Hamburg. Michael Werner-Boelz, Chef des Bezirks Hamburg-Nord, spricht über Immobilienhaie, Corona und die Stones-Affäre.

Hamburger Abendblatt: Herr Werner­-Boelz, kaum waren Sie ein paar Wochen im Amt, hat die Corona-Krise nicht nur das öffentliche Leben, sondern auch Ihr Bezirksamt lahmgelegt. Was bedeutet das für Sie?

Michael Werner-Boelz: Dass ich es gleich zu Beginn meiner Amtszeit mit einer Pandemie zu tun bekomme, hat mir einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich wollte möglichst schnell alle meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennenlernen, konnte mich aber nur einem Teil des Personals hier im Hause sowie an zwei Außenstellen vorstellen. Alle weiteren Termine musste ich wegen Corona absagen. Ich hoffe nun, dass ich meine Vorstellungsrunde ab Ende Mai bei den übrigen Kolleginnen und Kollegen, aber auch bei Vereinen, Initiativen und Unternehmen in Hamburg-Nord nachholen kann.

Arbeiten Sie im Homeoffice?

Werner-Boelz: Nein, ich bin jeden Tag vor Ort – wie die gesamte Leitungsebene und alle Fachamtsleiter. Der normale Betrieb muss ja weitergehen und etwa Bebauungspläne oder Bauanträge müssen bearbeitet werden. Aber etwa 15 Prozent der insgesamt 1207 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind im Homeoffice. Das Bezirksamt läuft derzeit nur im Notbetrieb.

Was bedeutet das?

Werner-Boelz: Um den Publikumsverkehr zu minimieren, läuft alles nur mit Termin. Neue Dokumente wie Reisepass oder Personalausweis gibt es nur noch bei Verlust – nicht, wenn man sich noch mit einem anderen Dokument ausweisen kann.

Gibt es schon Pläne, wann und wie der Betrieb wieder hochgefahren werden soll?

Werner-Boelz: Die Präsenz wird bereits wieder ausgeweitet. Ab sofort werden für die Kundenzentren wieder Termine vergeben. Wir müssen die Kundenströme so lenken, dass die Mindestabstände gewahrt werden. Das wird nicht einfach.

Mit dem UKE liegt ein großes und gerade in Corona-Zeiten sehr wichtiges Krankenhaus in Hamburg-Nord. Wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?

Werner-Boelz: Ja. Wir bekommen aus dem UKE die Ergebnisse für ganz Hamburg und leiten sie an die übrigen Bezirksämter weiter.

Welche personelle Folgen hat die Corona-Krise für die Gesundheitsämter in Ihrem Bezirk?

Werner-Boelz: Nach Vorgaben des Robert-Koch-Instituts muss es pro 20.000 Einwohner fünf Kräfte für das Tracking geben. Für Hamburg-Nord mit seinen gut 300.000 Einwohnern wären das rund 75. Derzeit sind 42 Kolleginnen und Kollegen aus dem Stammpersonal der Gesundheitsämter damit beschäftigt, Infektionsketten zurückzuverfolgen oder Kontakt zu halten zu Quarantänepatienten. Dabei werden sie von insgesamt 24 Medizinstudierenden sowie von Kolleginnen und Kollegen unterstützt, die ursprünglich befristet für die Bürgerschaftswahl eingestellt waren.

Nicht nur Corona hat Ihnen den Amtsantritt verhagelt, sondern auch die Folgen der Freikartenaffäre im Zusammenhang mit dem Rolling-Stones-Konzert 2017. Neben mehreren Mitarbeitern ist derzeit auch der stellvertretende Bezirksamtsleiter Tom Oelrichs nicht im Dienst, auf dessen Unterstützung Sie sehr gebaut haben.

Werner-Boelz: Ja, mit ihm ist eine sehr große Stütze weggebrochen. Er hat mir in den ersten Wochen sehr geholfen, und ich bedauere zutiefst, dass er seit dem 24. März nicht mehr bei uns ist. Sein Nachfolger Udo Franz ist ein erfahrener Verwaltungsbeamter, der sich bereits sehr gut in die Belange des Bezirksamts eingearbeitet hat.

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Vor Ihrem Amtsantritt hatten Sie ja angekündigt, im Wohnraumschutz die Zügel anzuziehen. Was ist da passiert?

Werner-Boelz: Wir haben dem Investor, der in Hamburg-Nord Hunderte Wohnungen leer stehen lässt, hohe Buß- und Zwangsgelder auferlegt. Mittlerweile ist er Zahlungsverpflichtungen in fünfstelliger Höhe nachgekommen. Außerdem haben wir weitere Wohnnutzungsgebote erlassen. Das Verfahren zur Vermietung läuft weiter. Aber ich finde es wichtig, dass wir hier klare Kante zeigen – und es nicht akzeptieren, wenn Wohnungen leer stehen und uns Spekulanten hinhalten wollen.

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Sie hatten auch angekündigt, den Bezirk künftig in den sozialen Medien zu präsentieren und die Digitalisierung des Bezirksamtes voranzutreiben.

Werner-Boelz: Wir haben mit Larissa Robitzsch seit ­April eine Social Media Managerin, die bei Facebook, Instagram und Twitter aktuelle Nachrichten aus dem Bezirk postet. Die Zahl der Follower steigt ständig. Und bei der Digitalisierung spielt uns Corona in die Hände. Wir lernen gerade, dass man die Arbeit im digitalen Zeitalter anders organisieren und Dienstleistungen auch mobil erbringen kann. Denkbar für die Zukunft wäre, dass nicht jeder fünf Tage die Woche hier im Büro, sondern etwa zwei Tage im Homeoffice arbeitet. Das würde bei unseren Platzproblemen und bei der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf helfen.

Ein Thema auf Ihrer Agenda war auch, die personellen Ressourcen des Bezirksamts zu erhöhen. Was haben Sie da erreicht?

Werner-Boelz: Coronabedingt werden wir deutlich mehr Kräfte für die Gesundheitsämter bekommen. Aber auch für den Ausbau des Radverkehrs und für den Klimaschutz ist zusätzliches Personal vorgesehen. Wie weitere Bedarfe gedeckt werden können, müssen wir sehen.

Coronavirus – die Fotos zur Krise:

Sie sind überzeugter Fußgänger und haben auf einen Dienstwagen verzichtet. Was tun Sie für den Fußverkehr?

Werner-Boelz: Es gibt bereits Strategien, Hoheluft-Ost und Alsterdorf zu Vorzeigequartieren für den Fußverkehr zu machen. Ich möchte sie zeitnah umsetzen und dort barrierefreie und extra breite Fußwege schaffen – hier sind wir auf die finanzielle Unterstützung der Landesebene angewiesen.

Gibt es noch etwas, das Sie zum Abschluss sagen möchten?

Werner-Boelz: Ja! Ich möchte mich für die Zugewandtheit und Unterstützung sämtlicher Kolleginnen und Kollegen bedanken. Gemeinsam haben wir diese schwierige Zeit bisher sehr gut bewältigt. Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

  • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
  • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
  • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
  • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
  • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden