „Schwarzer Block“, nach Angaben der Polizei, bisher mehr als 3580 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den G-20-Ausschreitungen geführt. Dabei seien weit mehr als 200 Durchsuchungen erfolgt. Etliche Randalierer der G-20-Nächte sind inzwischen vor Gericht gestellt und verurteilt worden.
Caspar fordert gesetzliche Vorgaben zur Gesichtserkennung
"Nach derzeitigem Stand haben die Strafverfolgungsbehörden in Hamburg faktisch und nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg auch rechtlich die Möglichkeit, die Technologie der automatisierten Gesichtserkennung regelhaft einzusetzen", sagt Caspar. Die Polizei habe wiederholt geäußert, dass deren Einsatz auch für andere Großereignisse in Hamburg in Betracht komme.
Angesichts der "erheblichen Gefährdungen der automatisierten Gesichtserkennung für eine freie Gesellschaft und die Privatsphäre" fordert Caspar als Mindestmaß besondere gesetzliche Vorgaben zum Einsatz der Technologie – "um Rechte und Freiheiten von Menschen, die ganz überwiegend zu keinem Zeitpunkt tatverdächtig sind, wirksam zu schützen".