Hamburg . Der 53-Jährige wird damit erster grüner Behördenchef in Hamburg-Nord. Allerdings gab es drei Abtrünnige in den eigenen Reihen.

Michael Werner-Boelz, der bisherige Fraktionsvorsitzende der Grünen in Hamburg-Nord, wird Bezirksamtsleiter. Das hat die Bezirksversammlung von Hamburg-Nord am Donnerstagabend mit den Stimmen der grün-roten Mehrheit beschlossen.

Die Oppositionsparteien hatten, wie im Vorfeld angekündigt, gegen den 53-jährigen Sozialökonomen gestimmt. Zu Beginn der Sitzung ergriff Ralf Staack das Wort, der das Bezirksamt in den letzten eineinhalb Jahren kommissarisch geleitet hatte. Er dankte seinen Mitarbeitern und den Politikern dafür, dass Hamburg-Nord trotz der Dauerkrise um die Freikartenaffäre im Rahmen des Rolling-Stones-Konzerts und der lange währenden strafrechtlichen Ermittlungen nach wie vor einen guten Ruf in der Stadt und unter den Fachbehörden habe.

Dann betraten die 51 Bezirkspolitiker nacheinander die Wahlkabine. Für Werner-Boelz stimmten 27 der anwesenden Wahlberechtigten, gegen ihn votierten 22 Bezirkspolitiker, es gab eine Enthaltung und eine ungültige Stimme. Da die grün-rote Koalition 30 Mitglieder hat, muss es dort drei „Abtrünnige“ gegeben haben. Der Senat muss Werner-Boelz noch bestätigen – doch das ist eigentlich Routine.

Glückwunsch von Alexander Kleinow

Lediglich im Fall von Yvonne Nische (SPD), die im vergangenen Jahr Bezirksamtsleiterin von Hamburg-Nord werden sollte, hatte der Senat von einer Ernennung abgesehen. Grund war die Freikartenaffäre um das Rollings-Stones-Konzert, für das auch Nische Karten angenommen hatte. Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Alexander Kleinow, beglückwünschte den Gewählten: „Ich freue mich, dass Michael Werner-Boelz der neue Bezirksamtsleiter von Hamburg-Nord ist und bin hoffnungsvoll, dass wir die gute Zusammenarbeit mit ihm auch in seinem neuen Amt fortsetzen können.“

Werner-Boelz wird sein Amt voraussichtlich am 1. Februar 2020 antreten. „Ich freue mich darauf und bin voller Elan“, sagte er nach der Wahl. Der gebürtige Bayer lebt seit 1989 in Hamburg. Zuvor hatte er in seiner Geburtsstadt Illertissen, einer rund 16.000 Einwohner zählenden Kleinstadt zwischen Ulm und Memmingen, nach einer Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten acht Jahre im dortigen Rathaus gearbeitet. Nach Hamburg kam der Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung, um hier Soziologie und Sozialökonomie zu studieren. „Mein erklärtes Berufsziel war damals, hauptamtlicher Gewerkschaftssekretär zu werden“, erinnert sich Werner-Boelz, der sich dementsprechend schon in seiner bayrischen Heimat engagiert und beim Deutschen Gewerkschaftsbund DGB verschiedene Funktionen inne hatte.

2010 zum Fraktionsvorsitzenden gewählt

Dass es dann doch anders kam, habe mit den rassistischen Gewalttaten in Rostock, Mölln und Solingen Anfang der 90er-Jahre zu tun gehabt, so Werner-Boelz. An seinem neuen Wohnort engagierte er sich in der Initiative „Groß Borstel gegen Rechts“ und kam darüber in die Politik – zunächst in den bezirklichen Kulturausschuss, 1997 dann zu den Grünen, wo er kurz darauf in den Kreisvorstand gewählt wurde. 1998 wurde er Kreisvorsitzender, 2001 hauptamtlicher Geschäftsführer des grünen Kreisverbands Hamburg-Nord, 2008 wurde er in die Bezirksversammlung gewählt. Seit 2010 ist er dort Fraktionsvorsitzender, gleichzeitig war er ab 2008 in der Bürgerschaftsfraktion unter anderem Referent für Kultur und Wissenschaft sowie aktuell für Verkehrspolitik.

Diese Ämter habe er gerne ausgeübt, gebe sie jetzt aber auch bereitwillig für seine neue Aufgabe ab. Für diese habe er sich in erster Linie wegen „ seines persönlichen Gestaltungswillens“ zur Wahl gestellt, so der neue Bezirksamtsleiter. „Ich möchte die Chance nutzen, Vorhaben und Verfahren direkt zu beeinflussen – im Sinne des Wahlergebnisses und des Koalitionsvertrages mit der SPD. Der Leiter des Bezirksamts hat ganz andere Möglichkeiten, Dinge zu bewegen als ein Bezirksabgeordneter.“

Bezahlbarer Wohnraum als größte Herausforderung

Als größte politische Herausforderung in Nord sieht Werner-Boelz die Schaffung bezahlbaren Wohnraums. „Wir wollen höher bauen, mehr geförderten Wohnraum schaffen als bisher im Drittelmix üblich, Grundstücke nur noch im Erbbaurecht oder direkt an die städtische SAGA vergeben sowie den Wohnraumschutz intensivieren.“

Besonders am Herzen liege ihm die Stärkung des sozialen Zusammenhalts in den Quartieren. Da dafür freiwilliges, bürgerschaftliches Engagement unerlässlich sei, möchte er für ehrenamtlich Engagierte die bestmöglichen Bedingungen schaffen. „ Die Förderung von Kultur und Sport ist mir dabei besonders wichtig“ , sagt der Fan vom TSV 1860 München. „Beide Bereiche leisten einen enorm wertvollen Beitrag für ein solidarisches Miteinander.“